Fast hätte er die Beatles geholt

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Von W. Christian Schmitt

Mit der Reihe „Tischgespräche“ gibt das WIR-Magazin seinen Lesern Gelegenheit, ganz nah am Geschehen mit dabei zu sein. Wir sind jeweils eingeladen von bekannten Personen aus dem Gerauer Land und erfahren, wie sie denken, entscheiden, privat sich darstellen. Diesmal hat uns Hans J. Wieschollek, Teilzeit-Rentner und manche sagen: “Das Gesicht der Kreissparkasse Groß-Gerau“, eingeladen.

Auf der letzten mir vorliegenden Visitenkarte von ihm steht zu lesen: „Hans J. Wieschollek, Sparkassenbetriebswirt, Leitender Abteilungsdirektor, Vertriebssteuerung/Marketing“. Ob das in dieser Form noch zutrifft? Wir haben Deutschlands wohl dienstältesten Sparkassen-Mitarbeiter, der mittlerweile nur noch stundenweise an seinem langjährigen Arbeitsplatz zu erreichen ist, in seinem Heim in Braunshardt besucht und nach Antworten gefragt.
Aber bevor wir in dem ansehnlichen Wohn-/Geschäftshaus am Glastisch Platz nehmen, ein kurzer Gang vom Eingangsbereich bis in den Garten. Was ich wahrnehme: Große Fußbodenfliesen, wohin wir uns auch bewegen. Ein gecleanter Küchenbereich. Mehrere Bilder ringsum, darunter auch eine Toulouse-Lautrec-Kopie. Hinter dem Haus viel Grün und Blumen, ein selbst gegrabener offener Brunnen. Und quasi als Sahnehäubchen ein Swimmingpool, über den eine griechische Göttin zu wachen scheint.
Doch dann, nach der Kür, der Anlass unseres Besuchs: das Tischgespräch. Hans, wie ich zu ihm seit ein paar Jahren sagen darf, beginnt zu erzählen. Und wer ihn in solchen Situationen schon einmal erlebt hat, weiß, dass er nur Pausen einlegt, wenn man ihm mit Zwischenfragen kommt. Er beginnt damit, dass er mir und unserem Fotografen Werner Wabnitz, der ihm einst als Öffentlichkeitsarbeiter der Kreissparkasse im Amt folgte, erklärt, was wir an diesem Abend an kulinarischen Leckereien erwarten dürfen. Ich staune erstmals, denn unser Gastgeber weiß zu allen Gerichten die italienischen Bezeichnungen. Gelegenheit für mich zur ersten beruflichen Zwischenfrage. Ja, sagt Hans, „ich bin seit 54 Jahren bei der Sparkasse und habe in dieser Zeit sechs Vorstandsvorsitzende erlebt“.
Wie alt muss dieser jung gebliebene Mann eigentlich sein, dem ich 1980 ein erstes Mal fast begegnet wäre. Damals war ich von Dortmund zurück nach Groß-Gerau gekommen und hatte in der Darmstädter Straße, zwei Häuser neben der Kreissparkasse, mit meiner Redaktionsstube eine Wohnung bezogen. In einer Anzeige las ich, dass die Sparkasse einen stellv. Pressechef suchte. Und da ein solcher Arbeitsplatz verlockend nah schien, folgte meine Bewerbung. Die allerdings führte nicht zum Erfolg. „Neben Dir bewarben sich damals fast 40 Journalisten aus ganz Hessen“, sagt Hans, „aber letztlich hat keiner den Zuschlag erhalten, weil es eine interne Lösung gab“. Gottlob, muss man im Nachhinein sagen, denn kurze Zeit später wurde ich damals in die Frankfurter Chefredaktion des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel berufen.
Aber wovon reden wir da eigentlich zwischen Vorspeise und Hauptgericht? Es soll doch um Hans J. Wieschollek gehen, der am 1. April 1963 – mit einer besonderen Begabung im kaufmännischen Rechnen – als Lehrling (wie es seinerzeit noch hieß) in die Kreissparkasse eintrat. Wer hätte damals geahnt, dass dieser Hans einmal nicht nur zum wandelnden Gedächtnis dieses Geldinstituts werden würde, sondern zudem früher auch als Klein-Gerauer SPD-Chef, und auch als Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses der Gemeindevertretung Büttelborn, als Geschäftsführer des Groß-Gerauer Gewerbevereins sowie heute noch als Vorsitzender des Fördervereins Groß-Gerauer Stadtmuseum sowie als Vorsitzender und Geschäftsführer der Treburer Eugen-Schenkel-Stiftung Maßstäbe setzt.
„Als ich anfing“, merkt er an, „war ich relativ schüchtern“. Heute indes ist man angetan von seiner Eloquenz, wenn er bei öffentlichen Veranstaltungen mit humorvoll-kenntnisreichen Reden Zuhörer zu begeistern versteht. Der Spruch „Der Hans, der kann‘s“ reicht zwar nicht an das Bundesverdienstkreuz, mit dem er vor geraumer Zeit geehrt wurde, aber er trifft genau das, was diesen Mann auszeichnet, der eine Bereicherung für das gesellschaftlich-kulturelle Leben im Gerauer Land ist.
Warum bist Du nicht längst im verdienten Ruhestand? frage ich. „Weil mir die Arbeit in, bei und für die Kreissparkasse nach wie vor Spaß macht. Ich behalte so auch mein soziales Umfeld, mein über Jahrzehnte gewachsenes Netzwerk an Kontakten“, sagt Hans, und dagegen gibt es kein überzeugendes Argument. Hans J. Wieschollek gehört zu jenem kleinen Kreis Leib-und-Herz-Gerauer, die gar nicht in der Kreisstadt geboren sind, aber dieser Stadt sich geradezu heimatlich verbunden fühlen.
Der sehr nette Abend neigt sich dem Ende zu, und ich frage beim Aufstehen: „War da noch irgendetwas, was Du über die Geschichte der Kreissparkasse zu erzählen hättest?“. Aber ja, sagt Hans, „da wären noch die Jahre, in denen die Kreissparkasse in ihrer Öffentlichkeitsarbeit am großen Unterhaltungs-Rad mitdrehte“. Was ist damit gemeint? „Es war die Zeit, als wir in der Walter-Köbel-Halle in Rüsselsheim unseren Kunden Unterhaltungsstars wie Udo Jürgens, Peter Alexander, Udo Lindenberg oder die Les Humphries Singers, um nur diese zu nennen, präsentierten“. „Und beinahe“, fügt der Marketing-Spezialist Hans J. Wieschollek noch hinzu, „hätten wir sogar die Beatles ins Gerauer Land geholt.

Zur Person: Hans J. Wieschollek wurde am 23.12.1945 in Apolda/Thüringen geboren. Er wohnt seit 1998 in Weiterstadt-Braunshardt und ist verheiratet. Er ist ein sehr aktiver, noch arbeitender „Sparkassen-Rentner.“ Seit Jahrzehnten ist er in seiner „Freizeit“ in mehreren Bereichen ehrenamtlich tätig. Er hat ein Faible für Geschichte, das Groß-Gerauer Stadtmuseum, für die Eugen-Schenkel-Stiftung sowie das Kochen.

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