Das Stadtmuseum im Wandel

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Die erfolgreiche Ausstellung über die 80er Jahre (bis 30. April) lässt annehmen, dass sich Inhalte und Angebote verschieben, um im Stadtmuseum verstärkt auch ein jüngeres Publikum anzusprechen. WIR-Redakteur Rainer Beutel hat dazu bei Museumsleiter Jürgen Volkmann nachgefragt.

Herr Volkmann, eine attraktive Ausstellung mit Schülern über die 80er Jahre lässt vermuten, dass sich das Stadtmuseum vermehrt auch „jüngeren“ Themen widmet. Inwiefern ist in naher Zukunft damit zu rechnen?

Jürgen Volkmann: Was die Geschichtlichkeit jüngerer Themen angeht, so möchte man sagen: Was heute passiert, ist morgen schon Geschichte, also potentialer Gegenstand der rückblickenden Auseinandersetzung. Nun ist dies aber nicht das entscheidende Kriterium für die Themenfindung, sondern vielmehr die Frage, ob es für die Allgemeinheit und für besondere Zielgruppen interessant ist, sich mit diesem oder jenem zu beschäftigen. Und die 80er Jahre sind eine Dekade, in der sich der ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Wandel sehr schön an den Entwicklungen in Groß-Gerau ablesen lässt.
Viele für Groß-Gerauer wichtigen Themen ließen sich mit dem Anliegen verbinden, zusammen mit Schülern ein Ausstellungsthema zu erarbeiten. Und hierfür war es wiederum von besonderem Reiz, dass die Schüler ihre Eltern und Verwandten als Zeitzeugen befragen konnten, denn sie haben diese Zeit selbst miterlebt. Dies ist sicherlich ein Modell, das auch in Zukunft und bei anderen Themen zur Wirkung kommen kann.
Darüber hinaus sind aber auch ganz andere Konstellationen denkbar. Wichtig ist nicht der Zeitraum, der zwischen der Gegenwart und den möglichen Themen liegt, sondern die Frage, ob das Thema für die Kreisstadt und ihre Bürger von Relevanz ist.

Die Kooperation mit Schulen erscheint Außenstehenden als fruchtbarer Weg, mehr und vor allem jüngere Menschen für Geschichte zu begeistern. Gibt es weitere, andere Ansätze mit vergleichbarer Intention?

Jürgen Volkmann: Jungen Menschen die historische gewachsene Identität ihres Heimatortes nahezubringen, erachte ich für ganz wichtig, da wir in einer Zeit leben, in der per Internet und sozialen Medien die Bedeutung des geographischen und sozialen Raumes mehr und mehr zurückgedrängt erscheint. Der Mensch bleibt aber ein sinnliches Wesen und braucht nach wie vor den Bezug zu seinem unmittelbaren Umfeld. Das Gemeinwesen benötigt umgekehrt Menschen, die eben genau diesen Bezug und eine – wenn auch unterschiedlich ausgeprägte – Identifikation mit ihm herstellen. Denn nur diejenigen, die sich mit ihrem Umfeld identifizieren, denen es etwas bedeutet, sind auch bereit, neben der Verwirklichung ihrer eigenen Interessen, in unterschiedlicher Weise Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen. Dies ist nun ein Gedanke, der einen anderen, aber vergleichbaren Ansatz hat wachsen lassen. Wir konnten im vergangenen Jahr die große Migrationswelle aus den Krisengebieten erleben. Nun ist grundsätzlich für die Zukunft sicherlich einiges zu lernen, denn für eine solche Entwicklung gab es bisher keine Handlungsmuster.
Die Menschen, die hier sind und ein Bleiberecht besitzen, sollten nun möglichst schnell integriert werden, das heißt dass sie unsere Sprache erlernen und berufliche Qualifikationen erwerben, die sie für den Arbeitsmarkt befähigen. Daneben ist aber sicherlich mindestens genauso wichtig, dass sich diese Menschen mit unserer Gesellschaft und Kultur vertraut machen und insbesondere eine positive Einstellung zu unseren demokratischen Grundwerten entwickeln. Und hierbei ist meines Erachtens wiederum die Vertrautheit mit dem Ort und seinen Menschen ein wichtiger Schritt, in die Gesellschaft hineinzuwachsen. Das Stadtmuseum möchte deshalb zukünftig verstärkt Stadt- und Museumsführungen für Migranten anbieten und hat hier auch schon erste positive Erfahrungen mit Gruppen aus der Kreisvolkshochschule machen können.

Wie reagieren ältere Bürger oder Stammbesucher, wenn sich das Stadtmuseum, wie jüngst, ausführlich einem Thema widmet, das sich nicht mit Römern, Mittelalter, Landwirtschaft und Industriegeschichte beschäftigt?

Jürgen Volkmann: Die Angebote des Stadtmuseums sind nicht so geartet, dass es nur Themen mit der größtmöglichen Schnittmenge an Interessenten gibt, also Themen, die immer alle interessieren müssen. Es werden vielmehr unterschiedliche Zielgruppen definiert und entsprechende Angebote kreiert. Für die älteren Bürger und die Stammbesucher ist da eine Menge dabei. Ich denke an die neue Reihe „Häuser erzählen Geschichte“, die aus der überreichen Datenbank von Peter Erfurth zehrt, die verschiedenen Stadtführungen natürlich und die sehr populären Angebote des Fördervereins, der mit Museumsfahrt, Museumsfrühstück und Grenzgang sehr erfolgreich diese Interessentengruppe erreicht.

www.gross-gerau.de

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