GG und das Wirts­haus im Spessart

Von Jürgen Volkmann.

Das Groß-Gerauer Stadtmuseum hat sein „Altheim-Kabinett“ um eine Neuerwerbung erweitert. Das Blatt mit dem Titel „Jägerlatein“ aus dem Jahre 1911, das jetzt aus Privatbesitz angekauft werden konnte, hing ursprünglich im berühmten „Wirtshaus im Spessart“ bei Rohrbrunn. Bekanntlich wurde u.a. dort 1957 frei nach einem Märchen von Wilhelm Hauff der gleichnamige Film mit Liselotte Pulver und Carlos Thompson gedreht.

De verrickt Moler“ – so nannte sich Altheim auf einer Postkarte gegenüber seinen Freunden, und er spielte damit an auf seine vielen Verrücktheiten in der Öffentlichkeit, wenn er etwa in Cowboyverkleidung oder in eine Husarenuniform gewandet per Maultier durch Frankfurt ritt. Das war aber nur die eine Seite seines Lebens, die andere war von hohem zeichnerischen Können geprägt.

Wer war Wilhelm Altheim, der in Frankfurt seine Wahlheimat und sein Publikum fand? Er wurde am 7. August 1871 als Sohn des Schneidermeisters Johann Daniel Altheim und seiner Frau Margarethe, geb. Hedderich, in der Mainzer Straße geboren. Der Groß-Gerauer Fabrikant Julius Wolff erkannte sein großes zeichnerisches Talent und ermöglichte ihm ab 1886 die Ausbildung bei Heinrich Hasselhorst (1825-1904) an der Städelschule. Er gehörte zusammen mit Fritz Boehle (1873-1916) zu den begabtesten Schülern und mit ihm teilte er die Leidenschaft für Pferde- und Tierdarstellungen. Besonders gerne verfolgte Altheim die Ausritte und Übungen der 13. Bockenheimer Husaren. Auch legte er sich eine private Waffensammlung an – seine Schießübungen allerdings stießen auf Missfallen. Altheim reflektierte seine unmittelbare Umgebung und dabei die Welt der kleinen Leute – Handwerker, Bauern, Fuhrleute, Schäfer, Schiffer – und schilderte sie in realistischer, unverklärter Manier. Sein zeichnerisches Vermögen war herausragend. Die Konkurrenz zu Boehle beflügelte sein Wirken, rief aber auch Enttäuschung hervor. Während Boehle durch Fleiß und Zuverlässigkeit in der Frankfurter Kunstszene den Vorzug genoss, galt Altheim als größeres Talent, aber als unzuverlässiger Auftragnehmer. 1897 heiratete er seine Mitstudentin Marie Teichmann, Pfarrerstochter aus Nienburg an der Weser, mit der er ins ländliche Eschersheim zog. Dort begann eine glückliche und produktive Zeit. 1898 und 1901 kamen der Sohn Franz – später ein bekannter Althistoriker – und seine Tochter Marieluise zur Welt.

Auch seine exzentrische Lebensweise fand in Eschersheim eine Bühne und die Frankfurter Gesellschaft schätzte ihn als unterhaltsamen Gast. Seine Arbeiten verkauften sich gut. Altheim verfiel jedoch im Laufe der Zeit mehr und mehr dem Alkohol. Trotz Entziehungskur gab es keine Besserung, und seine Frau entschloss sich zur Trennung. Beim Ausbruch des 1. Weltkrieges meldete er sich freiwillig, wurde aber nicht angenommen. Am 1. Weihnachtstag 1914 war er psychisch und physisch am Ende und nahm sich das Leben.

Altheim blieb nach seinem Tod in Frankfurt präsent. 1915 gab es eine Gedächtnisausstellung, 1927 erschien eine Monographie von Karl Simon. Seit den 1950er Jahren bemühte sich die Stadt Groß-Gerau mit ihrem Kulturamtsleiter Franz Flach um Altheims Nachwirken. Die Erben entschlossen sich schließlich, den Nachlass nach Groß-Gerau zu geben. Das Stadtmuseum verfügt heute über die größte existierende Sammlung mit Werken des Künstlers. Zu seinem 100. Todestag richtete die Stadt Groß-Gerau mit dem „Altheim-Kabinett“ eine ständige Präsentation seiner Werke ein. Die Sammlung wurde in den letzten Jahren stetig durch Ankäufe, insbesondere durch die Unterstützung des Förderverein Stadtmuseum e.V. erweitert, jüngst durch eine Rötelzeichnung, die Altheims künstlerische Auffassung exemplarisch widerspiegelt und zudem eine interessante Herkunft aufweist.

 


Jürgen Volkmann
ist Leiter des Stadt­museums Gr.-Gerau;
juergen.volkmann@gross-gerau.de

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