Fastnacht im Gerauer Land

Von Peter Erfurth.

Fastnacht feiern im Wandel der Zeit: Im Gasthaus zum Adler (Bild oben) und im Café Menne

Kreisblatt von 24. Februar 1909: Der Fastnachtsumtzug in Groß-Gerau, welcher gestern Nachmittag unter großem Pomp stattfand, hatte nicht allein Jung und Alt von hier auf die Beine gebracht, sondern einen solch riesigen Zuzug von auswärts verursacht, daß die ganze Frankfurterstraße vom Bahnhof an beim Abmarsch des Zuges einem kolossalen Menschenstrom glich, der hintennach folgte und für sich schon einen köstlichen Anblick bot. Leider mußten infolge der kalten Witterung in letzter Stunde einige Gruppen ausfallen; was aber geboten wurde war gut gegeben, gut ausgeführt und reizend anzusehen. Dies sei hier ausdrücklich lobend anerkannt, denn bei den diesmaligen nicht gerade rosigen Verhältnisse war ein solches Gelingen nur Dank der unermüdlichen Tätigkeit der vereinten Körperschaften wie auch der finanziellen Unterstützung der verehrten Einwohnerschaft möglich. Herolde, Kleppergeneral mit Klepperbuben eröffneten den Zug, in dem drei Musikabteilungen vertreten waren; es folgten die Prinzengarde mit dem Prinzenwagen, dem sich das närrische Ministerium anschloß. An Gruppen, die teils lokale Vorkommnisse wiedergaben, waren verteilt: „Gambrinus”, „Groß-Gerauer Hofbräuhaus”, „Eine altgermanische Jagdgesellschaft, mit erlegtem Höhlenbär heimkehrend” (Verein „Fidelio”), „Tiroler Jagdgesellschaft” (Gesellschaft „Schwärmer”), „Hafendurchbruch” (Gesellschaft „Edelweiß”), „Einfahrt in den Hafen” (Gesellschaft „Naß”), „Purguntia-Käserei”, „Das verlorene Kalb”, „Nußhag’s vereitelte Geschäftseröffnung” (Metzgergruppe), „Der Friede im Jahre 2000”, (Karnevalverein in der „Biene”), „Heiratskandidaten”, „Zigeuner” und als Nachtrab „Der Bärenführer”. Nach mehr als zweistündiger Fahrt löste sich der interessante Zug am Bahnhof wieder auf. Abends war nochmals großer Maskenball beim Prinzen im „Adler”,der überaus gut besucht war und bei dem es bis zur vorgerückten Stunde lustig zuging. Für diesmal ist’s o Graus total mit der Fastnacht aus, dabei das Portemonnaie so leer – das schmerzt manchem sehr. Nun kommt, was Not tut, außerdem noch dazu: Die gänzlich erschöpfte Vereinskasse muß bei Zeiten wieder gefüllt werden, damit es nächstes Jahr abermals schöner wird und man noch von uns sagen kann: „Groß-Gerau im Karneval voran !”

Kreisblatt von 1921: Karnevalsverbot für ganz Deutschland. Mit Rücksicht auf den Ernst der Zeit und die gewaltige Teuerung darf, wie jetzt amtlich mitgeteilt wird, in diesem Winterhalbjahr keinerlei karnevalistische Veranstaltung stattfinden. Zur Verhinderung der Zulassung derartiger Veranstaltungen in anderen Teilen Deutschlands ist nunmehr höheren Orts in Anregung gebracht worden, ein Verbot des Karnevals im Winterhalbjahr 1921/22 nicht nur für den Umfang der Provinz, sondern für ganz Deutschland zu erlassen.

Kreisblatt von 1924: Ein strenges Verbot des Karnevals, das sofort in Kraft tritt und bis Ende April d. Js. gilt, gibt das hessische Ministerium des Innern bekannt. Danach sind alle öffentlichen karnevalistischen Veranstaltungen, wie Makenbälle, Kostüm- und Trachtenfeste, Kappenabende, karnevalistische Sitzungen, Maskerade und karnevalistisches Treiben, Werfen von Konfetti und Luftschlangen auf den Straßen und anderen öffentlichen Plätzen bei Strafe verboten. Karnevalistische Veranstaltungen in geschlossener Gesellschaft bedürfen besonderer Genehmigung, wenn sie in einem besonderen Vereinslokal, einem öffentlichen Saal usw. abgehalten werden. eine besondere Ankündigung durch Anschlag oder durch die Zeitung ist nicht gestattet. Ueber den Begriff einer geschlossenen Gesellschaft sind genaue Abgrenzungen vorgeschrieben. Oeffentlicher Kartenverkauf ist verboten usw. Die Bestimmungen haben nur Gültigkeit für das unbesetzte Gebiet.


Peter Erfurth
ist Datenbank-Spezialist des Groß-Gerauer Stadtmuseums;
pedepe@gmx.de

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