Charity-Event: Helfen lohnt sich
Von Rainer Beutel
Unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Stefan Sauer steigt am 12. August die Charity-Veranstaltung „Sommer Open Air 2017“ im Helvetia Parc. Neben vielen anderen Stars will Sängerin Lena Meyer-Landrut für einen großen Erlös zugunsten der Kinderhospizarbeit sorgen. Die Geschäftsführerin des Bundesverbands, Sabine Kraft, geht im WIR-Interview auf Hintergründe der Veranstaltung und die Ziele ihrer Organisation ein.
Frau Kraft, ohne eine Organisation wie den Bundesverband Kinderhospiz wäre das Thema „Kinder und Tod“ sicherlich noch weitaus stärker tabuisiert, als es in vielen Kreisen der Gesellschaft leider immer noch ist. Bitte erklären Sie unseren Lesern, warum der Zugang zu diesem Thema so schwierig erscheint und warum Sie und Ihre Einrichtungen es sich zum Ziel gesetzt haben, Schwellen zu überwinden und Vorbehalte abzubauen?
Sabine Kraft: Niemand beschäftigt sich gerne mit Tod und Sterben. Wenn Kinder betroffen sind, ist das Hinschauen noch schwerer zu ertragen. Im direkten Umgang mit Betroffenen spielen Ängste eine große Rolle: Man fürchtet, das Falsche zu sagen und sagt deshalb lieber nichts. Das ist verständlich, und doch bedeutet es für Familien, die ein krankes Kind verlieren werden oder schon verloren haben, soziale Ausgrenzung. Die über 40.000 Familien in Deutschland, für die wir als Bundesverband Kinderhospiz da sind, haben es nicht verdient, in ihrer ohnehin schon schweren Lage auch noch alleine gelassen zu werden. Ihre Situation muss in die Öffentlichkeit getragen werden, damit noch mehr Menschen klar wird, dass es sich hier lohnt, zu helfen.
Was bedeutet in diesem Kontext „Hospiz“?
Sabine Kraft: Das Wort Kinder-„Hospiz“ ist schwierig, denn Menschen verbinden mit dem Wort das Sterben. Wir sprechen über einen Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen. Die Erkrankungen der Kinder sind jedoch anders, oft sind es Stoffwechsel- oder Muskelerkrankungen, die manchmal sogar einen jahrelangen steten Abbau mit sich bringen. Doch ab der Diagnose einer solchen Erkrankung ist klar, dass diese Erkrankung zum viel zu frühen Tode führen wird. Die Zeit jedoch, die diese Familien ab der Diagnose miteinander haben, ist eine Zeit des Lebens und Hoffens. Keiner möchte, wenn es heißt, es kann noch zehn Jahre gut gehen, an ein Hospiz denken. Doch Kinderhospize sind Orte des Lebens und Lachens, manchmal auch des Sterbens. Familien gehen mit ihrem schwerstkranken Kind dort hinein und wieder hinaus. Das ist ein großer Unterschied zu einem Hospiz für Erwachsene, wo man in der Regel hingeht und nicht wieder nach Hause kehrt. Deshalb müssen wir ständig darüber aufklären, dass Kinderhospize anders sind als Hospize für Erwachsene.
Mit Veranstaltungen wie dem Charity-Event in Groß-Gerau sprechen Sie viele Menschen an. Wie gelingt es bei allem musikalischem Vergnügen, unter den Veranstaltungsbesuchern ein Bewusstsein für die eigentliche Problematik zu wecken und gleichzeitig ein fröhliches Ereignis auf die Beine zu stellen?
Sabine Kraft: Das schaffen die eingeladenen betroffenen Familien ganz alleine. In Deutschland ist leider noch viel zu wenig bekannt, dass Kinderhospizarbeit nicht nur traurige Seiten hat. Ja, diese Kinder werden sterben. Aber: Diese Kinder haben ein Recht auf Glücksmomente. Auf schöne Erlebnisse. Auf Aufmerksamkeit um ihrer selbst willen. Bei der Kinderhospizarbeit geht es genau darum. Und deshalb ist es wunderschön, bei Veranstaltungen wie in Groß-Gerau zu sehen, wie viele Menschen dort einfach ein tolles Konzert genießen und glücklich sind – egal, ob sie gesund sind oder krank. So integriert sollten die Betroffenen immer sein.
Was können Einzelne und Organisationen über Spenden hinaus dazu beitragen, andere für das Thema zu sensibilisieren?
Sabine Kraft: Natürlich sind uns Unterstützer immer hoch willkommen, die mit Aktionen oder Spendensammlungen die Kinderhospizarbeit unterstützen. Das Wichtigste ist jedoch die Menschlichkeit. Aufmerksam zu sein für die Familien, die in einer solchen Situation stecken. Anteil nehmen, zuhören. Wer es selbst nicht schafft, hinzuschauen und zu helfen, der kann wenigstens darauf hinweisen: Es gibt da jemanden, der für Euch da ist. Deshalb ist uns ein besonders großes Anliegen, unser Sorgentelefon Oskar noch bekannter zu machen. Das ist ein Telefon, das rund um die Uhr, jeden Tag, egal ob Ostern oder Silvester, besetzt ist und weiterhilft, zuhört und aushält, erreichbar unter (0800) 88884711.
Ein Blick nach vorne: Wie stellen Sie sich ein noch breiteres und effektiveres Netzwerk der Kinderhospiz in fünf oder zehn Jahren vor? Was werden Sie dafür unternehmen?
Sabine Kraft: In Zukunft wird es sicher darum gehen, Selbsthilfegruppen und andere Organisationen verstärkt in die Verbandsarbeit mit einzubeziehen. Auf politischer Ebene werden wir weiterhin aktiv darauf hinwirken, die gesetzlichen Bedingungen für die Kinderhospizeinrichtungen sowie für das Pflegepersonal zu optimieren. Da ist noch viel Luft nach oben. Unser Netzwerk wird auch dadurch effektiver werden, dass wir immer mehr Menschen erreichen. Auch werden wir weitere Zielgruppen erreichen, zum Beispiel eine spezielle Hilfe anbieten für Menschen, die durch Frühgeburten ihre Kinder verlieren. Wenn wir alle Bereiche bedenken, ist in Deutschland jeder Zweite von unserem Thema betroffen. Natürlich brauchen uns nicht alle. Aber wir sind für alle da.
Weitere Informationen:
www.kinderhospiz-charity.de
www.facebook.com/kinderhospizcharity
www.bundesverband-kinderhospiz.de
Sabine Kraft ist seit 2005 Sozialpädagogin, Betriebswirtin und Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz und seit 2016 ehrenamtliche Vorsitzende des Internationalen Netzwerks der Kinderpalliativversorgung; kraft@bundesverband-kinderhospiz.de