Der Vogel des Jahres

Von Werner Eitle.

Turteltauben sind sehr selten geworden. Die kleinste in Deutschland vorkommende Taube leidet unter fehlendem Lebensraum und einer industriellen Landwirtschaft. Als wäre das nicht schon genug, wird sie in einigen EU-Ländern immer noch gejagt, legal und illegal. Das sind fast immer die Gründe, warum der NABU eine Art zum „Vogel des Jahres“ kürt.

Diese Auszeichnung ist aber immer auch eine Mahnung an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft und eine Aufforderung, den Artenschutz stärker in ihre Überlegungen einzubeziehen. Seit Jahrzehnten fordert der NABU etwa eine veränderte Agrarpolitik, die kleine und mittelständische Familienbetriebe stärker fördert. Aber auch die, die in den biologischen Anbau einsteigen würden, wäre da die Förderung nicht so gering und die Antragstellung so kompliziert. Hier steht der NABU an der Seite der Landwirte, nicht aber an der Seite der industriellen Produktion von Nahrungsmitteln. Doch, wie so oft, hinkt die Politik auch in der Hinsicht mit ihren Entscheidungen der Entwicklung hinterher.

Kommen wir zum Vogel des Jahres zurück. Das Symbol für Liebe und Glück machte Anfang dieses Jahres Schlagzeilen. Auf eine kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen bestätigt das Bundesumweltministerium, dass der Bestand des Vogels seit 1980 hierzulande um zwei Drittel gesunken ist. Damit übersprang die kleine Taube auf der roten Liste die Vorwarnstufe und muss nun unter „sehr gefährdet“ geführt werden. Ein trauriger Rekord, weil sie nun der erste vom NABU gekürte Vogel des Jahres ist, der auch als global gefährdete Art auf der weltweiten roten Liste steht. Damit reiht sie sich ein in eine lange Liste von Tierarten, die seit Jahrzehnten jeden Tag länger wird. Bis sie mit einem roten Punkt markiert wird: Ausgestorben!

Auch wenn sich unsere Taube fast ausschließlich vegan ernährt, so gibt es doch viele Vogelarten, die auf Insekten als Nahrung angewiesen sind. Und auf deren dramatischen Rückgang wird ebenfalls seit Jahren hingewiesen. In Gesellschaftssystemen, in denen stetiges wirtschaftliches Wachstum erwartet wird, bleibt nicht nur der Artenschutz auf der Strecke. Eigennutz vor Allgemeinwohl ist in solchen Strukturen die vorherrschende Denkweise, und so sind die Listen bedrohter Tierarten, zu denen jetzt auch die Turteltaube gehört, nur ein weiterer Beweis dieses Problems.

Es scheint sich in den Köpfen der Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ja etwas zu bewegen. Fünfzig Jahre zu spät und wieder nur auf Druck der Straße. Jahrzehntelange Appelle von Wissenschaftlern und Naturschützern haben wenig bewirkt. Es bedurfte offensichtlich eines Protests von Kindern und Jugendlichen, um in den Köpfen der ewig Gestrigen etwas zu bewegen.

„Wir sind, was wir tun“ ist der Leitspruch des NABU, und so werden die vielen kleineren und größeren Maßnahmen der Naturschutzmacher den noch vorkommenden Arten helfen zu überleben, bis sich die Rahmenbedingungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt wieder verbessern. Naturschutz und Klimaschutz geht uns alle an. Werden auch sie zum Naturschutzmacher als ehrenamtlicher Helfer oder einfach nur durch ein verändertes Verhalten zu Gunsten der uns umgebenden Natur und der gesamten Erde!

Werner Eitle ist Vorsitzender des Ortsverbands Groß-Gerau des Naturschutzbundes (NABU); werner.eitle3@gmail.com

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