Die Musikwelt blickt nach Trebur
Von Rainer Beutel (Foto von Mario Andreya)
Drei Tage, drei Bühnen und jede Menge Musik: Vom 28. bis 30. Juli steigt das „Trebur Open Air“ (TOA) zum 25. Mal. Cheforganisator Stefan Kasseckert erläutert, wie es einst zu dem Festival kam und welchen Stellenwert die Veranstaltung für junge, aufstrebende Musikgruppen hat.
Herr Kasseckert, mit dem Trebur Open Air gibt es eine im Umland beispielslose Musikparty für junge und jung gebliebene Menschen. Was lieferte vor einem Vierteljahrhundert den Anstoß, so etwas auf die Beine zu stellen?
Stefan Kasseckert: Es waren junge Menschen, die die Musik machten und auf eine große Bühne wollten, junge Menschen, die in den Ferien auch mal etwas Besonderes auf dem Land erleben wollten. Sie fanden über unsere Jugendhäuser zusammen und wurden unterstützt von der Kinder- und Jugendförderung und den Betreuern, die teilweise auch schon Erfahrung mitbrachten.
Hätten Sie gedacht, dass daraus so ein Dauerbrenner wird?
Stefan Kasseckert: Das konnte damals sicher keiner ahnen, aber jede TOA-Generation hat von den „Alten“ gelernt, punktuell Dinge verbessert, eigene Ideen eingebracht und ihre Erfahrungen wiederum an die jüngeren weiter gegeben. Mittlerweile gibt es einige führende Köpfe in der Organisation, die zum Zeitpunkt des TOA noch gar nicht geboren waren. Andererseits sind auch Helfer dabei, deren Eltern schon damals mitwirkten. Alles in allem eine familiäre Atmosphäre, die auch unsere Gäste spüren.
Wenn Sie zurück blicken, was waren für Sie persönlich die zwei, drei außergewöhnlichsten Auftritte in dieser Zeit?
Stefan Kasseckert: Im vorigen Jahr zum Beispiel „Meute“, eine Brassband aus Hamburg, die vor ihrer eigentlichen Bühnenshow einen Auftritt im Nichtschwimmerbecken des Freibades hingelegt hat. Oder auch „Mydy Rabycad“ aus Prag, die niemand auf dem Schirm hatte, die aber für eine außergewöhnliche Party gesorgt haben. Höhepunkte waren sicher auch „The Boss Hoss“ und „Wir sind Helden“, die beide bei uns einen ihrer ersten Festivalauftritte überhaupt hatten, „Triggerfinger“ 2012, die schwedische Band „Hoffmaestro“, die kein Mensch kannte, die es aber schafften, schon mittags wirklich alle Besucher vor die Bühne zu holen und und und …
Gab es denn Bands, die beim TOA klein anfingen und danach richtig populär abgingen?
Stefan Kasseckert: Etliche. Unser Line-up sieht im Rückblick oft wesentlich prominenter aus, als es zum damaligen Zeitpunkt war. Dutzende Bands, die bei uns noch relativ klein waren, würden heute unser Gagenbudget sprengen. Bands wie „Bosse“, „The Boss Hoss“, „Donots“, „Jennifer Rostock“ und „Revolverheld“ füllen mittlerweile große Hallen. Bei uns waren sie damals teils noch nicht mal als Headliner im Programm. Andererseits können wir auch immer mal wieder Bands verpflichten, die ihre große Zeit, in der sie Stadien füllten, schon hinter sich haben aber immer auch noch eine großartige Show abliefern. Als „Ugly Kid Joe“ 1993 mit ihrem ersten Album weltweit die Charts stürmten, hätte in Trebur im ersten TOA-Jahr sicher niemand im Traum daran gedacht, dass sie irgendwann auch mal auf der Bühne am Freibad spielen werden.
Ziehen Sie doch bitte zum besseren Verständnis einen Vergleich.
Stefan Kasseckert: Eigentlich ist es wie im Fußball. Wir spielen in einer Liga, in der wir keine großen Topstars sehen werden, talentierter Nachwuchs mit Weltklassepotential und erfahrene Ex-Internationale, die keinen Profivertrag mehr bekommen haben, stehen aber trotzdem gelegentlich auf dem Platz und sorgen für ein abwechslungsreiches und spannendes Spiel auf hohem Niveau. Dazu schmecken Bratwurst und Bier in den unteren Ligen meist wesentlich besser.
Ein konkretes Beispiel für 2017?
Stefan Kasseckert: Mit Alice Merton konnten wir allerdings auch in diesem Jahr frühzeitig eine Künstlerin verpflichten, die jetzt im Mai mit ihrem Hit „No Roots“ an der Spitze der deutschen Charts steht und auf allen Radiostationen in Dauerrotation läuft.
Wer sucht die Bands aus? Stehen die Bewerber eigentlich Schlange?
Stefan Kasseckert: Wir hatten dieses Jahr wieder ein paar Slots über eine Online-Ausschreibung an Nachwuchsbands vergeben und alleine über diesen Weg mehr als 1.200 Bewerbungen bekommen. Dazu kommen knapp 2.000 E-Mails rein. Darüber hinaus arbeiten wir mit allen relevanten Künstleragenturen in Deutschland zusammen, die gezielt Bands aufbauen und auch die größeren Acts betreuen, an die man auf dem „privaten“ Weg nicht ran kommt.
Krass, aber wer wählt denn nun die Bands aus?
Stefan Kasseckert: Wir sind eine Handvoll Leute verschiedenen Alters mit unterschiedlichen musikalischen Vorlieben, die eine Vorauswahl trifft. Wir gehen auch selbst viel auf Konzerte und Festivals und besuchen auch die beiden großen Showcase-Festivals in Groningen und Hamburg, bei denen sich neue Bands aus aller Welt dem Fachpublikum vorstellen. Allein ich begutachte gut und gerne 200 Bands pro Jahr. Bis das Programm mit etwa 40 Bands steht, habe ich mit etwa 200 Bands über Verfügbarkeit und Honorar gesprochen, daraus wird dann das Festivalprogramm im festgelegten Budgetrahmen gebastelt.
Sind für die Zukunft weitere Open-Air-Konzerte garantiert oder ist alles, wie so oft, auch vom Geld abhängig, zumal die komplette Veranstaltung nichtkommerziell läuft?
Stefan Kasseckert: Garantieren kann man nie etwas, aber die Motivation und die Ideen für einige weitere Jahre sind da. Im Haushalt der Gemeinde Trebur ist kein Zuschuss für das Festival vorgesehen. Das TOA ist daher zu einem großen Teil auf die Unterstützung von Sponsoren angewiesen. Allein durch Eintrittsgelder wären die Kosten nicht zu decken. Glücklicherweise gibt es ein paar langjährige Partnerschaften mit Unternehmen, die vom Konzept des TOA überzeugt sind.
Sie rechnen wieder mit 7000 Besuchern. Was passiert eigentlich, wenn es regnet?
Stefan Kasseckert: Ein Festival ohne Regen ist eigentlich gar kein richtiges Festival (lacht). Zum Glück liegt das Festivalgelände in einer Schneise, an der die Wolken oft vorbei ziehen. Nicht erst ein Mal meldeten Rüsselsheim oder Groß-Gerau „Land unter“, während bei uns alles trocken blieb. Trotzdem ist alles organisiert und vorbereitet, um auch einem Unwetter Stand zu halten. Ohne ein fundiertes Sicherheitskonzept und enge Zusammenarbeit mit Behörden, Rettungsdiensten und Polizei wäre eine solche Veranstaltung heutzutage aber auch gar nicht mehr durchführbar.
Können die Auftritte auch live im Netz verfolgt werden?
Stefan Kasseckert: Nein, dazu fehlen uns die Voraussetzungen. Wenn sich jemand findet, der dies für uns technisch, logistisch, personell und finanziell löst, sind wir gerne dabei. Aber zu allererst wollen wir ja, dass die Menschen zu uns kommen und mit uns feiern und nicht das TOA zu Hause auf dem Sofa sehen, zumal ja ein Festival mehr ist als nur die Band auf der Bühne. Auch hier wieder der Vergleich mit Fußball: Entscheidend ist, was auf dem Platz passiert.
Gesprächspartner: Rainer Beutel