Ein alter Zopf

Von Peter Erfurth

1902 veröffentlichte das Kreisblatt „Ohne Verantwortlichkeit der Redaction dem Publikum gegenüber“ einen Beitrag zum Pachtgeld für den Bachgraben:

In Groß-Gerau müssen die Besitzer der an den Graben angrenzenden Gärten Pachtgeld an die Gemeinde bezahlen. Auf die Frage wofür, erhält man die Antwort: für das am Ufer des Baches wachsende Gras, oder für die Benutzung des Bachwassers. Dafür muß alljährlich Pachtgeld an die Gemeinde bezahlt werden, wie auf den Mahnzetteln gedruckt steht, wenn man die durch die Schelle eingeforderte Zahlung zu machen vergessen hat. Diese Zahlung ist sehr vielen Angrenzern an dem Graben ärgerlich, weil das auf dem Bachufer wachsende Gras keinen Werth hat und zwar um so weniger Werth, weil beim Bachfegen der Schlamm auf das Ufer geworfen wird und der angrenzende Gartenbesitzer den auf sein Theil gefallenen Schlamm auf seine Kosten wegschaffen muß. Auch dürfte, wenn der Angrenzer das Recht, Wasser aus dem Graben zu holen, gepachtet hätte, kein Anderer Wasser daraus holen und die Treppe dazu benutzen. Aber die Hauptsache ist doch die: auf dem Mahnzettel steht, wenn Jemand die Zahlung versäumt hat, gedruckt „Pachtgeld”. Von einer Pachtung und Verpachtung weiß aber kein Mensch etwas. Sollte aber Jemand gleichwohl Auskunft darüber geben können, so würde er sich ein Verdienst erwerben, wenn er so freundlich wäre, Auskunft darüber zu geben, daß die Bachsteuer zu Recht besteht. Andernfalls gleicht die Bachsteuer einem alten Zopfe, welcher fort muß, wie in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die letzten von Männern getragenen, mit Band umwickelten und hinten herunterhängenden Zöpfe, welche kein Lebender getragen und Wenige noch Lebende gesehen haben, abgeschnitten worden sind.

Quelle: Kreisblatt von 1902 aus dem Archiv des Stadtmuseums

 

Peter Erfurth
ist Datenbank-Spezialist des Groß-Gerauer Stadtmuseums;
pedepe@gmx.de

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