Die Sprache der Parteien im Wahlkampf



Dr. Renate Wahrig-Burfeind
ist Sprachwissenschaftlerin und Fraktionsvorsitzende der Grünen im Groß-Gerauer Stadtparlament;

wahrig-burfeind@t-online.de

Von Dr. Renate Wahrig-Burfeind.

Vor jeder Wahl präsentieren uns die Parteien ihre neuen Wahlslogans, -plakate und -programme. Und das lassen sie sich etwas kosten: Spitzenreiter im aktuellen Bundestagswahlkampf ist die SPD, die ca. 24 Millionen Euro investiert, gefolgt von der CDU/CSU mit 20 Millionen, 6,5 Millionen geben die Linken aus, 5 Millionen die Grünen und 5 Millionen die FDP. Die AfD macht hierzu keine Angaben.

Aber ist das wirklich neu, was uns im Wahljahr 2017 präsentiert wird? Oder sind es die ewig gleichen Floskeln? Die Sprache des Wahlkampfs soll ja potenzielle Wähler/innen bewegen, eine Wahlentscheidung zugunsten der eigenen Partei zu treffen. Die Wahlslogans sind wie Handlungsappelle, eine Aufforderung an alle Wahlberechtigten: „Geh zur Wahl und wähle meine Partei!“ Um dieses Ziel zu erreichen, wird im Wahlkampf eine vereinfachte und polarisierende Sprache verwendet, deren Nähe zur Werbesprache mit ihren leicht verständlichen Botschaften unverkennbar ist. Parteiprogramme werden auf Schlagworte reduziert.
Dabei werden überwiegend sogenannte „Fahnenwörter“ verwendet, das sind langlebige politische Schlagwörter mit einer hohen Symbolkraft – wie „Demokratie“, „Solidarität“ oder „Freiheit“, mit denen die Parteien „Flagge zeigen“ wollen. Während Wörter wie „Flüchtlingswelle“, „Schutzschirm“ oder „Waldsterben“ eine bildliche Vorstellung transportieren, sind Fahnenwörter allgemeine Begriffe ohne einen konkreten Inhalt, häufig auch ideologisch mehrdeutig. Gemeinsam ist diesen Ausdrücken, dass sie alle positiv besetzt sind und deshalb geeignet, ein modernes Konzept für die Zukunft zu versinnbildlichen.

Im diesjährigen Wahlkampf begegnen uns besonders häufig die Schlagwörter „(soziale) Gerechtigkeit“, „Zukunft“, „Sicherheit und Ordnung“, „Integration“ und „Bildung“. Diese Leitwörter haben einen großen Wiedererkennungswert und sind unsere Dauerbegleiter im Wahlkampf – sei es in Reden oder auf Wahlplakaten. Aber es gibt auch das Gegenteil zu solch positiven Leitwörtern: die sogenannten „Stigmawörter“. Das sind Begriffe, mit denen Dinge oder Sachverhalte negativ – im Wahlkampf sehr gern der politische Konkurrent – bewertet werden. Wörter wie „Lügenpack“, „Volksverräter“, „Heuchler“ oder „Flüchtlingsschwemme“ verwenden beispielsweise die Rechtspopulisten der AfD. So weist das Weltbild der AfD nicht in eine moderne, neu zu gestaltende Zukunft, sondern in ein Zurück der Abschottung Deutschlands gegen andere (europäische) Staaten und gegen Menschen anderer Herkunft und anderen Glaubens. Dabei schreckt die AfD nicht einmal davor zurück, die Bundeskanzlerin als „Verräter“ zu bezeichnen. (Zumindest ihre Weiblichkeit hätte die AfD durch Anfügen der Nachsilbe -in bestätigen können.)

Aber wie sieht es konkret aus? Mit welchen Leitsätzen gehen die Parteien in diesen Bundestagswahlkampf? Bis auf die AfD haben alle Parteien ihr Programm unter ein Motto gestellt: CDU/CSU: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ /
SPD: „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit“ / Bündnis 90/Die Grünen: „Zukunft wird aus Mut gemacht“ / FDP: „Denken wir neu“ / Linke: „Die Zukunft, für die wir kämpfen“

Mithilfe dieser Leitsätze möchten die Parteien ausdrücken, dass sie das jeweils beste Konzept haben, um das Land zu regieren. Hierbei werden nicht Fakten, sondern die Weltanschauung und das moralische Konzept der jeweiligen Partei verkündet: Die Wörter „Gerechtigkeit“, „Zukunft“, „Für Deutschland“ oder „neu denken“ sind nur allgemeine Vorstellungen ohne konkrete Inhalte.
Und wie sieht es mit der Sprache aus, die die Parteien verwenden? Während Angela Merkel zum Thema Dieselgipfel sagt: „Die Frage, ob die deutsche Automobilindustrie diese Zeichen der Zeit erkannt hat, wird über ihre Zukunft entscheiden. Und damit über Hunderttausende von Arbeitsplätzen.“ – sagt Herausforderer Martin Schulz: „Millionenschwere Manager bei VW, bei Daimler haben die Zukunft verpennt. Die Pendler, kleine Handwerker, Lieferanten sollen die Zeche zahlen.“ Unschwer zu erkennen ist: Schulz gebraucht gern umgangssprachliche Ausdrücke. Er sagt auch Sätze wie: „Das Volk muss zusammenhalten“. Er bedient sich also einer populistischen Sprache, um zu zeigen, dass er einer von uns ist. Bundeskanzlerin Merkel dagegen führt einen Wahlkampf, der politisch und sprachlich korrekt sein soll, um dem politischen Gegner keine Angriffsfläche zu bieten und ihn so zu demobilisieren. Das hat zur Folge, dass dem Wahlkampf – vielleicht der Bundespolitik insgesamt – zunehmend die politische Schärfe genommen wird.

Werfen wir einen Blick auf die Plakate der Parteien: Wie wirksam werden hier Wort und Bild verknüpft? Die Plakate der CDU/CSU werden bildlich und farblich vom Schwarz-Rot-Gelb der deutschen Fahne unterstützt; häufig werden die Wörter „stark“ und „stärker“ in den Wahlslogans verwendet: „Europa stärken heißt Deutschland stärken“ – „Deutschland ist stark und soll es bleiben“.
Bei der SPD dominiert die traditionelle Parteienfarbe Rot die Plakate, zudem sieht man den Kanzlerkandidaten Schulz mit Slogans wie „Eine Gesellschaft ist nur dann gerecht, wenn alle die gleichen Chancen haben“ oder ein Schulmädchen mit dem Satz: „Bildung darf nichts kosten. Außer etwas Anstrengung“. Da die Plakate alle gleich gestaltet sind, haben sie einen großen Wiedererkennungswert im Wahlkampf.

Die Plakate der Grünen sind wie gewohnt in Grün gehalten und werden von einer Sonnenblume geziert. Die Slogans in diesem Wahlkampf bestehen oft aus Sprachspielen, wie der Satz: „Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts“, angelehnt an ein Zitat von Arthur Schopenhauer (1788 – 1860), der sagte: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“. Ähnlich gestaltet sind die Wahlsprüche: “Entweder Schluss mit Kohle oder Schluss mit Klima“ oder „Integration muss man umsetzen, nicht aussitzen“.

Die Plakatkampagne der FDP ist auf den wie ein Model, häufig nachdenklich posierenden FDP-Vorsitzenden Christian Lindner zugeschnitten. Die mitunter sehr kleine Schrift ist schlecht zu lesen und auch der Parteiname ist kaum erkennbar. Statt der früher dominierenden Farben gelb und blau ist aktuell – wie bei den Grünen – die Farbe Rosa mit dabei. Die Wahlkampfsprache der FDP wird sehr stark von der emotionalen Bildsprache dominiert, die Aussagen auf den Plakaten erscheinen häufig zweitrangig.

Die Plakate der Linken sind überwiegend in den Tönen Rot, Schwarz und Weiß gehalten – die weißen Schriftzüge auf rotem Grund gleichen denen der SPD. Im Gegensatz zur FDP sind die Botschaften der Partei in großen Lettern gedruckt. „Keine Lust auf Weiterso: Die Linke“ ist eine einfache Botschaft, die das Vorhandene ablehnt (durchstreicht) und die Partei dem Wähler als neue Alternative schmackhaft machen soll.

Die Plakate der AfD sind unter das Motto: „Trau dich, Deutschland!“ gestellt und überwiegend darauf ausgerichtet, andere zu beleidigen und fremdenfeindliche Botschaften zu verbreiten. Das Plakat „‚Burkas?‘ Ich steh mehr auf Burgunder“ zeigt drei Frauen im Dirndl mit Weißweingläsern in der Hand. Soll Deutschland wieder Tracht tragen?

Mithilfe der auf den Plakaten verwendeten Fotos von Spitzenkandidaten, Familien, Kindern oder Menschen in Uniform sollen natürlich positive Gefühle geweckt werden. All das zeigt, wie stark Wahlkampf schon auf Emotionalität ausgerichtet ist. Die CDU treibt das noch auf die Spitze: In Berlin hat die Partei ein Wohlfühlhaus eröffnet – CDU-Politik soll wie eine Wellnessbehandlung in einzelnen Räumen erlebbar werden.

Und wie sieht es mit der Sprache in den Wahlprogrammen aus? Die Lektüre zeigt: Auch hier werden viele Floskeln verwendet. Es werden wenig konkrete Ziele verkündet wie „die Infrastruktur verbessern“ oder „Familien stärken“ usw. Trotzdem lohnt es sich, diese Parteiprogramme, die alle leicht im Internet zu finden sind, einmal nachzulesen.

Und für alle, die noch nicht wissen, welche Partei sie bei der Bundestagswahl wählen sollen, gibt es noch digitale Wahlhelfer, die zur Entscheidungsfindung beitragen können: www.deinwal.de/home und www.bpb.de/politik/wahlen/wahl-o-mat sowie www.politische-bildung.de/bundestagswahl_2017.

Wahlergebnis Kreis Groß-Gerau

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