Groß-Gerau ist spannend

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Von W. Christian Schmitt

Mit der Reihe „Tischgespräche“ gibt das WIR-Magazin seinen Lesern Gelegenheit, ganz nah am Geschehen mit dabei zu sein. Wir sind jeweils eingeladen von bekannten Personen aus dem Gerauer Land. Diesmal hat uns Susanne Theisen-Canibol, Wirtschafts-Journalistin und Sprecherin des Vereins Aktive Unternehmerinnen und Freiberuflerinnen RheinMain (AUF), in ihr neues Zuhause in der Kreisstadt eingeladen.

Das hatten wir bislang noch nicht: eine fein gedruckte Menüfolge, gleich am Eingang quasi zur Begrüßung. Unter dem Motto „Ried trifft Rheinland“, war da zu lesen, dass wir uns nach dem Genuss einer „Kürbissuppe mit Würzschaum und Flönz-Birnen-Rolle“ schon auf „Entenbrust auf Morchel-Wirsing mit Kartoffelbratlingen“ freuen dürften. Von der Nachspeise „Diesseits und jenseits des Rheins vereint“, mit der unser Gespräch später ausklingen sollte, noch gar nicht geredet.
Ja, hier waren wir richtig, in einem Haus, das Gastlichkeit und Lebensstil ausstrahlte und in dem die Hausherrin auch alles noch selbst am Herd zubereitete: Susanne Theisen-Canibol, die in einer Art beruflich-menschlicher Selbstbeschreibung u.a. Folgendes preiszugeben bereit war: „In Variationen denken, aufeinander abgestimmte Kommunikation mit und in Gruppen verschiedener Größe, im Einzelnen das Ganze nicht aus dem Blick verlieren, Agieren vor Publikum und Improvisieren…“.
Doch zunächst – wie üblich – der Rundumblick auf das, was vom Ort des Geschehens im Gedächtnis bleibt. Ganz vorne rechterhand das Klavier, das auf die Diplom-Musikerin und einstige Musikpädagogin hinweist. Schräg gegenüber die Bücherregale, die z.T. Auskunft geben über die besonderen Interessengebiete und Neigungen der zudem ausgebildeten Wirtschaftsjournalistin. Ich sehe eine umfangreiche CD-Sammlung, die nicht nur Freunde von Bach, Mozart, Verdi, Brahms oder Debussy erfreuen dürfte. Aber vor allem viele, viele Bücher über ferne und nahe Länder („Vive la France!“), eine Philosophie-Ecke u.a. mit Arbeiten von Peter Sloterdijk und Max Weber, aber auch von Matthias Beltz (!). Neben Lyrik von Rilke und den „Schönsten Liebesgedichten“ steht auch der Band „Die Welt meistern“ mit Prosa und Lyrik von Anette Welp und Texte von Slampoet Sebastian 23. Und dann natürlich die Abteilung Journalismus mit Kischs „Nichts ist erregender als die Wahrheit“, „Der Spiegel-Komplex“ oder „Augstein, Springer & Co.“ Und gleich daneben noch: „Streit um Werte“.
Journalismus, das ist das Thema, über das wir an diesem Tag bei Tisch und zwischen den einzelnen Gängen hauptsächlich reden. Journalismus heute. Woran krankt er? Was sollte er leisten? Was erwarten Leser, Hörer, TV-Zuschauer von jenen Kollegen, deren Aufgabe es nach wie vor ist, uns allen „die Welt zu erklären“, zumindest ein wenig. Die verstehen sollten, zwischen Wesentlichem und Banalem zu unterscheiden, die uns Mediennutzer als „Kunden“ ernst nehmen und nicht noch einmal das anzubieten versuchen, worüber wir schon längst z.B. via Internet informiert sind.
Das wird spannend, denke ich mir – und werde nicht enttäuscht. Susanne Theisen-Canibol, die zusammen mit ihrem Mann, der ebenfalls erfahrener Journalist ist, aus Kelsterbach kommend, in einem Fachwerkhaus (mit zeitgemäßem Anbau) in der Kreisstadt erst im vorigen Jahr ein neues Domizil bezogen hat, zeigt sich als neugierige wie kenntnisreiche Gesprächspartnerin, mit der die Zeit wie im Fluge zu vergehen scheint. Ich höre ihr aufmerksam zu, wenn sie etwa ganz locker Sätze sagt, mit denen sie sich in der Kreisstadt die Sympathie der Alteingesessenen wie Zugezogenen sichern dürfte: „Groß-Gerau ist spannend, ich liebe diese Stadt“.
Doch wer ist Susanne Theisen-Canibol? Seit 27 Jahren recherchiert sie „mit investigativem Gespür“, praktiziert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Unternehmens- und Vorstandskommunikation, erzählt, wie es zum Verein AUF gekommen ist (Details dazu unter www.auf-rheinmain.de), was es mit dem Verlag fakten & köpfe auf sich hat (auch dazu Details unter www.faktenundkoepfe.de) und warum es z.B. zwischen Zeitungsredakteuren und Öffentlichkeitsarbeitern nach wie vor Naserümpfen zu geben scheint. Dabei sind doch beide in gewissem Maße aufeinander angewiesen. Auch auf die Frage, was letztlich Journalismus ausmache und verbinde, weiß sie kluge Antworten. „Das Leben“, sagt sie, „spielt sich nach wie vor auf der Straße ab, in den Cafés, auf den Wochen- wie Jahrmärkten. Nicht in den Zeitungsbüros und vor den Computern“. Denn: „Das Leben ist nicht nur virtuell“. Die Globalisierung habe es mit sich gebracht, dass „Menschen sich immer mehr an dem orientieren, was in ihrer unmittelbaren Umgebung stattfinde. „Wir brauchen Traditionen, wir brauchen Rituale, und deshalb brauchen wir Medien, die über das berichten, was vor unserer Haustür passiert“. Klar ist für sie zudem, dass Journalismus etwas mit Verantwortung, mit Ethik zu tun hat. Das alles klingt für mich so schlüssig, als wäre sie Mitglied unserer WIR-Redaktion.
Je länger wir bei Speis und Trank zusammensitzen und miteinander reden, nein, Lebens- wie Berufserfahrungen austauschen, umso gesprächsfreudiger wird Susanne Theisen-Canibol – eine blitzgescheite, engagierte, dabei aber auch durchaus quirlige Journalisten-Kollegin, deren Stimme man in der Kreisstadt noch des Öfteren vernehmen wird. Da bin ich mir sicher.

Zur Person: Susanne Theisen-Canibol, geboren 1958 in Idar-Oberstein, aufgewachsen im Rheinland (Bergisches Land); 1977 bis 1981 Musikstudium an der Kölner Musikhochschule; 1981 bis 1989 tätig als freiberufliche Musikerin und Musikpädagogin; 1989 bis 1991 Ausbildung zur Wirtschaftsjournalistin in Köln; 1991 bis 2000 Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Bund der Steuerzahler NRW; 2001 bis 2004 Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Deutschland und Europa bei Tenovis (heute AVAYA) in Frankfurt am Main. Seit 2004 selbstständig. Seit 2009 Geschäftsführerin der fakten + köpfe Verlagsgesellschaft mbH, seit 2015 geschäftsführende Gesellschafterin. 2011 Mitgründerin des Verein AUF Aktive Unternehmerinnen und Freiberuflerinnen RheinMain e.V. und von Anbeginn an ehrenamtlich im Vorstand des Vereins aktiv. Weitere Infos unter www.auf-rheinmain.de

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