Deutsch-russische Kulturbrücke
Von Ulf Krone.
Eduard Sprink und die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland sind seit Jahren feste Bestandteile der Kulturszene im Kreis. Mit Lesungen, Ausstellungen und Vorträgen stellen sie immer wieder Verbindungen her zwischen russischer und deutscher Sprache sowie russischer und deutscher Kultur. Außerdem ist Eduard Sprink Mitglied beim Kulturstammtisch in der Kreisstadt, ein Grund mehr, um sich einmal zu einem Gespräch zu treffen.
Herr Sprink, Sie sind Vorsitzender der Kreis- und Ortsgruppe Groß-Gerau der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Wie lange gibt es die Landsmannschaft bereits, und was sind die Ziele des Vereins?
Eduard Sprink: Die Kreis- und Ortsgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland ist noch jung und wurde 2015 gegründet. Die Bundes-Landsmannschaft gibt es in Deutschland seit 1950. Die Landsmannschaft ist mehr als Verein, und unsere Ziele sind in unserer Satzung verankert. Dazu gehören die Förderung von Familienzusammenführungen, die Betreuung und Beratung der Aussiedler, Spätaussiedler und Vertriebenen, aber auch die Förderung der sprachlichen, kulturell-ethnischen und religiösen Identität der Deutschen in den ehemaligen Sowjetrepubliken, die Verbreitung von Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen, die Unterstützung von Forschungsvorhaben auf wissenschaftlichem, ethnischem und kulturellem Gebiet sowie das Eintreten für die Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht aller Völker. Dafür arbeiten wir mit allen zuständigen Behörden und anderen Institutionen auf Bundes-, Landes- und kommunaler sowie mit anderen landsmannschaftlichen Vereinigungen der Deutschen aus Russland im In- und Ausland zusammen.
Was sind Ihrer Meinung zufolge die kulturellen Unterschiede zwischen den in Russland geborenen bzw. russisch-stämmigen Deutschen und den hier geborenen und verwurzelten Menschen?
Eduard Sprink: Wir Spätaussiedler beherrschen zwei Sprachen, sind in zwei Kulturen zu Hause, haben zwei Mentalitäten, und das ist eine natürliche Brücke zwischen Deutschland und Russland. Spätaussiedler sind in einer multinationalen Gesellschaft mit über 160 Nationalitäten groß geworden, und das kann man gut für die verschiedene Integrationsprojekte nutzen. Die Spätaussiedler legen außerdem viel Wert auf die Institution Familie. Unsere jungen Paare heiraten in der Regel immer noch in einem Alter zwischen 18 und 25 Jahren und bekommen Kinder.
Seit 1995 gibt der Literaturkreis der Deutschen aus Russland regelmäßig einen Literaturalmanach heraus, in dem jeweils die Werke deutschstämmiger Autoren und Autorinnen, die in der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden, versammelt sind. Wie kam es dazu, was steckt hinter diesem Projekt?
Eduard Sprink: Ich glaube, dass es ganz normal und ein natürlicher Prozess ist: von 4,3 Millionen Spätaussiedlern, die in Deutschland leben, soll das intellektuelle Potenzial abgebildet werden. Das ist nicht nur durch die Übersetzungen ein Integrationsprozess, sondern auch eine hervorragende Gelegenheit für die Autoren, ihren Leser-Kreis zu verbreiten. Dabei arbeiten wir eng mit den einheimischen Autoren, die wir übersetzen, zusammen. In jedem Deutschen Almanach dürfen zehn einheimische Autoren als Gäste teilnehmen. Seit 2006 organisiere ich zweisprachige Lesungen im Kreis, etwa im Landratsamt, im Stadtmuseum oder im Kulturcafé. Jedes Gedicht wird sowohl auf Deutsch als auch auf Russisch gelesen. Meine letzte zweisprachige Lesung war in München, wo ich ein neues, zweisprachiges Manuskript vorgestellt habe.
Inwiefern unterscheiden sich die Texte russisch-stämmiger Autoren thematisch oder stilistisch von denen anderer?
Eduard Sprink: Für junge Autoren, die in Deutschland geboren oder aufgewachsen sind, gibt es praktisch keinen Unterschied. Aber sie sind mit Russisch als zweiter Muttersprache groß geworden und sind daher die perfekten Übersetzer. Für die ältere Autoren-Generation ist das große Thema natürlich Deportation im Zweiten Weltkrieg, in den Ural, nach Kasachstan, Sibirien. Dazu gibt es in Detmold auch ein Flüchtlingsmuseum.
Gedichte schreiben russisch-stämmige Autoren vor allem im klassischen Stil, mit Reimen. Obwohl diese Unterschiede mit jedem Jahr abnehmen. Unsere mittlere Generation kann inzwischen alles.
Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Wie sehen die Pläne der Landsmannschaft für das kommende Jahr 2019 aus, und wird es einen neuen Almanach geben?
Eduard Sprink: Wir werden in jedem Fall weitermachen. Manche Autoren – und ich auch – haben schon die Texte für den Almanach 2019 geliefert. Wir werden weiter neue Lesungen organisieren und neue Autoren suchen, die mitmachen möchten. Neue Texte, neue Autoren, neue Übersetzungen – das macht Spaß und gibt Kraft!