Die Anfänge des Wochen­markts

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Foto: Der Groß-Gerauer Wochenmarkt heute (WIR-Archiv)

Von Peter Erfurth,
Datenbank-Spezialist des Groß-Gerauer Stadtmuseums; pedepe@gmx.de

Quelle: Kreisblätter aus dem Archiv des Stadtmuseums

Kreisblatt 1886: Eine besonders erfreuliche Kunde können wir heute zur Kenntniß unserer Leser bringen, der Wochenmarkt ist gesichert! Der Stadtvorstand hat sich in seiner gestrigen Sitzung zu Gunsten der Errichtung eines Wochenmarktes einstimmig ausgesprochen und eine Kommission niedergesetzt, welche die Sache näher in die Hand nehmen soll.

Kreisblatt 1886: „Was lange währt, wird gut!” So dürfen wir mit Recht sagen, ein lange gehegter Wunsch Ist erfüllt, am kommenden Dienstag wird der Wochenmarkt eröffnet! Wir wünschen und hoffen, daß die an das Inslebentreten dieser Einrichtung geknüpften Erwartungen in jeder Weise in Erfüllung gehen möchten!

Kreisblatt 1886:

Die Eröffnung des Wochenmarktes in Groß-Gerau. Groß-Gerau, 2. November

„Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande!“ Ein ungläubiges Lächeln wurde in letzter Zeit von mancher Seite oft noch denen entgegengesetzt, die dem Wochenmarkte, dessen Einrichtung von der Majorität der hiesigen Einwohnerschaft durch besondere Petition an die hiesige Gemeindebehörde gewünscht wurde, eine günstige Prognose stellten. Umso mehr durfte man darauf gespannt sein, auf welcher Seite man schließlich Recht haben würde.
Der weitere Verlauf der Dinge hat gezeigt, daß Diejenigen, welche dem Markte günstigen Verlauf voraussagten, nicht im Unrechte waren. Die Zeiten ändern sich eben und die Menschen mit ihnen! Was in früherer Zeit nicht gehen wollte, das geht heute unter allerdings einigermaßen veränderten Verhältnissen, wozu namentlich auch gehört, daß heute das consumirende Publikum wesentlich größer ist als in früherer Zeit. Doch gehen wir zum eigentlichen Markte selbst über. In früher Morgenstunde wurde zumeist Weißkraut angefahren. das in gegenwärtiger Zeit stark begehrt wird. Später kamen auch die Verkäufer von Gemüsen etc., Butter, Eiern etc. Die beiden letzten Artikel waren indessen in verhältnismäßig kurzer Zeit geräumt, da die Nachfrage größer als das Angebot. Butter u. Eier hätten mehr als das doppelte und dreifache Quantum am Platze sein dürfen, es hätten sich doch Abnehmer zu gutem Preise gefunden. Käse fehlte ganz — eine eigenthümliche Erscheinung, da doch die Handkäsefabrikation hier wie in einigen Orten der Umgegend in Blüthe steht. Auch für Meerrettig und einige andere Producte wäre guter Absatz vorhanden gewesen.
Daß der Markt noch nicht die Vollständigkeit bot, die man sonst bei Wochenmärkten auch in kleineren Städten zu sehen gewohnt ist, mag sich daher schreiben, daß Manche, die den Markt gerne besucht hätten, abwarten wollten, wie sich denn die Sache eigentlich gestaltet. Wir zweifeln nicht, daß die Zahl der Verkäufer mit jedem Markte zunehmen wird, denn es unterliegt nach dem Ausfall des ersten Marktes denn doch keinem Zweifel mehr, daß das consumierende Publikum dem Markte wohlwollendes Interesse entgegen bringt, und auch die Zahl der Käufer eine stete Steigerung erfahren wird, wenn sich die Sache einzuleben begonnen, denn auch von den Hausfrauen, die auf dem Wochenmarkt zu kaufen gewillt sind, hat manche für das erstemal noch eine gewisse Zurückhaltung beobachtet, eben, um abzuwarten wie sich die Sache gestalten würde. Bei gegenseitigem Entgegenkommen wird sich mit der Zeit ein Marktverkehr entwickeln, bei dem sich beide Theile, Producenten (Verkäufer) wie Consumenten (Käufer) so stellen würden, daß man den Wochenmarkt nicht mehr entbehren möchte. Bemerkt sei noch, daß der zuerst am Platze erschienene Verkäufer (Kimbel von hier) mit einer kleinen Auszeichnnng bedacht wurde, die die Worte trägt: „Sei willkommen – Zum allgemeinen Nutz’ und Frommen” und weiter: „Zum Andenken an den 1. Wochenmarktag am 2. Nov. 1886 als erster Verkäufer.

Kreisblatt von 1886: Heute Vormittag fand bei günstiger Witterung der zweite Wochenmarkt statt und zwar, wie zu erwarten stand, mit gleichfalls bestem Erfolge! Was am ersten Markttage noch vermißt wurde, das kommt nunmehr gleichfalls zum Markte, wie von uns vorausgesagt wurde. Was die Vollständigkeit anbelangt, so dürfte der Markt hinter den Wochenmärkten anderer Städte bald in keiner Weise mehr zurückstehen. Die Verkäufer waren überrascht von der großen Anzahl der sich einfindenden Käufer, denn jetzt sieht man erst, wie groß hier das verbrauchende Publikum ist. Es hat nur des rechten Mannes am rechten Orte bedurft, um das Eis zu brechen. Hoffen wir auch fernerhin das Beste!

Kreisblatt von 1888: Es ist in der That eine bedauerliche Wahrnehmung, daß der Wochenmarkt, der doch vermöge so vieler Wünsche ins Leben gerufen worden ist, und der doch eher zunehmen sollte, im Rückschritt begriffen ist. Trotzdem man gerade in der winterlichen Zeit vorzugsweise der Victualien bedürftig ist, die auf dem Markte feil gehalten zu werden pflegen, so müssen doch die Verkäufer, deren Zahl ohnedies schon zurückgegangen ist, ihre Vorräthe zum größten Theile vom Markte wieder zurücknehmen, weil sich nur wenige Käufer einstellen.
Man darf wohl erwarten, daß an diesem Tage der Absatz sich so gestaltet, daß die Verkäufer ihre Rechnung finden. Es sind dies vorzugsweise Leute aus den Nachbarorten, die bei Wind und Wetter den Weg zurücklegen, deren Hoffnungen auf einen guten Absatz aber meist nicht in Erfüllung gehen. Wenn die Sache gänzlich einschliefe, dann würden wiederum Zustände Einkehr halten, denen man durch Schaffung des Marktes die Spitze abbrechen wollte. Hoffentlich kommt es nicht dazu!

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