Erst nur ein Versuch, dann ihr „Ding“

Von Rainer Beutel.

Das Saalbautheater des Erzgebirgischen Heimatvereins in Nauheim begeistert regelmäßig viele Besucher. Für Regisseurin Silvia Neugeborn ist es fast schon eine Berufung, mit einer Schar von Laiendarstellern für dieses Vergnügen zu sorgen. Was die 57 Jahre alte Frau dazu motiviert und warum die Verkehrspolizistin daraus keinen Beruf gemacht hat, schildert sie im Interview mit WIR-Redakteur Rainer Beutel.

Frau Neugeborn, als Regisseurin müssen Sie sich bestimmt nicht nur um eine gelungene Inszenierung kümmern. Es kommen sicherlich noch viele andere Aufgaben auf Sie zu. Welche sind das?

Silvia Neugeborn: Als erstes müssen Stücke ausgesucht werden, was die schwierigste Aufgabe ist. Wir spielen schon so viele Jahre, und unser Publikum hat natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung. Danach kommt die Rollenbesetzung, welche auch nicht so ohne ist, weil ich natürlich auch immer wieder versuche, jedem gerecht zu werden. Was natürlich nicht funktionieren kann. Ist das erledigt geht, es los mit dem Bühnenbild: Wie soll das aussehen? Was brauchen wir an Technik? Was an Kostümen? Ja, und dann muss noch der Probenplan erstellt werden mit den einzelnen Sonderproben, die auch immer wieder dazu kommen.

Das klingt nach mehr als bloß einem Hobby. Ist das nicht alles sehr anstrengend?

Silvia Neugeborn: Doch, ist es. Aber mit meiner Truppe (die natürlich auch harmonieren muss) das Ganze auf die Bühne zu bringen, die Herausforderungen und mein Idealismus – all das treibt mich immer wieder zu Höchstleistungen. Und natürlich ganz, ganz wichtig für mich sind der Spaß und die Freude, der gute Umgang miteinander. Das gibt mir immer wieder die Kraft für alles.

Wie hat das bei ihnen mit der Liebe zur Schauspielerei begonnen?

Silvia Neugeborn: Ich habe viele Jahre mit meinem Vater am Staatstheater Darmstadt gearbeitet. Da fing alles an, dort habe ich sehr viel Erfahrungen gesammelt, die mir bis heute sehr nützlich waren. Ich sage „heute noch“, denn dort habe ich mich infiziert. Die Theaterwelt hat mich nie mehr losgelassen.

Wann und warum haben sie dann die Regie übernommen?

Silvia Neugeborn: Früher stand ich selbst auf der Bühne, und mein Vater hat Regie geführt. 1995 habe ich dann im Saalbautheater die Regie übernommen. Das sollte erst ein Versuch sein, aber ich stellte sofort fest: Das ist mein Ding. Die Schauspielerei hat mir natürlich sehr für die Arbeit als Regisseurin geholfen. Man weiß, wie sich das anfühlt, oder besser gesagt, wie man sich fühlt, auf der Bühne zu stehen.

Ihr Verein ist mit seinen Theaterstücken weit über Nauheim bekannt geworden. Wie gelingt es, immer wieder humorvolle oder spannende Geschichten zu inszenieren?

Silvia Neugeborn: Das ist Gemeinschaftsarbeit. Es gibt ja noch einige alte Hasen in der Gruppe. Jeder liest ein oder mehrere Stücke, die wir uns vorher von Theaterverlagen schicken lassen. Dann treffen wir uns und besprechen diese gemeinsam. Wir suchen für uns und für unser Publikum das Beste aus, passen die Rollen an und prüfen, was man noch aus dem Stück herausholen kann. Manchmal nehmen wir ein Stück auf den Spielplan, das wir irgendwo gesehen haben, denn wir besuchen alle zusammen auch andere, teils befreundete Theatergruppen.

Beruflich haben Sie als Polizistin in der Verkehrsausbildung mit Kindern zu tun. Sie sind also pädagogisch geschult und gefordert. Hilft Ihnen das bei der Regiearbeit?

Silvia Neugeborn: Auf jeden Fall. Das macht unsere gute Zusammenarbeit aus. Natürlich gibt es, wie überall, manche, die damit nicht so klar kommen bzw. mit denen es nicht so funktioniert. Aber das ist ja überall so.

Wann ist ein Stück für Sie gelungen? Hängt das nur vom Applaus des Publikums ab?

Silvia Neugeborn: Nein, als erstes muss ich zufrieden sein und mir selbst applaudieren können. Ich strebe immer 100 Prozent an, was natürlich nicht funktioniert. Wir sind ja alle nur Laien. Es gibt einen Punkt, an dem ich für mich sagen kann: Ja, das ist ganz gut so. Das ist schon der halbe Applaus. Den Rest Beifall bekommen wir dann hoffentlich vom Publikum, und dann weiß ich, wir haben alles wieder richtig gemacht.

Wer eine Probe im Saalbautheater besucht, trifft stets eine lockere und gut gelaunte Regisseurin an. Woher kommt ihr Frohmut?

Silvia Neugeborn: Das ist die Gruppe um mich herum, die muss stimmen, da lege ich auch sehr viel Wert drauf. Denn es ist immer noch mein Hobby, da muss ich Spaß haben. Meine Gruppe gibt mir den Antrieb, die Bestätigung und die gute Laune. Ich bin immer wieder stolz darauf, dass sie mir bis heute die Treue halten.

Hatten Sie mal Ambitionen, Ihr Hobby zum Beruf zu machen und an größeren Bühnen zu arbeiten?

Silvia Neugeborn: Ja, schon immer, auch heute noch. Obwohl ich über zehn Jahre am Staatstheater gearbeitet habe, war es mir nicht möglich, diese spezielle Ausbildung zu absolvieren. Später ist die Theaterwelt eine andere geworden. Das Miteinander war nicht mehr so wie am Anfang, eher jeder gegen jeden. Das Miteinander brauche ich aber, um meinen Frohmut zu behalten. Heute würde ich einfach nur gerne anderen Regisseuren über die Schulter schauen, egal ob im Film oder Fernsehen.

Juckt es Sie ab und zu, wieder selbst zu schauspielern? Falls ja, welche Rolle würden Sie gerne einmal spielen.

Silvia Neugeborn: Ja, ich würde gerne mal wieder spielen. Die Rolle wäre mir egal, denn jede Rolle ist eine Herausforderung. Man kann aus jeder Rolle vieles herausholen. Was mich daran hindert, ist der viele Text, den man lernen muss. Davor habe ich Respekt. Ich ziehe meinen Hut vor all meinen Akteuren.

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