Aus Sicht eines Grünen und der CDU
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Nachdem sich der Kreistag konstituiert, die aus SPD, Grünen und Die Linke plus Piratenpartei bestehende und über nur eine Stimme Mehrheit verfügende Koalition die Arbeit aufgenommen hat und die Lokalpresse zur Tagesordnung übergegangen scheint, veröffentlicht das WIR-Magazin sowohl einen Beitrag von Matthias Schimpf, dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Groß-Gerauer Grünen und heutigen Bergsträßer Kreisbeigeordneten, als auch eine Stellungnahme aus der CDU-Kreisgeschäftsstelle in vollem Wortlaut, mit der sich unsere Leser ein Gesamtbild von der Situation im Kreistag machen können.
GRÜNE: Perspektiven
in der Kreisstadt und im Landkreis
von Matthias Schimpf
Zwei Monate nach der Kommunalwahl in Hessen haben sich die kommunalen Parlamente sortiert und es gibt neue und oftmals auch für Bündnis 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE) so nicht zu erwartende Konstellationen.
Die Ausgangslage für GRÜNE: Sowohl in der Kreisstadt Groß-Gerau als auch im Landkreis Groß-Gerau hat die bisherige Kooperation bzw. Koalition aus CDU und GRÜNE (Stadt) bzw. SPD und GRÜNE (Kreis) ihre Mehrheit verloren. Neue Gruppierungen sind in die Kommunalparlamente eingezogen, die AFD hat im Kreis wie überall in Hessen – dort wo sie angetreten ist – aus dem Stand den Sprung in das Parlament geschafft. Klare Verlierer in Stadt und Kreis waren GRÜNE mit Verlusten von 8,4% (Stadt) und 11,4% (Kreis). Weder in der Stadt noch im Kreis konnten die bisherigen Partner der GRÜNEN von diesen Verlusten profitieren, genauso wenig wie die jeweils größte Oppositionspartei.
In Stadt wie auch im Kreis waren für eine Mehrheit als Zweierbündnisse nur jeweils eine große Koalition aus SPD und CDU möglich, alle anderen Bündnisse mussten für eine Mehrheit aus mindestens drei Partnern bestehen. Die Perspektive für GRÜNE: Anspruch einer jeden Partei oder politischen Vereinigung, welche zu Wahlen antritt, sollte es sein, dass man grundsätzlich politisch mitgestalten möchte. Für GRÜNE gilt dies selbstverständlich auch. Die Herausforderung für GRÜNE auf beiden Ebenen bestand und besteht darin abzuwägen, ob man sich auf ein Bündnis mit zwei und mehr Partnern einlässt oder für sich entscheidet, dass solche Konstellationen letztlich für GRÜNE inhaltlich-programmatisch nicht tragfähig sind und man konstruktive Oppositionspolitik betreibt.
In der Kreisstadt gab es schon vor 2011 viele Themen, welche GRÜNE zusammen mit der damaligen KOMBI-CDU-Koalition verabschiedet haben, mithin lag es nahe zu prüfen, ob eine Kooperation über wesentliche Fragen der Stadtpolitik möglich ist. Im Kreistag hatten GRÜNE noch keine Erfahrung in einem Bündnis mit zwei oder mehr Partnern, aber eine bewährte Zusammenarbeit mit der SPD. Allerdings reichte es im Kreistag nicht für ein Dreierbündnis, so dass ein weiterer Partner gefunden werden musste, mit dem insgesamt ein inhaltlich tragfähiges Programm und eine verlässliche Mehrheit gebildet werden kann. Auch eine Rolle spielt dabei, dass es wenig Sinn macht, eine Mehrheit gegen einen direkt gewählten Bürgermeister oder Landrat zu etablieren. In der Regel ist dies für die Umsetzung von Projekten und die Fortentwicklung der Stadt oder des Kreises nicht förderlich. Die jetzt getroffene Entscheidung, in der Stadt für eine Kooperation von CDU-GRÜNE-KOMBI bietet allen drei Gruppierungen genug Spielraum ihre Ideen einzubringen und gemeinsam mit den Partnern umzusetzen und basiert auf den guten Erfahrungen der letzten Jahre, sich im gegenseitigen Vertrauen den zu bewältigenden Herausforderungen zu stellen und diese konstruktiv zu lösen. Im Kreistag wird es spannender, ob und wie die neue Koalition aus SPD-GRÜNE-LINKE/OL-Piraten die anstehenden Fragen angehen und bewerkstelligen wird.
Das Kommunalwahlergebnis hat allen demokratischen Parteien die Aufgabe gestellt, miteinander zu reden und damit bisher bestehende (partei-)politische Pfade zu verlassen. Für Kreis und Stadt und auch für GRÜNE kann man feststellen, dass man sich der Aufgabe gestellt hat, ob mit Erfolg wird sich zeigen – spätestens im März 2021.
CDU: Kostspielige rot-rot-grüne Mehrheit
von Heinrich Adler und Stefan Sauer
Die neue Mehrheit im Kreistag ist eine Kuschelmehrheit, die uns noch viel Geld kosten wird. Der Kreisvorsitzende der CDU, Stefan Sauer, kann nicht bestätigen, dass er sich (wie in der Lokalpresse berichtet, die Red.) gegen eine Mehrheit mit der SPD ausgesprochen hat. In einem kurzen Telefonat hat Thomas Will unmittelbar nach der Wahl erklärt, er lote zunächst Lösungen unter Beibehaltung der Zusammenarbeit mit den Grünen aus. Man war sich einig, dass vernünftige Mehrheiten zu suchen sind und die CDU die Entwicklungen abwartet – eine große Koalition werde sicherlich anstrengend. Tatsächliche Gespräche zur Bildung einer starken politischen Mehrheit im Kreis haben nie stattgefunden.
Das Ergebnis der Verhandlungen ist umso enttäuschender. Wenn Rot-Grün eindeutig abgewählt wurde, dann hat die Wählerschaft sicherlich nicht gewollt, dass es Rot-Rot-Grün weitergeht. Die Linken kamen gerade einmal auf fünf Prozent! Die Linke/Offene Liste ist der denkbar ungünstigste politische Mitgestalter im Kreis Groß-Gerau. Es ist geradezu unverantwortlich, in einem solchen Dreierbündnis zu regieren. Dies wird die Wähler noch viel Geld kosten und zentrale Entscheidungen verschleppen. Wenn der Kreis Geld ausgibt, dann haben die Kommunen dies über die Kreis- und Schulumlage zu bezahlen. Die Bürger werden dies an der Erhöhung der Grundsteuer B stetig spüren. Alleine die Kreisstadt Groß-Gerau wird in 2015 mit einem Betrag von gut 15 Mio. EUR bei Kreis- und Schulumlage zur Kasse gebeten.
Die Bürgermeister der Städte und Gemeinden im Kreis sind mehrheitlich CDU geführt. Dieses Stimmungsbild passt nicht zu den politisch Verantwortlichen im Kreis Groß-Gerau – Spannungen sind vorprogrammiert. Wahr bleibt, Landrat Thomas Will hat auf Biegen und Brechen an der Zusammenarbeit mit den Grünen festhalten wollen. Dies ist für ihn angenehm und für den Kreis Groß-Gerau die falsche Entwicklung. Der bequeme Weg wurde dem zukunftsorientierten Weg vorgezogen. Die vor uns liegende Zeit braucht eine gute, verlässliche politische Führung und keine angenehme Kuschelatmosphäre. Entscheidungen sind zu treffen, wir denken hierbei auch an die Zukunft der Kreisklinik Groß-Gerau, wo bis heute keine Entwicklungsperspektive aufgezeigt wurde. Wir hätten erwartet, dass auch Gespräche mit der zweitstärksten Fraktion im Kreistag (CDU; 24,2%) geführt worden wären. Der Unterbezirk der SPD hat auf seinem Parteitag keine Alternativen diskutiert, denn die wurden den SPD Mitgliedern nicht aufgezeigt/angeboten. Vielmehr wurden mit der Zustimmung zu Rot-Rot-Grün die handelnden Köpfe bedient und der Stillstand auf hohem Ausgabenniveau beschlossen.