Gemeinsam voneinander profitieren
Von W. Christian Schmitt.
Mit der Reihe „Tischgespräche“ gibt das WIR-Magazin seinen Lesern Gelegenheit, unmittelbar am jeweiligen Geschehen mit dabei zu sein, den Menschen hinter seinem Amt kennenzulernen. Diesmal hat uns der Nauheimer Gewerbevereins-Vorsitzende Ludwig Boßler eingeladen.
In Darmstadt geboren, in Reinheim aufgewachsen, in Königstädten zuhause und Gewerbevereins-Vorsitzender in Nauheim – wie passt das alles zusammen, frage ich Ludwig Boßler gleich nach der Begrüßung und noch bevor wir im Wohnzimmer mit Blick auf den Garten Platz genommen haben. Wir, das sind Werner Wabnitz und ich, sind eingeladen zum 2. Frühstück in die gute Stube. Gemeint sind nicht seine zwei Edeka-Märkte in Nauheim und Königstädten, sondern Boßlers trautes Heim. Offener Kamin, eine wohl sortierte Bücherwand, die TV-Ecke und ein übergroßer Geburtstags-Kalender sind die Dinge, die ich mir behalten habe. Es soll keine Home-Story werden, wir wollen uns unterhalten sowohl über sein unternehmerisches als auch sein Engagement in Sachen Gewerbeverein, dem er tatkräftig vorsteht.
Auf meine Eingangsfrage liefert er die Antwort nach: „Wo einen die Arbeit hin verschlägt“. Alles begann vor fast 19 Jahren, als er – noch im vorderen Odenwald lebend – einen Edeka-Lebensmittelmarkt in Königstädten eröffnete und morgens wie abends die gut 35 Kilometer lange Wegstrecke zu absolvieren hatte. Erst 2007 kam dann der Boßler-Markt in Nauheim hinzu. Und die Planungen reichen bereits weiter ins Jahr 2021, wenn in Königstädten dann ein nach neuesten Standards gebauter Laden hinzukommen wird. Aber darüber reden wir erst später am Ende unseres Tischgesprächs.
Zunächst ist eine Art kleines Unternehmer-Frühstück angesagt. Auf dem Tisch frische Brötchen, Butter, Wurst, Käse, Marmelade, ausreichend Kaffee, frisch gepresster Orangensaft und Weintrauben. Das Frage-Antwort-Spiel kann beginnen. In einem WIR-Exklusiv-Interview, das wir in unserer Ausgabe 223 veröffentlichten, hatte der Chef der beiden Edeka-Boßler-Märkte u.a. bereits ein paar Zahlen genannt. Die besagten, dass die angebotene Produktpalette in Nauheim rund 30.000 und in Königstädten ca. 15.000 Artikel umfasse. Als ich ihn auf die Außenwirkung seines Unternehmens in Nauheim anspreche und die bekanntesten Gesichter – in der Reihenfolge: Bürgermeister Jan Fischer, Gemeindevertretervorsteher Karl Norbert Merz und dann schon den Gewerbevereins-Vorsitzenden Ludwig Boßler – nenne, lacht er herzhaft. Wobei ich zumindest dies durchaus ernst gemeint habe. Ja, es stimme schon, dass man seinen Wohlfühlmarkt, der nicht nur ein Einkaufserlebnis der etwas anderen Art zu bieten hat, sondern zudem ein Ort der Kommunikation ist, nicht mit den üblichen Supermärkten vergleichen könne. Und dies nicht nur, weil schon an der Außenfassade des Marktes Boßler in voller Größe zu sehen ist und damit signalisiert, dass er mit Leib und Seele sich Lebensmitteln und deren Verkauf verschrieben hat.
Aber auch hier nimmt sich der Chef bescheiden etwas zurück: „Es gibt eine ganze Reihe von Nauheimern, die wichtiger sind als ich“. Kommen wir zum Gewerbeverein und seinen mehr als 80 Mitgliedern, mit denen er (sowie in Kooperation mit der Gemeindeverwaltung und dem Vereinsring) im Jahresverlauf fünf Veranstaltungen anzubieten hat, mit denen zudem das kulturelle Leben in Nauheim bereichert wird. Es sind dies der Neujahrsempfang, das Frühlingsfest, das Fest der Vereine, das Weinfest und letztlich der traditionelle Weihnachtsmarkt. „Wir sind ein gut eingespieltes Team“, sagt er und fügt hinzu: „Jahr für Jahr kommen auch von außerhalb mehr Personen zu unseren Veranstaltungen“.
Wie steht es um das Verhältnis Gewerbeverein und Bürgermeister, frage ich vorsichtig. „Wir haben ein gutes Verhältnis zum Gemeindeoberhaupt und bekommen bei Bedarf stets schnell einen Gesprächstermin“. Hier hat Vorrang das Prinzip der schnellen Entscheidungswege – von dem beide Seiten nur profitieren können. Von Nauheim nun der gedankliche Sprung nach Königstädten, wo Ende 2020/Anfang 2021 nach einer längeren Vorbereitungsphase ein neues Kapitel in Sachen Boßlers Lebensmittelmärkte beginnen soll. Was alles wird anders als gewohnt sein? Wird es Kassen ohne Kassiererinnen geben, wie dies schon mancherorts in den USA der Fall ist? Nicht bei mir, sagt er und schwärmt schon ein wenig vom Markt der Zukunft, von Königstädten II. Etwa 1.800 qm Verkaufsfläche wird er bieten mit einer „Technik auf dem neuesten Stand“. Natürlich wird es auch künftighin an den Kassen Kassiererinnen (und Kassierer) geben. Denn am Vertrauensverhältnis Kunde/Kassiererin werde sich nichts ändern. Kunden werde man wann und wo auch immer bei Fragen behilflich sein und auch für einen Schnack zur Verfügung stehen. Zwar wird es keine „automatischen Kassen“ geben, aber „im Hintergrund“ wird sich einiges verändern und die automatische Lagerhaltung wird Einzug halten.
Zum Schluss habe ich mir noch eine Frage aufgehoben: Wieviel Edeka und wieviel Boßler steckt eigentlich in diesen seinen Märkten? Edeka, erklärt Boßler, ist eine Genossenschaft, bei der im Aufsichtsrat nur Kaufleute sitzen. Die Vorgabe von Edeka sei, dass man eine bestimmte Abnahmemenge erwarte, für die Edeka die Werbung übernehme, „und mein Job ist es, diesen Markt mit Herzblut zu führen.“ Dafür investierte er in den Anfangsjahren 80 Stunden die Woche. Heute hat er etwas reduziert, „so dass Zeit bleibt, fast jedes Spiel der Frankfurter Eintracht zu besuchen“. Was nicht wundert, schließlich war er früher selbst einmal Fußballer, Schiedsrichter und sogar Co-Trainer. Heute indes ist er alles in einem.
Zur Person: Ludwig Boßler, Jahrgang 1967, ist in Darmstadt geboren. Sein Vater war Zimmermann, seine Mutter Hausfrau. Er hat vier Brüder. Seinen Realschulabschluss machte er in Reinheim, ebenso die Ausbildung zum Kaufmann im Edeka-Einzelhandel. Von 1990 bis 1998 war er Marktleiter in Fürth im Odenwald, von 1998 bis 2000 Bezirksleiter bei Edeka Südwest. Im November 2000 Eröffnung des Edeka-Marktes in Rüsselsheim-Königstädten, im März 2007 Eröffnung Edeka-Boßler in Nauheim. Seit November 2013 ist er Vorsitzender des Gewerbevereins Nauheim.