Erreichbarkeit im Urlaub
Von Dennis Contino.
In Zeiten fortschreitender Digitalisierung und der damit verbundenen ständigen Erreichbarkeit stellt sich für beurlaubte Arbeitnehmer die Frage, inwieweit eine Verpflichtung besteht, während des Urlaubs für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst als Ausgangslage der Sinn und Zweck des gesetzlichen Urlaubsanspruches definiert werden.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz dient der gesetzliche Urlaubsanspruch dem Arbeitnehmer zur selbstbestimmten Erholung von den Belastungen seiner Arbeitstätigkeit. Der Urlaub soll die Wiederherstellung der Arbeitskraft gewährleisten. Ausgehend hiervon besteht für den Arbeitnehmer, bei einem gewährten Urlaub, keine Verpflichtung, für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Für Führungskräfte gilt grundsätzlich rechtlich nichts anderes. Um Missverständnisse gar nicht erst entstehen zu lassen, ist es bei verantwortungsvollen Positionen und entsprechender Vergütung ratsam, vor dem Urlaub zu klären, inwieweit man erreichbar sein sollte.
Wie ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweist, während seines genehmigten Urlaubs eine Arbeitsaufgabe zu erledigen und das Arbeitsergebnis unmittelbar nach Urlaubsende vorzulegen? In diesem Fall sind die gesetzlichen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Urlaubs, wie oben beschrieben, nicht erfüllt. Mit den lediglich „auf dem Papier” gewährten Urlaubstagen erfüllt der Arbeitgeber nicht den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Anders verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb, ohne arbeitgeberseitige Beeinflussung, freiwillig Aufgaben erledigt, die zu seinem arbeitsvertraglichen Tätigkeitsgebiet gehören. Die beschriebenen Regelungen greifen im Falle eines gewährten Urlaubs. Die Rechtslage ist bei einem Bereitschaftsdienst oder einer Rufbereitschaft anders zu beurteilen. Bereitschaftsdienst ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dadurch gekennzeichnet, dass dieser Dienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht wird. Beim Bereitschaftsdienst hat der Arbeitnehmer sich, ohne dass von ihm wache Aufmerksamkeit gefordert wird, für Zwecke des Betriebs an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit auf Anweisung hin unverzüglich aufnehmen kann. Bereitschaftsdienst gilt in vollem Umfang als Arbeitszeit, auch wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Rufbereitschaft liegt hingegen vor, wenn der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort zwar selbst bestimmen darf, indes sicherstellen muss, dass er in einer angemessenen Zeit den Betrieb oder einen anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort erreichen kann, um seine Arbeit (wieder) aufzunehmen. Rufbereitschaft zählt nicht zur Arbeitszeit.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass man auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man während des Urlaubs nicht für den Arbeitgeber erreichbar ist. Urlaub dient der Erholung – das Bundesurlaubsgesetz verlangt es sogar, und ständiges Reagieren auf Anfragen widerspricht dem Urlaubszweck.
Dennis Contino
ist Rechtsanwalt in Groß-Gerau;
ra@d-contino.de