Feldlerche ist Vogel des Jahres
Von Werner Eitle.
Einige Vogelarten sind Kulturfolger, weil sie den Menschen in ihre Lebensräume nachziehen. Die Lerche könnte man sogar Kulturvogel nennen, hat sie es doch in zahlreiche Werke der Dichtkunst geschafft. Der bekannteste Ausspruch dürfte aus Shakespeares Stück „Romeo und Julia“ stammen. Wer kennt nicht die Worte „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche“. Doch viele kennen den fröhlichen Gesang dieses Himmelsvogels gar nicht mehr.
Das liegt daran, dass der Bestand dieses Vogels, wie der vieler anderer Feldvögel auch, stark zurückgegangen ist und er in weiten Teilen Deutschlands gar nicht mehr vorkommt. Wissenschaftler, der NABU und andere Naturschutzorganisationen warnen seit Jahrzehnten vor der Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren.
Intensivkulturen, fehlende Brachflächen und zu viel Pestizide haben den Vögeln, genau wie dem Kiebitz und dem Rebhuhn, den Lebensraum genommen. Der Himmel ist stumm geworden, und die Vorstellung, dass es Frühling ist und kein Vogel mehr singt, entsetzt nicht nur Freundinnen und Freunde der Vogelwelt.
Blühstreifen und Brachflächen in der freien Landschaft können einen wertvollen Beitrag leisten. Jedoch ist es ein zäher Kampf, der intensiven Landwirtschaft ein paar Quadratmeter naturnahe Flächen entgegenzusetzten. Wir wissen, die Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Familienbetriebe in der Landwirtschaft sind schlecht. Sie müssen bei Angebot und Preis gegen ausländische Produkte konkurrieren und gegen landwirtschaftliche Großunternehmen mit Investoren im Rücken. Für Landwirte muss es interessant und rentabel sein, Naturschutz umzusetzen, und deshalb brauchen wir dringend eine Änderung der katastrophalen Landwirtschaftspolitik in Berlin und Brüssel. Aber auch unser Konsumverhalten müssen wir ändern. Es trägt entscheidend dazu bei, biologische Vielfalt wieder zu entwickeln, denn Landwirte werden nur das produzieren, was der Verbraucher will, und Lebensmittelketten nur das anbieten, was der Kunde kauft.
Naturschutz geht uns alle an, und das scheinen immer mehr Menschen zu verstehen. Diejenigen, die es immer noch nicht verstanden haben, die jede Entscheidung nur aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus treffen oder um ihren persönlichen Vorteil willen, möchte ich daran erinnern, dass auch sie Kinder und Enkel haben, die sie sicher liebevoll umsorgen. Es geht auch um ihre Zukunft. Warum verstehen sie dann nicht, dass es übergeordnete Nutzen gibt, die nicht unbedingt am Geld festgemacht werden dürfen, aber den Fortbestand allen Lebens auf der Erde sichern. Rund 7,8 Milliarden Menschen können diese Erde nicht verlassen, wenn sie für Profit und der Forderung nach ständigem Wachstum zerstört ist.
Denken wir daran: Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur. Daran soll uns auch dieser kleine Vogel erinnern, der seit Jahrhunderten mit seinem Gesang den Frühling einläutet.
Werner Eitle
ist Vorsitzender des Ortsverbands Groß-Gerau des Naturschutzbundes (NABU);
werner.eitle3@gmail.com