Choräle spielen oder länger schlafen?

Von Rainer Beutel.

Seit vier Jahrzehnten hat Manfred Barthel mit seinem Orgelspiel die Gottesdienste in der Evangelischen Kirchengemeinde Büttelborn begleitet, jetzt hat er dieses Amt ­abgegeben. Die Kirchengemeinde ist dem ortsbekannten Unter­nehmer überaus dankbar und sucht einen Nachfolger. Wie Manfred ­Barthel zum Orgelspiel kam und was ihn musikalisch sonst noch ­bewegt, hat er WIR-Redakteur ­Rainer Beutel erzählt.

Herr Barthel, 40 Jahre Organist in der Evangelischen Kirchengemeinde, das ist eine sehr lange Zeit. Wie hat alles begonnen?

Manfred Barthel: Nun, zunächst einmal war es so, dass, aufgrund der Tätigkeiten meines Vaters Peter-Wilhelm Barthel als Chorleiter, immer ein Klavier bei uns zu Hause war. An dieses Klavier durfte ich mich immer setzen, wenn mir danach war. Und das war oft. Mein Vater war auch Kirchenorganist. Wenn er dann am Sonntagvormittag Orgeldienst hatte, ging ich mit in die Kirche. Das hat mir immer sehr gut gefallen. Auch wenn ich manchmal gerne noch ein bisschen länger geschlafen hätte. Ich habe dann nach und nach auch einmal den einen oder anderen Choral an der Orgel spielen dürfen. Kurz nach dem Konfirmandenalter spielte ich dann meinen ersten Gottesdienst alleine. Natürlich war mein Vater da noch mit dabei, um mir „auf die Finger zu sehen“ und mir weitere Tipps zu geben. Sein musikalisches Talent scheint er mir vererbt zu haben. Mit 18 Jahren habe ich dann einen „Dienstvertrag für nebenberufliche Kirchenmusiker“ mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau abgeschossen. So fing es an.

Wie kam es, dass Sie nie Klavier- oder Orgelunterricht hatten?

Manfred Barthel: Das stimmt nicht so ganz. Natürlich bekam ich von meinem Vater, immer wenn es seine Zeit erlaubte, die wichtigen Grundkenntnisse (Fingersatz, o.ä.) beigebracht. Meine beiden älteren Brüder, die auch manchmal am Klavier spielten, wurden jeweils zu einem Klavierunterricht angemeldet. Das wollte ich auch. Aus irgendwelchen Gründen wurde ich aber zunächst nicht zu einem solchen Kurs angemeldet. Das ärgerte mich. Ich ging dann meinen Eltern so auf die Nerven, mich auch zu einem Unterricht anzumelden, dass sie nun doch eine Anmeldung für mich abgaben. Als ich zur ersten Stunde in den Unterrichtsraum kam, spielte die Kursleiterin ein Klavierstück. Sie merkte an, dass dieses Stück zum Unterrichtsziel gehöre. Ich setze mich an das Klavier, spielte das Stück und ging wieder nach Hause.

Bei Ihrem Talent – wollten Sie nicht Berufsmusiker werden?

Manfred Barthel: Neben dem Klavier begann ich bereits mit neun Jahren eine Ausbildung an der Klarinette. Auch dieses Instrument spiele ich sehr gerne. Die Frage eines Studiums am Klavier und/oder der Klarinette stellte sich nach Beendigung meiner Schulzeit. Ich hätte einen Studienplatz bekommen können. Aber auch einen Berufsausbildungsvertrag hatte ich da schon in der Tasche. Die Entscheidung fiel dann für eine kaufmännische Ausbildung. Der Reiz des Geldverdienens war wohl stärker.

Sie sind sicherlich nicht nur auf Kirchenmusik festgelegt. Welche Stilrichtungen mögen Sie sonst noch, was spielen Sie gerne? Sie sind ja auch Vorsitzender des Büttelborner Blasorchesters.

Manfred Barthel: An der Klarinette bekam ich Unterricht bei Wilhelm und Horst Astheimer in Büttelborn. Das war der Einstieg in die Kulturringkapelle, so hieß das Blasorchester Büttelborn bis 1978. Also, auch das gemeinsame Musizieren in diesem Blasorchester macht mir sehr viel Spaß. Die Nachfolge von Heinz Weyer als Vorsitzender übernahm ich 1995. Festgelegt auf bestimmte musikalische Stilrichtungen bin ich nicht. Am Klavier spiele ich gerne klassische Komponisten aber auch die sogenannte „populäre“ Musik. An der Kirchenorgel mag ich besonders die Kompositionen von Johann Sebastian Bach. Durch die sehr große Bandbreite des Repertoires vom Blasorchester Büttelborn bin ich auch hier auf eine bestimmte Stilrichtung nicht festgelegt. Das ist toll, finde ich.

Nicht jeder Leser kennt sich da aus: Klavier- oder Orgelmusik – was sind die prägnanten Unterschiede?

Manfred Barthel: Das ist ganz einfach. Klavier spielt man „nur“ mit den Händen. Orgel dagegen mit Händen und Füßen. Ein Klavier hat keinen Lautstärkeregler. Unterschiedliche Lautstärke erreicht man mit starker oder eben weniger Kraft beim Anschlag der Finger auf die Tasten. Es gibt einige Kirchenorgeln mit Lautstärkeregelungen. Im Normalfall ist es aber so, dass die Lautstärke einer Kirchenorgel mit mehr oder weniger hinzunehmen sogenannter Register beeinflusst werden kann.

Können Sie mit Ihrem Orgelspiel Stimmung und Charakter eines Gottesdienstes beeinflussen? Und wenn ja, wie gelingt das mit welcher Musik, mit welchen Werken?

Manfred Barthel: Die Gemeindelieder (Choräle) in einem Gottesdienst werden grundsätzlich vom Pfarrer beziehungsweise der Pfarrerin festgelegt. Die Liturgie (der Ablauf eines Gottesdienstes) ist ebenfalls in jeder Kirchengemeinde festgelegt. Anders ist es bei den Orgelvor- und Nachspielen. Hier hat der Organist, die Organistin, freie Hand. Somit kann man, je nach Charakter, z.B. des Orgelvorspiels, auch die Stimmung in einem Gottesdienst ein wenig beeinflussen.

Müssen Sie eigentlich viel üben?

Manfred Barthel: Natürlich geht es, egal mit welchem Instrument, nie ohne üben. Selbstverständlich ist es aber auch so, dass, mit steigender Erfahrung, das Üben sich nicht immer so in die Länge zieht.

Wie geht es nun mit dem Orgelspiel in der evangelischen Kirchengemeinde weiter? Ist die Nachfolge geregelt? Was sollte ihr Nachfolger oder Nachfolgerin mitbringen?

Manfred Barthel: Derzeit übernehmen Honorarkräfte den Orgeldienst bei den Gottesdiensten. Die Evangelische Kirchengemeinde sucht deshalb Musiker, die sich für eine solche Tätigkeit interessieren. Interessenten können sich gerne mit der Kirchengemeinde, Tel. 06152-57804, oder auch mit mir persönlich, Tel. 06152-54698 in Verbindung setzen. Grundkenntnisse im Klavier- oder Orgelspiel sollten vorhanden sein. Weitere Kirchenorgel-Ausbildungen sind dann natürlich möglich.

Sie haben ja jetzt vielleicht ein bisschen mehr Zeit. Haben Sie schon mal daran gedacht, etwas zu komponieren?

Manfred Barthel: Das mit „mehr Zeit“ ist so eine Sache. Langweilig wird es mir bestimmt nicht. Aber davon abgesehen: Kleine Orgelvor- und Nachspiele habe ich schon für mich komponiert.

Evangelische Kirchengemeinde Büttelborn

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