Die Welt des Roten Kreuzes

Von Rainer Beutel.

Landauf, landab gibt es Menschen, die sich durch ihr gesellschaftliches Engagement auszeichnen, sei es in Vereinen, im Berufsleben, in Parteien oder eher still im Hintergrund ohne großes öffentliches Aufsehen. In loser Folge stellt das WIR-Magazin Personen vor, die sich auf diese Weise aus der Masse hervorheben. Den Anfang mach Rosel Scherer-Hahn. Sie arbeitet seit 46 Jahren ehrenamtlich beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Beruflich ist die 64-Jährige in der Kita „Auf Esch“ tätig, seit mehr als 40 Jahren als Leitungskraft. Im Sommer 2020 geht sie in Rente. Privat fühlt sie sie sich in einer von mehreren Generationen geprägten Großfamilie in Wallerstädten wohl: „Mir wird nie langweilig“.

Frau Scherer-Hahn, beschreiben Sie bitte Ihr ehrenamtliches Engagement.

Rosel Scherer-Hahn: Ich trat 1974 in das DRK ein, widmete mich zunächst der Jugendrotkreuz-Arbeit und übernahm die Leitung des Wallerstädter JRK. Innerhalb kürzester Zeit gelang es mir eine gut funktionierende, 60 Kinder zählende JRK Gruppe aufzubauen. Ich wollte unsere Rotkreuz-Welt besser machen. Wir brauchten Zelte, wir brauchten einen Gruppenraum, wir brauchten Ausrüstung und Ausbildung. Und eine neue Organisation innerhalb der Ortvereinigung.

Wie ist das geglückt:

Rosel Scherer-Hahn: Meine Erkenntnisse erforderten Veränderungen, ich bewegte mich, sprach mit den entscheidenden Personen und hatte die richtigen Leute an meiner Seite, die mein Engagement teilten. Denn nur diese Gemeinsamkeit brachte Stärke für Erneuerung hervor. So ließ es sich dann nicht mehr vermeiden, das eins zum anderen kam, von einer Funktionsebene zur nächsten. Nicht, dass ich es unbedingt offensiv verfolgt hätte, nein, die anderen Wegbegleiter drängten mich, die Ämter zu übernehmen.

Welche Ämter genau?

Rosel Scherer-Hahn: Von der JRK-Leiterin und DRK-Helferin zur Gruppenführerin, Kreis-JRK-Leiterin, kommissarische Gruppenführerin für den Sanitätszug 2 der Bereitschaft 1, dann stellvertretende Kreisbereitschaftsleiterin, kurz darauf Kreisbereitschaftsleiterin. Im Jahr 1995 übernahm ich bis 2001 das Amt der Kreisvorsitzenden. In dieser Zeit war ich stellvertretende Vertreterin für „Hessen-Süd“ im Präsidium des DRK-Landesverbandes. Danach hatte ich für zwei Jahre das Amt der Leiterin für die Wohlfahrts- und Sozialarbeit inne. Seit 2003 begleite ich nun das Amt der stellvertretenden Kreisvorsitzenden, was sich aktuell stellvertretende Präsidentin nennt. In der Ortsvereinigung bin ich seit einigen Jahren im Vorstand als Schriftführerin.

Was motiviert Sie derart?

Rosel Scherer-Hahn: Geleitet hat mich in alle den Jahren der Ausspruch von Henry Dunant: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“. Einen alten Wimpel mit diesem gestickten Aufdruck halte ich in Ehren. Ich bin immer bestrebt, für die mir anvertrauen Menschen, das Beste herauszuholen. Für die Bedürftigen, die Notleidenden und die Verletzten im weitesten Sinn. Es geht darum, die Belange und Interessen der Kinder, der Helferinnen und Helfer und der Hauptamtlichen nie außer Acht zu lassen, den gesunden Menschenverstand einzusetzen, damit Satzungen und Ordnungen mit dem tatsächlichen Leben in Einklang kamen und kommen.

Was oder wer gab den Impuls für Sie, sich derart zu engagieren?

Rosel Scherer-Hahn: Den Impuls bekam ich 1974 beim Abschluss eines Erste-Hilfe-Kurses für den Erwerb des Führerscheins. Ich musste bei einer realistischen Unfalldarstellung eine „große Bauchverletzung“ versorgen. Da überkam es mich: „Ich will lernen, zu helfen.“ Am Ende sprach mich Karl Bertsch, der Vorsitzende der Ortsvereinigung Wallerstädten an, ob ich nicht das Jugendrotkreuz übernehmen wollte. Ich würde doch eine Erzieherausbildung machen, und dann könnte ich das doch gut kombinieren.

Warum haben Sie so lange durchgehalten?

Rosel Scherer-Hahn: Meine Entwicklung wuchs mit jeder neuen Herausforderung. Von der Ortvereinsebene zum Kreisverband und zum Landesverband Hessen. Mein Leben wurde von einer Dynamik bestimmt, die immer neue Aufgaben bereit hielt. Dafür musste ich lernen und mich weiterbilden. Um nur Einiges zu nennen: Sanitätsausbildung, Schwesternhelferin, Verpflegungshelfer, Unterführer- und Gemeinschaftsführerausbildung, Sprechfunklehrgang, Module in Menschenführung und Rhetorik, Einführung in die Soziale Arbeit, Unterkunft und Betreuungslehrgänge, Management für Führungskräfte, Anti-Stress-Kursleiterin u.a. Mit jeder neuen Ausbildung lernte ich neue Menschen kennen, mein Horizont auf der DRK-Ebene erweiterte sich. Ich lernte so unter anderem durch die Besuche bei den Jahreshauptversammlungen die Ortschaften im Kreis Groß-Gerau kennen. Die Kreisverbände des Landes Hessen durch Lehrgänge, Übungen, Tagungen und Einsätze. Es war spannend und ich war neugierig und begierig darauf, meine Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen.

Wer hat Sie in all den Jahren unterstützt, gefördert, begleitet?

Rosel Scherer-Hahn: Wenn ich zurück denke, fallen mir dazu viele Menschen ein, exemplarisch dazu möchte ich die Nachfolgenden nennen: Karl Bertsch, für die hingebungsvolle Führung der Ortvereinigung, Peter Hahn und Bernd Landau, die die Diskussionen mit mir nicht scheuten und mich unterstützten, meine Schwester Christel Scherer-Sturm, mit der ich noch immer alles besprechen kann, Hans Lauer, der meine Sichtweisen auf den Rotkreuz-Alltag beeinflusste, Hilde Gütig, als eine der wenigen Frauen, die in der Rotkreuz-Männerwelt standhielt, Karla Matthes, die unverrückbar mit der Entwicklung des Kreisverbandes Groß-Gerau verbunden ist, Claus Nothnagel und Jürgen Kraft, die mich lehrten, das man Wirtschaftlichkeit und Ehrenamt nicht voneinander trennen kann. Nicht zu vergessen sind die vielen Begegnungen und Gespräche mit Menschen, die mich weiterbrachten und mich nachhaltig prägten.

Würden Sie sich also wieder so entscheiden? Oder lieber etwas anderes machen?

Rosel Scherer-Hahn: Wahrscheinlich würde ich diesen Weg wieder so gehen. Gelernt habe ich, und das musste ich an vielen Stellen erleben, dass ich zu blauäugig und gutgläubig an manche Aufgaben herangegangen bin. Aktionen, von denen ich nicht hundertprozentig überzeugt war und mich dazu überreden ließ, waren oft keine glücklichen Entscheidungen für das Gesamtsystem.

Gab es Rückschläge?

Rosel Scherer-Hahn: Ja, die Ausgliederung der Bereiche Rettungsdienst und Soziale Dienste in die Starkenburg gGmbH. Deren negative Entwicklung und das Management machten eine Rücknahme in den Verein erforderlich, weil sich das Ziel des Pilotprojektes Starkenburg nicht erfüllte. Das hat uns als Kreisverband viel Geld und gute Mitarbeiter gekostet. Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen waren erforderlich, um neue Weichen für die Geschäftsbetriebe herzustellen. Das Zitat von Katharina von Siena trifft es: „Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.“

Was von ihrem Engagement können Sie an Jüngere weitergeben?

Rosel Scherer-Hahn: Eine oder einer allein kann nicht weit kommen. Es braucht Verbündete, Freunde und Überzeugte, die für die gemeinsame Sache brennen. Kameraden und Kameradinnen, die die Notwendigkeit der Grundsätze des Roten Kreuzes in der heutigen Zeit erkennen: Menschlichkeit, Neutralität, Freiwilligkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Einheit, Universalität. Damit dies gelingen kann, dürfen die wirtschaftlichen Aspekte nicht vernachlässigt werden. Tragende Säulen sind die Fördermitglieder. Ich wünsche mir, dass es Führungskräfte gibt, die Vorbilder sind, die nicht vergessen wo wir herkommen, gut ausgebildet dem Zeitgeist folgen und sich für meine/unsere Vision nachhaltig einsetzen.

Und wie gelingt das?

Rosel Scherer-Hahn: Wir vom Kreisverband Groß-Gerau wollen eine Gemeinschaft, in der sich jeder ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter mit den Ideen und Zielen des Roten Kreuzes identifiziert, in der alle als Team zusammenarbeiten und jeder die Bedingungen vorfindet, die er braucht, um seine Aufgaben optimal zu erfüllen. Wir wollen durch die Erfüllung attraktiver und kundenorientierter Aufgaben eine positive Darstellung nach außen, Anerkennung und finanzielle Sicherheit erreichen. Die modernen Medien ermöglichen heute eine viel größere Transparenz darüber, wie das DRK arbeitet. Informationsseiten und Foren regen zur Teilnahme und aktivem Austausch an. Letztendlich braucht es aber die Menschen vor Ort, die Gruppenleiter, die Schwestern, die Sanitäter oder die Katastrophenschutzhelfer und die vielen anderen, die den Dienst am Nächsten versehen und ermöglichen. Das war schon so vor Corona.

Kontakt: rosel.scherer@t-online.de

www.drk-gg.de

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