Bücher, Bücher, Bücher

Von Ralf Schwob.

Am 7. und 8. März wird zum mittlerweile 24. Mal die „Buchmesse im Ried“ in der Altrheinhalle in Stockstadt veranstaltet. Bei freiem Eintritt können die Besucherinnen nicht nur an den Ständen der Verlage, Buchhandlungen und Literaturinitiativen stöbern, sondern auch Lesungen und Vorträge besuchen.

Das Messe-Team hat wieder eine ansprechende Mischung zusammengestellt, so dass für fast jeden Geschmack und jedes Alter etwas dabei sein dürfte. Eröffnet wird die Messe bereits mit einer ganz besonderen Lesung am Samstagabend, 7. März, dann präsentiert nämlich der bekannte Darmstädter Krimi-Autor Michael Kibler sein neues Buch im Rahmen eines Krimi-Dinners. Karten für Lesung und Dinner kosten 20 Euro und sind erhältlich bei der Gemeinde Stockstadt (06158-82919) und der Buchhandlung Bornhofen in Gernsheim.

Ein alljährliches Highlight ist die Bekanntgabe der Siegerinnen des aktuellen Literaturwettbewerbs am Samstagmorgen. Bereits am 3. März (Dienstag) lesen die Vorjahressiegerinnen in der Stadtbücherei Groß-Gerau aus ihren prämierten Texten (Beginn 19.30 Uhr, Eintritt frei).

Aussteller der „Stockstädter Wohlfühltage“ mit Produkten und Dienstleistungen aus dem Wellness-Bereich sowie eine Snack- und Kuchentheke runden auch in diesem Jahr das vielseitige Angebot der „Buchmesse im Ried“ ab.


Buchtipps

Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger

Von Michael Buttler

Bei Michael Buttlers viertem Sherlock Holmes-Buch handelt es sich um eine Geschichtensammlung, die vier Abenteuer des berühmten Detektivs und seines Freundes Doktor Watson enthält.

Dabei hat sich der Autor von fiktiven Manuskripten leiten lassen, an denen der Doktor in Buttlers bisherigen drei Holmes-Büchern arbeitet. Ihre teilweise recht abenteuerlichen Titel werden dort erwähnt. So geht es zum Beispiel um blaue Kaninchen, um eine falsche Tempeltänzerin und nicht zuletzt auch um den Bengalischen Tiger.

Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger – von Michael Buttler aus der Reihe: „Sherlock Holmes – Neue Fälle“ des Blitz-Verlags erscheint im April 2020. Vorbestellbar unter www.blitz-verlag.de

Bisher erschienen (Auswahl):
„Die Bestie von Weimar“, „Die indische Kette“, „Das Geheimnis von Rosie’s Hall“

Leseprobe

„Diese junge Dame stand“, Mrs Hudson wandte sich an die Besucherin, „wie lange vor der Tür?“ Die Angesprochene schaute beschämt zu Boden. „Viel zu lange jedenfalls“, behauptete Mrs Hudson, obwohl es nur wenige Minuten gewesen sein konnten, da mein Freund Holmes doch gerade erst vom Einkaufen gekommen war. „Weil sie wohl gehört hat, welch ein unmöglicher Mensch Sie sind, hat sie sich gewiss nicht getraut zu klopfen. Obwohl, da bin ich mir sicher, eine große Not sie zu diesem Haus geführt hat.“

Holmes war weiterhin mit seinen Labortätigkeiten beschäftigt und winkte ab. „Dann soll sie sich einen freien Platz suchen und sich hinsetzen.“

„Haben Sie gehört, Kind? Seien Sie nur beruhigt. Jetzt wird alles gut. Und ich bringe wie versprochen gleich Tee und etwas zur Stärkung.“

„Über das Ingwergebäck würde ich mich freuen“, meinte Holmes.

„Ist von dem Likör noch etwas da?“, fragte ich dazwischen.

Mrs Hudson strahlte mich an und schüttelte den Kopf. „Nein, Doktor Watson. Erfreulicherweise nicht. Es hat den Damen gemundet.“ Sie zeigte dem Fräulein einen freien Stuhl und wartete, bis sich die Besucherin gesetzt hatte. Dann ging sie aus dem Zimmer.

Das junge Fräulein schaute zu mir. Ich hielt ihr den Titel des skandalösen Buches praktisch direkt vor das Gesicht. Schnell klappte ich Oscar Wildes Dorian Grey zu und legte das Buch zur Seite.

„Also, Sie sind Wäscherin“, begann Holmes von seinem Tisch aus und sortierte immer noch seine Utensilien, begann, mit einem Tuch die Kolben auszuwischen. „Sie sind in einem großen Betrieb angestellt, nicht in einem Haushalt.“

Die Besucherin nickte und sagte kein Wort. Sie hatte die Augen nun weit geöffnet, wie ein scheues Tier, das Angst vor dem Gewitter hat.

„Sie sorgen für ein krankes Familienmitglied, haben einen Verehrer, und die letzten Nächte haben Sie kaum Schlaf gefunden.“

Wieder nickte sie. „Es stimmt wohl, was man sich über Sie erzählt“, kam es zaghaft von ihren Lippen. Sie war blutjung und hatte ihr halblanges braunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

„Ja, ja, Wunderdinge sind es, die ich bewirke“, sagte Holmes hönisch. „Wenn sich die Menschheit mehr damit beschäftigen würde, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, dann würde sie feststellen, dass ein Sherlock Holmes keine besondere Gabe besitzt, sondern nur ausspricht, was er sieht.“

Die Besucherin schaute beschämt zu Boden.

„Seien Sie doch nicht so unfreundlich, Holmes“, tadelte ich meinen Freund.

„Ich spreche nur Wahrheiten aus, Watson, nichts anderes.“ Er wandte sich wieder an die Besucherin. „Ihre Hände sind von den Laugen sehr angegriffen. Mehr, als würde das Waschen nur einen Teil Ihrer Tätigkeit ausmachen. Ihr Kleid ist dennoch beschmutzt. Essensreste, wie ich erkennen kann. Da Sie aber nicht über zittrige Hände zu klagen haben, werden Sie jemanden füttern. Vermutlich eine alte, kranke und Ihnen nahestehende Person. Trotz Ihrer recht einfachen und verschmutzten Bekleidung tragen Sie Bänder im Haar. Wahrscheinlich Geschenke von einem Galan, nicht wahr? Dem Sie gefallen wollen, ist es nicht so? Natürlich ist es das.“

Ich seufzte und schüttelte den Kopf.

„Wie heißen Sie, mein Kind?“, fragte ich so freundlich, wie ich konnte.

Bevor sie antworten konnte, schoss Holmes dazwischen: „Eine Frau, die so viel leistet, mit mein Kind anzureden, ist äußerst unhöflich und herabwürdigend, alter Knabe. Und sei die Frau auch noch so jung.“

Er hatte natürlich recht, doch das wollte ich nicht zugeben. Es wurmte mich, dass ausgerechnet er mir vorwarf, mich gegenüber der Besucherin unhöflich zu benehmen.

„Mein Name ist Paltrow“, sagte sie.

„Und was ist der Grund für Ihr Erscheinen?“, wollte Holmes wissen. Bei diesen Worten stand er endlich von seinem Experimentiertisch auf und setzte sich zu uns.

„Mein Verlobter ist verschwunden.“

„Das, Miss Paltrow, ist zwar bedauerlich, doch er wäre nicht der Erste, der sich neu orientiert.“

„Holmes“, ermahnte ich ihn. „Nun sind Sie aber unhöflich. So etwas können Sie der armen Miss doch nicht einfach ins Gesicht sagen.“

Er runzelte die Stirn. „Ach nein? Wohin soll ich es ihr denn sagen?“


Tod im Groß-Gerauer Gleisdreieck

Von Ralf Schwob

Ralf Schwob erzählt in seinem neuen Buch „Tod im Gleisdreieck“ die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft und eines fiktiven ungesühnten Verbrechens im Groß-Gerau der 80er Jahre.
Groß-Gerau 1982: Die Teenager Klaus, Sebastian und Olli lernen einen Obdachlosen kennenlernen, der in einer alten Hütte am Bahndamm haust. Sie feiern oder ziehen sich dorthin zurück, wenn es bei ihnen zu Hause oder in der Schule Probleme gibt, aber in einer Nacht läuft alles aus dem Ruder und die drei Teenager werden in etwas verwickelt, was sie den Rest ihres Lebens prägen wird. Über 30 Jahre später treffen sie sich wieder, weil einer von Ihnen über das, was damals im Gerauer Gleisdreieck geschah, nicht mehr schweigen kann…

Erneut verbindet Ralf Schwob eine Krimihandlung mit einer Freundschaftsgeschichte, in der das Groß-Gerau der frühen 80er Jahre und von heute den passenden Rahmen bietet. Zwischen Wasserweg und Wasserturm, dem Siedlerheim auf Groß-Gerau Nord und dem Dornberger Schloss entwickelt sich eine spannende Geschichte, die viel Zeit- und Lokalkolorit enthält.

Tod im Gleisdreieck – von Ralf Schwob ist im mainbook Verlag erschienen und im Buchhandel sowie bei Lesungen erhältlich.

Leseprobe

Olli nahm das andere Foto, die Reproduktion einer alten Postkarte, auf der die Groß-Gerauer Schwenkschule abgebildet war. Die Schwenk-Schule war ein roter Backsteinbau mit vier großen Klassenzimmern und stammte noch aus dem 19. Jahrhundert. Die hohen Fenster des Altbaus gingen nach vorne hinaus auf den Hof, wo die Lehrer ihre Autos parkten. Die beiden überdachten Eingänge zum Schulgebäude hingegen lagen an der Rückseite zum Pausenhof hin. Hier gab es auch einen kleinen gemauerten Zusatzbau, in dem sich die Schülertoiletten befanden, und dahinter lag der eigentliche Pausenhof, der allerdings nichts weiter bot als genügend freien Platz, um sich die im Sitzen angestaute Energie aus dem Leib zu toben.

In den Klassenräumen standen Doppeltische als dunklem Holz, die zu Vierer- und Sechsergruppen zusammengerückt waren. Es gab eine lange Reihe mit riesigen Kleiderhaken an der Wand neben der Tür, und wenn die schneenassen Anoraks und Parkas im Winter dort in der Heizungsluft trockneten, bildeten sich darunter kleine Pfützen auf dem schachbrettartigen Schwarzweiß-Muster des abgetretenen Fußbodens. Die Fensterbänke auf der anderen Raumseite waren so tief, dass man sich mit angezogenen Beinen hineinsetzen konnte, und in der Mitte der unteren Klassenzimmer standen zusätzlich zwei verschnörkelte Säulen, welche die hohe Decke abstützten. An der Stirnseite der Klassenräume gab es eine Tafel mit aufklappbaren Seiten, auf der im Grunde der gesamte Unterricht abgehalten wurde, wenn man von den raren Filmvorführungen absah, die im Keller der Schule stattfanden, wo man bei gelöschtem Licht die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Die Lehrer hantierten dann mit riesigen Filmspulen herum und fütterten damit einen klobigen Projektor, der knatterte und ratterte, und er größte Spaß dabei war, wenn der Lehrfilm über Zahnpflege oder Wetterkunde am Ende zurückgespult wurde und alles auf der Leinwand rückwärtslief.

Und dann sah er sich selbst an dem Vierertisch ganz vorne im Klassenraum sitzen, an dem ihre Lehrerin diejenigen Schüler versammelt hatte, auf die sie ein Auge haben musste. Klaus Schreiner saß dort, weil er laut war, die anderen provozierte und sich ständig prügeln wollte. Heute würde man einen wie ihn wahrscheinlich auf ADHS prüfen und Förderprogramme und spezielle Trainingsmethoden beantragen, aber damals galt er einfach nur als schwieriges Kind, und damit hatte es sich dann auch. Olli selbst saß am Tisch der Sonderlinge, weil er verträumt war und sich nicht konzentrieren konnte. Jedes Wort, jedes Bild, ja sogar jede Zahl lösten bei ihm Gedanken und Einfälle aus, die ihn vom eigentlich Thema wegführten, und wenn die Lehrerin ihn aufrief und etwas fragte, gab er zuweilen vollkommen bizarre Antworten, für die ihn die ganze Klasse auslachte. Ein Problem, dass er im Grunde genommen nie richtig losgeworden war. Warum allerdings der aufgeräumte Sebastian als Klassenbester bei ihnen sitzen musste, konnte sich keiner so richtig erklären. Wahrscheinlich steckte dahinter der pädagogische Gedanke, dass sich die anderen zwei ein Beispiel an dem strebsamen Basti nehmen sollten. Wenn das der Plan gewesen war, dann hatte er jedenfalls nicht besonders gut funktioniert. Im Nachhinein wunderte es Olli, dass Sebastian sich nie darüber beschwert hatte, mit den beiden größten Versagern der Klasse an einem Tisch sitzen zu müssen. Wenn Olli ihn etwas fragte, half er ihm bereitwillig und geduldig, und wenn Klaus versuchte, Streit mit ihm anzufangen, lächelte er nur und ließ ihn linksliegen. Am Anfang war sich Olli ziemlich sicher, dass Klaus den langen, aber schmächtigen Sebastian in einer der großen Pausen vermöbeln würde, aber das tat er nie. Vielleicht weil er spürte, dass Basti einfach keine Angst vor ihm hatte, und sich das auch nach einer Tracht Prügel nicht ändern würde.

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