Bahnhof als Verpflegungsstation

Zusammengestellt von Peter Erfurth.

Aus dem Kreisblatt vom 24. Mai 1935 (Auszug): So gewann der Bahnhof immer mehr an Bedeutung und ging in ständigem Aufstieg in das erste Jahrzehnt des 20 Jahrhunderts. Damals konnte man noch nicht ahnen, welche Bedeutung ihm während des unmittelbar bevorstehenden Weltkrieges zukommen sollte.

Schwere Gewitterwolken ballten sich über Deutschland zusammen, und in den ersten Augusttagen 1914, als Deutschland seine Truppen mobilisierte, begann ein ereignisreicher Abschnitt in der Geschichte des Bahnhofs Groß-Gerau. Im Mobilmachungsplan war der Bahnhof Groß-Gerau zum Sitz einer „Bahnhofskommandatur mit Verpflegungsanstalt“ bestimmt worden. Neben dem dritten Gleis wurden zu diesem Zweck Hydrantenanschlüsse zum Tränken der Pferde gelegt und ebenfalls auf dem anstoßenden Feld, wo Baracken errichtet werden sollten. In einer Halle lagerten 3 große Kochkessel und mehrere fahrbare Wasserbottiche.

Der Bahn- und Brückenschutz trat am ersten Mobilmachungstage in Tätigkeit. Bauunternehmer aus Darmstadt begannen fieberhaft mit dem Bau der Hallen. Mittlerweile traf auch der Bahnhofskommandant ein. Zwei Feldküchen, von denen eine 8 Kessel mit je 640 Liter umfaßte, wurden aufgestellt. Die Verpflegung des ersten Truppentransportes erfolgte am vierten Mobilmachungstage; vom sechsten Mobilmachungstage an war 5 Wochen lang ein ganzes Bataillon zu verpflegen, täglich etwa 15.000 bis 16.000 Mann, dazu kam die Hafer- und Heuausgabe an Berittene und die Tränkung der Viehtransporte. Man kann sich vorstellen, daß das für den bisher so friedvollen Bahnhof Groß-Gerau mancherlei Schwierigkeiten brachte. Der Bahnhofswirt war der vertraglich übernommenen Aufgabe nicht mehr gewachsen. Auch fahrtechnisch gab es manchmal die größten Bedrängnisse. (…) Am schwierigsten gestaltete sich einmal die Abfertigung einer bayrischen Reservedivision, die aus 62 Zügen bestand, von denen 20 hier verpflegt wurden. Das Bahnhofspersonal war selbstverständlich Tag und Nacht auf den Beinen, die Bevölkerung half eifrig mit, die Konservenfabrik stellte das nötige Geschirr bereitwilligst zu Verfügung, kurzum, es war in den Tagen der Mobilmachung Hochbetrieb auf dem Bahnhof Groß-Gerau, der trotz aller Fährnisse und Widerwärtigkeiten die ihm gestellten Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erfüllte, was dem damaligen Personal des Bahnhofs Groß-Gerau hoch anerkannt werden muß. Schließlich trat eine Ruhepause von etwa 3 Wochen ein. Von da ab erfolgten die Transporte alle 2-3 Stunden, bei großen Truppenverschiebungen jedoch stündlich. Dann kamen die ersten Rücktransporte, Gefangenen-, Pferde- und Lazarettzüge. In den Gefangenenzügen, deren Insassen ebenfalls planmäßig zu verpflegen waren, gab es oft zahlreiche Schwerverwundete, für die dringender als die Verpflegung die Erneuerung der Verbände war, die von der hiesigen Sanitätskolonne vorgenommen wurde.

Quellen: Archiv des Stadtmuseums

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