Für eine seniorenfreundliche Stadt
Von Ulf Krone.
Seit 1997 gibt es in der Kreisstadt einen Seniorenbeirat (SBR), der unabhängig von Parteien und Konfessionen und alle drei Jahre gewählt wird. Ehrenamtlich vertreten die Mitglieder die Interessen der älteren Menschen in der Kreisstadt. Wie diese Arbeit im Detail aussieht und welche Themen aktuell besonders diskutiert werden, hat WIR-Redakteur Ulf Krone bei Udo Herzinger vom Sprecherkreis des Beirats nachgefragt.
Herr Herzinger, seit gut einem Jahr sind Sie nun Mitglied des Seniorenbeirats in der Kreisstadt und bilden gemeinsam mit Annegret Becker den Sprecherkreis. Erklären Sie unseren Lesern bitte einmal, welche Funktion der Seniorenbeirat hat und welche Ziele er verfolgt!
Udo Herzinger: Der SBR nimmt die Interessen der älteren Menschen wahr. Dies geschieht selbstverständlich außerhalb jeden Konkurrenzdenkens mit anderen Organisationen. Hierbei sucht der SBR als Interessensvertretung aller älteren Menschen eine gute Partnerschaft und Zusammenarbeit mit allen organisierten Seniorengruppen der Kreisstadt. In meinem ersten Jahr der ehrenamtlichen Tätigkeit habe ich sehr schnell festgestellt: Senioren*innen wollen keine Almosen, sondern Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Kurz, sie wollen sich einbringen und mitbestimmen. Dies wird durch den SBR ausdrücklich unterstützt und gefördert.
Wie sieht die Arbeit des Beirats ganz konkret aus?
Udo Herzinger: Wir tagen in regelmäßigen Abständen im Haus Raiss und arbeiten sukzessive unsere jeweiligen Tagesordnungspunkte ab. Aktuelle Themen werden vorrangig behandelt, denn die älteren Bewohner unserer Stadt wünschen sich konkrete Lösungen und keine noch so wohlgemeinten theoretischen Ansätze. So hatten wir bereits vor einem Jahr alle Bürgermeister-Kandidaten in unserer Sitzung. Den 1. Stadtrat Richard Zarges hatten wir zu Gast, und unser ständiger Begleiter ist der Amtsleiter Herr Krambeer. Neu für die Mitglieder des Gremiums, die teilweise noch in weiteren Gruppen wie der Altenhilfe oder als Patientensprecher im Kreiskrankenhaus ehrenamtlich tätig sind, ist ein dreitägiger Qualifizierungs-Workshop. Hier wurden Ziele und Pläne professionell erarbeitet und entwickelt. Mein großes Lob gehört allen meinen Mitstreiter*innen, die dafür zusätzlich noch ihre Freizeit verkürzt haben.
Welche Themen liegen Ihnen aktuell besonders am Herzen?
Udo Herzinger: Ganz vorne steht natürlich der Neubau von Haus Raiss. Die Einführung des kostenfreien ÖPNV für ab 65jährige im Stadtgebiet ist ein weiterer Punkt. Hierfür gibt es eine neu gegründete Projektgruppe, die mit dem konkreten Ziel angetreten ist, dieses zusammen mit den städtischen Gremien auch umzusetzen. Wir werden es jedenfalls versuchen und auch mit der Bäder GmbH sprechen müssen, um für Senioren vernünftige Eintrittspreise zu bekommen. Wo gibt es für Rentner (Rente mit 67) denn noch Fahrkarten oder Eintrittspreise, die ihrem monatlichen Einkommen entsprechen. Hier muss dringend nachgebessert werden, und die öffentliche Hand muss nicht, sollte aber dabei mit gutem Beispiel voran gehen. Themen sind außerdem die Verkehrssituation in der Kreisstadt, der Erhalt der Kreisklinik sowie der Bahnhof Groß-Gerau. Letzterer ist natürlich der Dauerbrenner, die aktuelle Situation wird mittlerweile einfach so hingenommen. Das wollen wir nicht.
Abriss und Neubau des Hauses Raiss stehen schon länger im Raum. Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?
Udo Herzinger: Das ist eine wirklich gute Frage. Meine Antwort: Ich weiß es nicht. Obwohl wir hier mit eingebunden sein sollten, erfahren wir den jeweiligen Stand auch immer erst aus der Tagespresse. Im Gremium macht sich bei diesem Thema langsam eine leichte Resignation breit. Ich spüre die Verunsicherung der langjährigen Mitglieder im Beirat. Ich weiß, dass die Kreisstadtspitze und alle politischen Gremien mit Hochdruck an einer baldigen Umsetzung arbeiten. Wir brauchen dieses Haus mit seiner modernen Ausstattung. Dazu gehört auch heute ein funktionierendes WLAN in einem funktionellen Gebäude. Ich hatte gehofft, in meiner dreijährigen Amtsperiode den Neubau mit feiern zu dürfen. Mal sehen! Die Senioren*innen der Stadt Groß-Gerau jedenfalls warten dringend auf ihren Neubau.
Mit der Vergabe des Gütesiegels „Generationenfreundliches Unternehmen – vom Seniorenbeirat empfohlen“ hat sich der Seniorenbeirat besonders für die Barrierefreiheit in der Kreisstadt eingesetzt. Wie war die Resonanz auf das Projekt, und sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Udo Herzinger: Wir sind über die Resonanz und mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Unsere dreiköpfige Projektgruppe mit Renate Klippel, Antonietta Kuhley und Salvatore Urso haben in etlichen Stunden einen Anforderungskatalog erstellt. Dieser war die Grundlage für die Besuche bei Banken, Einzelhandel und Gastronomie. Schnell wurde klar, dass insbesondere im innerstädtischen Bereich das Anforderungsprofil auf Grund der Bausubstanz nicht immer zu 100 Prozent zu halten war. Die Gerauer Geschäftswelt zeigte sich überaus aufgeschlossen und hat unsere Mitglieder durchweg freundlich empfangen und ihren Teil zum Erfolg beigetragen. Waren alle geforderten Kriterien nicht immer zu erfüllen, war es uns aber sehr wichtig zu erfragen, welche Hilfen hierfür der jeweilige Betrieb anbieten konnte. Die jetzigen Aufkleber, die immerhin schon bei 40 Betrieben angebracht sind, haben zunächst eine Laufzeit bis 2022. Danach werden wir erneut vorstellig werden. Ohne die tatkräftige Unterstützung der Stadt, wäre dieses Projekt nicht durchführbar gewesen.
Der Seniorenbeirat Groß-Gerau wurde am 10. März 1997 ins Leben gerufen. Derzeit hat er neun Mitglieder, die die ehrenamtliche Interessenvertretung für alle älteren Einwohnerinnen und Einwohner der Kreisstadt Groß-Gerau mit allen Stadtteilen übernehmen. Den Sprecherkreis des Seniorenbeirats bilden Annegret Becker und Udo Herzinger. Kontakt: Seniorenbeirat Groß-Gerau, Haus Raiss, Frankfurter Straße 46, 64521 Groß-Gerau; Tel.: 06152 4611; www.senioren-auf-draht.sozialnetz.de