Der Weg zum Ziel ist deutlich länger
Von W. Christian Schmitt.
Am Donnerstag, 31. Oktober, steht Stefan Sauer bei der Veranstaltung „Dinner für 2“ ab 19 Uhr in der Groß-Gerauer Volksbank Rede und Antwort. WIR-Herausgeber W. Christian Schmitt, der beim öffentlichen Tischgespräch auf der Bühne mit dabei sein wird, hat dem Bundestagsabgeordneten vorab schon einmal ein paar Fragen gestellt.
Herr Sauer, Sie waren zehn Jahre Kreisstadt-Bürgermeister, den nahezu jeder kannte. Jetzt sind Sie seit fast zwei Jahren einer von 709 Bundestagsabgeordneten. Wie viele Menschen jenseits Ihrer Heimatregion kennen Sie mittlerweile in Berlin? Und inwieweit hat man dort bereits Ihre kommunalpolitische Erfahrung(en) zu schätzen gelernt?
Stefan Sauer: Der Bekanntheitsgrad nimmt nicht ab. Im Gegenteil, in Berlin wie im Kreis Groß-Gerau nimmt sowohl die Zahl der Gesprächspartner als auch die Anzahl der Menschen, die mich im Blick haben und behalten, spürbar zu. 246 Kollegen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Vertreter der Ministerien, sowie aus zahlreichen Organisationen, die die Arbeit in Berlin kritisch begleiten und um inhaltliche Abstimmung bitten, sind meine stetigen Begleiter. Meinem beruflichen Hintergrund – die Tätigkeit für Banken und als Bürgermeister – begegnen viele Gesprächspartner mit Respekt, schätzen die umfangreichen Erfahrungen. Abgeordnete mit kommunaler Erfahrung, beispielsweise als Bürgermeister, sind als Gesprächspartner in der Berliner Politikwelt wie im Austausch mit Institutionen gerne gesehen. Die inhaltliche Nähe zu Städten und Gemeinden, die Kenntnis von Problemen und Befindlichkeiten, die Kommunen umtreiben, sind überaus wertvoll und erleichtern bisweilen das Verständnis.
Beschreiben Sie doch bitte einmal, wie sich Ihre Sichtweise auf Probleme und deren Lösung verändert hat, seit Sie die Provinz mit der Bundeshauptstadt getauscht haben?
Stefan Sauer: Ich will es mal mit einfachen Worten sagen: Probleme lassen sich nicht mehr hemdsärmelig lösen. Als Bürgermeister war es mir möglich, in kleinen Themen abschließend zu entscheiden, musste zwar das Restrisiko übernehmen, konnte aber so oft schnell und wirkungsvoll helfen oder eine Verbesserung herbeiführen. Das Zusammenspiel von zügiger Entscheidung und Handeln, das vermisse ich heute. In Berlin braucht es Geduld, denn das Risiko der Umsetzung tragen die Minister beziehungsweise die Ministerien. Die Verantwortung für Entscheidungen teilen sich die Fraktion und das Parlament. Zudem ist die Tragweite der Themen unvergleichlich größer. Ich bin daher nach wie vor begeistert vom kommunalen Wirken, finde dafür stets lobende Worte: Die Qualität der Arbeit, das Kostenbewusstsein, die Disziplin in den ehrenamtlich geführten Debatten in Magistraten, Parlamenten, Gremien sowie innerhalb der Verwaltungen.
Als Bürgermeister hatten Sie einen Themenkatalog, den Sie mit Hilfe einer überschaubaren Zahl von Mitarbeitern wie Unterstützern abarbeiten konnten. Wie sehen denn Ihre „Erfolgserlebnisse“, Ihre Möglichkeiten, Ideen umzusetzen im Bundestag und dort ganz speziell in der Ausschussarbeit aus?
Stefan Sauer: Der Weg zum Ziel ist ohne Zweifel deutlich länger. Dennoch: Die Diskussionen lohnen sich. Es freut mich, wenn sich am Ende in den Beschlussfassungen Inhalte und Formulierungen wiederfinden, die wir gemeinsam erarbeitet haben. Als Berichterstatter zu ausgewählten Themen kann man als Abgeordneter Akzente setzen, Inhalte auf die Tagesordnung der Ausschüsse setzen und/oder Papiere erstellen, die als Grundlage für Entscheidungen dienen. Beispielhaft möchte ich hier die aktuellen Themen „Blockchain“ (dezentrales Netzwerk zur sicheren Weitergabe und Weiterverarbeitung von verschlüsselten Daten) und die Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewerken nennen.
Im Groß-Gerauer Magistrat waren Sie so eine Art primus inter pares. Wie sehen Sie heute Ihre Rolle in der Berliner CDU-Fraktion?
Stefan Sauer: Die Stimmen der Abgeordneten des Bundestages sind in der Wertigkeit alle gleich: in der Fraktion, den Ausschüssen wie im Parlament. Es gibt jedoch viele Untergruppen: 24 Ausschüsse, 16 Landesgruppen. Darüber hinaus unterschiedliche Rollen: Sprecher der Landesgruppen, Vorsitzende und Obleute der Arbeitsgruppen sowie Vorsitzende der Ausschüsse. Dies erweitert jeweils die Einflussnahme, und es freut mich außerordentlich, dass man mir bereits in meiner ersten Legislaturperiode das Mitwirken in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ zugestanden hat und ich deren stellvertretenden Vorsitz übernehmen durfte.