Eine Groß-Gerauer Erfolgsgeschichte
Von Ulf Krone.
Jahr für Jahr wird unter der Regie der Speedskating-Abteilung des Blau-Gelb Groß-Gerau das Internationale Speedskating Kriterium ausgetragen, das selbst die großen Namen dieses noch jungen Sports anlockt. Dabei spielen auch die eigenen Talente stets eine gute Rolle. Im Interview gibt Oliver Lohr, Abteilungsleiter der Speedskater, unseren Lesern einen Einblick in die Faszination dieses Sports und die Arbeit im Verein.
Für den Laien wirkt Speedskating auf den ersten Blick wie die Sommer-Variante des Eisschnelllaufs – noch dazu, wenn beim alljährlichen Internationalen Speedskating Kriterium Namen wie der des Belgiers Bart Swings auftauchen, der auch im Eisschnelllauf schon für bemerkenswerte Ergebnisse sorgte. Beschreiben Sie doch bitte den WIR-Lesern einmal, was das Speedskaten ausmacht und wo die Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem Eisschnelllauf liegen!
Oliver Lohr: Ganz klar, mit Speedskates ist man deutlich flexibler im Vergleich zu Schlittschuhen. Wir brauchen keine Eisfläche zum Skaten, und dadurch lassen sich Inlineskates auch im Alltag hervorragend als Fortbewegungsmittel nutzen. Mit unserem Skate-Park hinter dem Hallenbad haben wir zwar beste Trainingsbedingungen und einen festen Standort, dennoch nutzen wir auch immer mal die Radwege rund um Groß-Gerau für längere Ausfahrten. Der grundsätzliche Bewegungsablauf, Maximalgeschwindigkeiten um die 60 km/h und die beanspruchten Muskelpartien bei beiden Sportarten sind gleich. In ein paar Details wie zum Beispiel dem Bremsen und der Reibung der Rollen bzw. Kufen unterscheiden sich die Techniken auf Eis und Asphalt. In beiden Sportarten gibt es verschiedene Wettkampfformen vom Sprint bis zur Langstrecke, wobei Eisschnelllauf als olympische Sportart eine deutlich größere Beachtung in den Medien erfährt.
Wo liegen – neben den technischen Fähigkeiten – die Schwerpunkte dieser Sportart? Was ist das Besondere daran?
Oliver Lohr: Im Training lernen Kinder und Jugendliche spielerisch die Bewegungsabläufe, Balance und Körperbeherrschung. Kinder denken nicht so viel über ihre Bewegungen nach, sie machen es einfach. Während wir im Kindertraining noch mit Spielen und kleineren Herausforderungen arbeiten, wird bei den Jugendlichen gezielt mit teils individuellen Trainingsplänen gearbeitet. Um die maximale Wettkampfgeschwindigkeit zu erreichen, ist neben einer gewissen Ausdauer auch die Lauftechnik entscheidend. Gerade der seitliche Abdruck der Skates, das Übersetzen in den Kurven und bei Sprintstrecken die Startphase sind wesentliche Erfolgsfaktoren im Speedskating. Je nach Rennformat kommen dann noch weitere Herausforderungen hinzu. Startet man bei den Sprintstrecken über 200m und 300m noch alleine, sind es bei den 500m schon vier Gegner, gegen die man antritt. Bei Massenstarts über 10 km sind oft 30 oder mehr Teilnehmer auf der Bahn. Im Marathon über 42,195 km können es auch mehrere tausend Starter sein, gegen die man sich behaupten muss.
Jedes Rennen benötigt somit eine andere Taktik in Abhängigkeit von der Rennsituation und den anderen Teilnehmern. Die verschiedenen Rennformate wie Ausscheidungsrennen, bei dem der letzte Skater jeder Runde das Rennen verlassen muss, oder auch Punkterennen, bei denen jede Runde Punkte für die ersten beiden vergeben werden, bringen viel Abwechslung in unsere Sportart.
Gerade, wenn Kinder Sportarten erst einmal ausprobieren möchten, spielt die Frage des (finanziellen) Aufwands für die Eltern eine große Rolle. Was ist alles nötig, um beim Blau-Gelb mit dem Speedskaten anfangen zu können?
Oliver Lohr: Wer zu Beginn nicht gleich in eine eigene Ausrüstung investieren kann oder möchte, der findet bei uns eine kleine Auswahl an Trainingsmaterial. Von unseren Mitgliedern und Freunden haben wir gebrauchte Skates für Kinder, Helme und auch ein paar Schützer, die wir für die ersten Schnupperstunden gerne ausleihen. Kinder wachsen natürlich schnell aus ihren Skates. Dadurch haben wir auch immer wieder Mitglieder, die gebrauchtes aber dennoch gut erhaltenes Material verkaufen. Es muss somit nicht immer neu und teuer sein, wenn man bei uns einsteigen möchte.
Bei Blau-Gelb sind Sie Abteilungsleiter im Bereich Speedskating. Wie sind Sie zu dem Sport gekommen, was fasziniert Sie persönlich so daran, und seit wann sind Sie bereits Abteilungsleiter für das Speedskating?
Oliver Lohr: Durch eine Freundin bin ich 1997 zur Abteilung Speedskating gekommen. Dort habe ich mich schnell eingelebt und die Ausbildung zum Wettkampfrichter absolviert. Anschließend war ich von 2003 bis 2007 als internationaler Wettkampfrichter bei zahlreichen Rennen im Einsatz. Seit 2007 bin ich Abteilungsleiter. Beim Speedskating mag ich vor allem die Dynamik und Spannung bei Wettbewerben aus der Zuschauerperspektive oder als Moderator. Steht man selbst auf den Skates, ist es ein schönes Gefühl sich aus eigener Muskelkraft, ohne eine Übersetzung wie beim Fahrrad, fortzubewegen.
Regelmäßige Erfolge bei Meisterschaften und Speedskating-Kriterien und konstant gute Ergebnisse sprechen für eine seriöse Arbeit im Verein. Geben Sie unseren Lesern bitte einen kurzen Einblick in die Geschichte der Abteilung! Wie lange gibt es diese bereits? Wie viele Mitglieder hat die Abteilung heute? Wo sehen Sie die Sportler von Blau-Gelb im internationalen Vergleich? Was sind die Pläne für die Zukunft?
Oliver Lohr: Unsere Abteilung wurde 1969 als Eis- und Rollsport-Abteilung im Post-Sport-Verein Blau-Gelb Groß-Gerau gegründet. Schon im Mai 1969 fand im Rahmen der Europatage auf dem damaligen Trainingsgelände in der Kreisberufsschule der erste Ländervergleichswettkampf statt. 1976 musste wegen Baumaßnahmen das Training auf den Parkplatz des Landratsamts verlegt werden, und seit 1982 existiert der Skate-Park Groß-Gerau hinter dem Hallenbad. Mittlerweile haben wir zwei Pisten, eine 304m-Runde außen und im Innenraum eine 200m-Strecke. Aktuell haben wir 230 Mitglieder, davon sind rund 100 sportlich in Deutschland und teilweise auch international aktiv. Unsere Vorreiterrolle im Inline-Speedskating haben wir gerade in den letzten Jahren wieder deutlich untermauern können. Unsere Sprinter Laethisia Schimek und Simon Albrecht haben im Jahr 2016 jeweils Gold bei den Weltmeisterschaften geholt. Zudem war Simon bei den diesjährigen World Games mit zwei Goldmedaillen und einer Silbermedaille der erfolgreichste Athlet der gesamten deutschen Delegation. Auch unsere Nachwuchsläuferinnen sind schon sehr stark und stehen bei europäischen Wettkämpfen regelmäßig auf dem Siegerpodium.
Unser Erfolgsrezept liegt in der gezielten und frühzeitigen Nachwuchsförderung. Wir werden dies auch in Zukunft weiter praktizieren. Dazu gehören neben der Ausbildung von Trainerinnen und Trainern auch die ständige Pflege unserer Anlage, dem Skate-Park. Die Bedingungen in Groß-Gerau sind für Inline-Speedskating optimal! Das wollen wir auch weiter so erhalten und hoffen, dies in Zukunft noch ausbauen zu können.
Oliver Lohr ist seit 2007 Abteilungsleiter Speedskating im Sportverein Blau-Gelb Groß-Gerau
www.blau-gelb-gg.de