50 Jahre Graslitzer Stammtisch
![]() | Karl-Heinz Pilz ist Sportchronist und Mitglied in mehreren Nauheimer Vereinen; museum-nauheim@web.de |
von Karl-Heinz Pilz
Am 11.3.1966 wurde im Gasthaus „Zum Egerländer“ in Nauheim der „Graslitzer Stammtisch“ gegründet. Man traf sich immer am Freitagabend, um die Arbeitswoche zu verabschieden und das Wochenende zu begrüßen. Der Stammtisch hatte bis zu 30 Mitglieder, vom Arbeiter bis zum Fabrikanten, der sich auch musikalischer Stammtisch nannte, da 18 Mitglieder ein oder mehrere Instrumente spielen konnten. Zuerst freute man sich am gemeinsamen Weihnachtsessen. Dann steigerte man sich. Zum „Ebbelwoi“ fuhren wir mehrmals nach Frankfurt-Sachsenhausen in die „Affentorschänke“. Den echten Wein genossen wir in Bodenheim, Rauenthal, Rüdesheim und Eltville. Da ging es immer hoch her. Sehr durstig blieben wir allerdings bei der Totenfeier von Franz-Josef Strauß in München, denn wir saßen im Hofbräuhaus, und es wurde kein Bier mehr ausgeschenkt, da die Computer ausfielen. Schlachtfeste, Kegel¬abende, Geburtstagfeiern, Bundesligaspiele, Musikabende und Kirchweiheröffnung schlossen sich an. Im Jahre 1992 trug der Stammtisch mit seinen Böllerschüssen und seiner Stammtischkapelle nicht unwesentlich dazu bei, dass in der TV-Halle die Nauheimer Kerb wiederbelebt wurde. Im gleichen Jahr stiegen die Gewerbetreibenden aus dem Nauheimer Weihnachtsmarkt aus, und der Stammtisch sorgte mit einer Krippenausstellung, die von 1.500 Personen besucht wurde, dafür, dass der Weihnachtsmarkt am Leben blieb. Berühmte Künstler wie Ambros Seelos, Max Greger, Pete Tex, die Bamberger Symphoniker, eine Kapelle der Bundeswehr, die „Moldau-Mädchen“, die „Moosacher“ und die holländische Musiker aus dem Haus von Königin Juliane beehrten den Stammtisch. Allein viermal feierten wir unsere Stammtisch-Geburtstage in Festzelten. Festschriften wurden für die jeweiligen Events verfasst und zum 30-jährigen Bestehen kamen 2.000 Besucher, mit dem abschließenden Finale der Groß-Gerauer Spargeltage. Die Festzelte waren so schön geschmückt, dass sich unsere Gäste wohlfühlen mussten. Selbstverständlich waren auch die Bürgermeister der teilnehmenden Orte geladen mit den führenden Personen der Groß-Gerauer Kreissparkasse und Volksbank. Es waren teilweise über 100 Musiker, in verschiedenen Kapellen für uns auf der Bühne tätig. In aller Erinnerung ist das „Franz Scherbaum Quartett“, das auch bei Bischöfen und Industrieführern spielte und zu Beifallstürmen hinriss. Einige Stammtischler hatten Söhne, die damals in der bekannten Band „Les Rubis“ spielten und ebenfalls unsere Feste bereicherten. Auch Kräfte des Nauheimer Musikvereins, wie Karl-Heinz Kühnl, Peter Meinlschmidt, Werner Daum, Kurt Thöma und Willi Riedl unterstützten uns. Auch die „Nauheimer Blasmusik“ und die „Schlawiner“ aus Trebur standen uns zur Seite. Beim Hessentag 1994 in Groß-Gerau fuhren wir mit zwei Festwagen, deren Außenseiten mit Instrumenten unserer Nauheimer Herstellern geschmückt waren. Die Kommentatorin vom Hessischen Fernsehen, Barbara Siehl, lobte unsere Wagen in den höchsten Tönen. Nicht vergessen dürfen wir unsere Ehefrauen und die hilfreichen „Geister“, ohne die solche Feste nicht zu stemmen gewesen wären. Auch unsere Fastnachtsabende und unsere Ausflüge in verschiedene Länder sollen nicht vergessen werden. Vier Wochen vor dem Fall der Mauer flogen wir nach Berlin, wo bei einer Havelrundfahrt unsere Musiker einen großen Erfolg feierten und die Menschen an den Ufern erfreuten. Durch viele dieser Aktionen wurden wir weit über unsere Grenzen bekannt. Durch den Tod unserer „Blöser-Brothers“ Fred und Gerd, die meistens mit den Musikern Wulf Hauser, Horst Müller und Albert Weiß musizierten, haben wir die letzten Musiker am Stammtisch verloren. Es ist deshalb abzusehen, wenn sich auf Grund von Nachwuchssorgen, der „Graslitzer Stammtisch“ auflöst, aber trotzdem, die Erinnerungen nicht zu verdrängen sind.