100 Jahre Frauenwahlrecht


Anette Welp
ist Autorin und Verlegerin sowie Frauenbeauftragte in der Treburer Gemeindeverwaltung;
augenauf.welp@t-online.de

Sehr geehrte Frauen, können Sie sich vorstellen, nicht wählen zu dürfen? Nicht bestimmen zu können, was Sie möchten und wofür Sie stehen? Können Sie sich vorstellen, an der Lebenswirklichkeit mitwirken zu müssen, diese aber nicht beeinflussen zu dürfen?

Bis vor hundert Jahren war Frauen sowohl das Wahlrecht als auch die Teilnahme an politischen Versammlungen verboten. Frauen wurde eine verminderte Intelligenz und aufgrund ihrer Gebärfähigkeit eine „natürliche“ Berufung für den häuslichen und privaten Bereich zugeschrieben. Es herrschte die Ansicht, dass Frauen nichts von Politik verstehen und die politischen Vorgänge nicht beurteilen können. Politik war ausschließlich eine Männerdomäne. Seit erst hundert Jahren können Frauen wählen und gewählt werden – das war ein entscheidendes Ereignis unserer Demokratie. Das Frauenstimmrecht ist die Grundlage für Gleichberechtigung und politische Partizipation. Und doch sind Frauen in Politik und Gesellschaft nicht gleichberechtigt vertreten. Der Weg hin zur Gleichberechtigung, für die sich Vorkämpferinnen eingesetzt haben, war lang und mühsam. Heute ist es selbstverständlich, dass Frauen dieselben Bildungschancen nutzen und ihre Berufswünsche umsetzen, in die Politik gehen und selbstbestimmt leben können. Auch der Gang zur Wahlurne ist für Frauen heute selbstverständlich. Dennoch habe ich den Eindruck, dass Frauen, insbesondere die jungen Frauen, sich diesem Anspruch, die gleichen Rechte wie Männer zu haben, nicht bewusst sind. Und das halte ich für sehr riskant. Denn wenn wir uns einer Sache nicht bewusst sind, lassen wir sie uns auch wieder unbesehen wegnehmen. Das darf nicht passieren. Denn dafür waren die Kämpfe zu mühevoll und haben Opfer gefordert. Es gibt viele Themen, die ausschließlich uns Frauen betreffen. Die Entscheidungen darüber dürfen wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen. Unser Wahlrecht in Anspruch zu nehmen bedeutet, die Macht zu haben und zu nutzen, um an unserer Lebenswirklichkeit mitzuwirken. Alle, insbesondere die jungen Frauen, müssen ermutigt und gestärkt werden, ihre eigenen Wege zu gehen, für ihre Selbstbestimmung zu kämpfen und die Verantwortung zu übernehmen. Es ist noch nicht alles gewonnen: Bis heute sind Frauen bei Fragen der Lohnungleichheit trotz gleicher Qualifikation, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch immer benachteiligt, weil keine respektablen Lösungen gefunden werden. Gerade weil es viele Unsicherheiten auf Seiten der Männer gibt, ist es besonders wichtig, dass wir Frauen für unsere Rechte und Forderungen geschlossen und solidarisch einstehen. Denn gerade in unsicheren Zeiten greift Man(n) gerne wieder auf Altbewährtes und Bequemes zurück. Aber das Altbewährte und Bequeme ist das, was wir Frauen nicht wollen. Ich jedenfalls nicht!

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