Der Banker mit Helfer-Herz

Von W. Christian Schmitt.

Mit der Reihe „Tischgespräche“ gibt das WIR-Magazin seinen Lesern Gelegenheit, unmittelbar am jeweiligen Geschehen mit dabei zu sein, Menschen hinter ihrem Amt kennenzulernen. Diesmal hat uns Bastian Locher (l.), Präsident des Rotary-Clubs Groß-Gerau/Rhein-Main (und zudem Direktor Privatkunden bei der Kreissparkasse Groß-Gerau), ins Vereinslokal (im Büttelborner Restaurant „Monika“) eingeladen.

Genau genommen dürfte in seinem Terminkalender für ehrenamtliche Tätigkeiten dieser Art kaum noch Platz sein. Denn neben seinem Job als Banker (und dort im Privatkunden-Vertrieb als Chef von 200 Mitarbeitern gefordert) und Familienvater (von zwei Kindern) gilt auch bei ihm: der Tag hat nur 24 Stunden. Und dennoch engagiert er sich – in der Nachfolge von Marc Hartmann – als ein Rotary-Präsident mit Herzblut. Dreimal im Monat trifft man sich, zumeist in den Club­räumen und überlegt, „was man der Gesellschaft zurückgeben kann“, so Locher. Doch was ist das für ein Club, der sich solcherlei hehre Ziele auf die Fahnen geschrieben hat?

Die Rede ist vom Rotary-Club. Und Bastian Locher beginnt zu erzählen: 1905 hätten in Chicago vier Freunde (der Rechtsanwalt Paul Harris, der Kohlenhändler Sylvester Schiele, der Bergbau-Ingenieur Gustav Löhr und der Konfektionär Hiram Shorey) sich zusammengeschlossen mit dem Ziel, „etwas gegen die Korruption zu unternehmen und Menschen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können“. Sie gründeten den Rotary-Club, der mittlerweile weltweit rund 1,2 Mio. Mitglieder zählt. Rund 55.000 davon gibt es allein in Deutschland; und in dem erst 2015 gegründeten Rotary-Club Groß-Gerau/Rhein-Main sind es derzeit 27, darunter auch fünf Frauen.

So viel zum Einstieg. Bei der Vorspeise präzisiert Präsident Locher weiter: „Weltoffene Menschen, die beruflich erfolgreich und auch bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, Freundschaften bilden, treffen sich regelmäßig und sprechen darüber, wie und wo sie sich in dieser Gesellschaft einbringen können“. Lange Zeit war es in dieser weltweit agierenden Organisation so, dass die lokalen Clubs nur jeweils einen Vertreter einer Berufsgruppe aufnahmen, heute sehe man dies aber lockerer. Geblieben sei: wer als Mitglied aufgenommen wird (Monatsbeitrag 45 Euro), habe einen sogenannten Ego-Vortrag zu halten, mit dem er der Runde Einblicke in seine Arbeits- wie Lebensweise ermögliche.

Dann wird das Hauptgericht gereicht und mir fällt Erich Kästners Spruch ein „Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es“. Der passt übrigens – leicht abgewandelt – durchaus auch zur Philosophie der Rotarier, deren Namen sich von „rotieren“ ableiten lasse. Was man sowohl auf den Posten des jeweils nur ein Jahr amtierenden Präsidenten als auch auf die Vielfalt der Projekte (zu deren Lösung man einen Beitrag zu leisten bereit sei) beziehen könne.

Dann sprechen wir „über Weltoffenheit, über Toleranz“. Als vor fast 115 Jahren in Amerika der Rotary-Club gegründet wurde, sei man – ebenso wie heute – offen gewesen, Katholiken, Protestanten, Juden, aber auch Freimaurer als Mitglieder aufzunehmen. Während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland allerdings, so ein Beitrag, der auf der Internet-Plattform Wikipedia zu lesen ist, war für „Juden und Marxisten“ kein Platz mehr in diesem Club. In den Jahren 1937/1938 führte der zunehmende Druck des NS-Regimes zur Selbstauflösung der 43 deutschen Clubs mit 1.082 Mitgliedern sowie der elf öster­reichischen Clubs mit 224 Mitgliedern. 1949 wurden Deutschland und Österreich wieder in den Rotary Club International aufgenommen. Rotary ist eine Vereinigung, die als Ziele nennt, sich „für Frieden und Völkerverständigung einzusetzen“ sowie „Dienstbereitschaft im täglichen Leben“ zu leisten. Das weltweite Motto des Clubs sei derzeit übrigens „Rotary verbindet die Welt“. Das für dieses Jahr abgeleitete lokale Motto sei „Global vernetzen, lokal bewirken“, merkt Locher noch an. Runtergebrochen auf die lokale Ebene heißt dies: In der Kreisstadt sei man beispielsweise beim Weihnachtsmarkt mit einem Stand vertreten und lasse die Einnahmen an den Kinderschutzbund gehen. Zudem finde u.a. auch die Aktion „Essen für alle“ und „Groß-Gerau läuft“ von Seiten der Rotarier Unterstützung. Weiter wurde in den vergangenen Jahren mit unterschiedlichen Projekten zum Beispiel die Tafel, die Eichgrundschule (Projekt Gipfelstürmer), die Vitos-Klinik und der Sozialpsychiatrische Verein unterstützt. Für Mitte nächsten Jahres werde man – so die Planung – mit dem Kinderschutzbund „eine große Veranstaltung in der Groß-Gerauer Stadthalle“ organisieren, bei dem „ein bundesweit bekannter Magier einen magischen Abend zugunsten der Kinder“ gestalten werde. Mehr dazu wolle er im Moment noch nicht verraten.

Dann sprechen wir noch über den Spagat zwischen Beruf, Familie und Ehrenamt, auf den Bastian Locher sich „nach Zustimmung durch den Familienrat“ eingelassen hat: „Was ich – als Rotary-Präsident – tue, macht Spaß und Freude“. Ebenso wie seinerzeit (von 1993 bis 2011) seine Tätigkeit als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, erzählt er. Rotary ist übrigens, obwohl man gemeinnützig engagiert sei, kein eingetragener Verein, habe auch – wie andernorts durchaus üblich – keinen entsprechenden Förderverein (es gibt nur einen deutschlandweiten Förderverein für Spenden, die dann der lokale Club wieder einsetzen könne). Seinen Beitrag für diese Gesellschaft könne man als Rotarier aber dennoch leisten.

Wer mehr über die Arbeit dieses Clubs erfahren möchte, findet bereits erste Antworten auf der (noch in Arbeit befindlichen) Website oder auf der Facebook-Seite des Rotary-Clubs Groß-Gerau/Rhein-Main.

http://rcgg.de/

Zur Person: Bastian Locher ist 1976 in Darmstadt geboren. Ausbildung zum Bankkaufmann, Studium zum Dipl. Bankbetriebswirt. Wohnort: Ober-Ramstadt, Direktor Privatkunden bei der Kreissparkasse Groß-Gerau

 


Familienfoto: Im Rahmen der Veranstaltung „Dinner für 2“ (diesmal mit MdB Stefan Sauer und WIR-Herausgeber W. Christian Schmitt) im Veranstaltungsraum der Groß-Gerauer Volksbank wurde auch die Dokumentation „Tischgespräche“ (s.u.) vorgestellt. Mit dabei unter den rund 80 Besuchern waren auch zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Gerauer Land, die an den „WIR-Tischgesprächen“ beteiligt waren. Zum Gruppenbild präsentierten sich dem Fotografen Werner Wabnitz (vordere Reihe v.l.): Dr. Carola Vogel, Sabine Funk (Vorstand Kreissparkasse Groß-Gerau), Matthias Martiné (Vorstandssprecher der Volksbank Darmstadt-Südhessen), W. Christian Schmitt, MdB Stefan Sauer, Klaus Meinke, Andreas und Susanna Schönfeld sowie Walter Endner; (hintere Reihe, v.l.): Anette Neumann, Berthold Knell, René Lorenz (Prokurist Volksbank Darmstadt-Südhessen), Dr. Sylvia Schneider, Fritz Klink, Susanne Theisen-Canibol, Horst Gölzenleuchter, Bastian Locher und Dr. Wolfgang Fenske.


Gesammelte Werke: „Tischgespräche. Reportagen aus dem WIR-Magazin. Mit Fotos von Werner Wabnitz“ (ISBN 978-3-00-063733-9¸ 68 Seiten mit zahlreichen Farbfotos, empfohlener Verkaufspreis: 6,95 Euro) jetzt im Buchhandel oder als PDF-Download hier erhältlich.

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