Hallo Sie! Vor dem Bildschirm

Von Anette Welp.

Facebook ist das Buch der vielen Gesichter und Selbstdarsteller. Auch ich stelle die Arbeit meines Verlages dar. Als Schriftstellerin und Verlagsinhaberin nutze ich auch Facebook. Es gibt für mich keine schnellere Möglichkeit der Mitteilung und Werbung. Ich kann mit einem einzigen Post viele Menschen erreichen. Dabei achte ich auf meine Wortwahl und insbesondere meine Ansprache. Ich möchte höflich und wertschätzend meine Mitmenschen informieren. Allerdings werden Facebook und andere soziale Netzwerke immer menschenverachtender.

Und jetzt habe ich mal eine Frage an Sie: Warum posten Sie zu allem und jedem Ihre Meinung? Wissen Sie nicht, dass wir alle unsere Meinungen haben? Das liegt in der Natur der Menschen, dass wir aufgrund unseres Lebensverlaufs unterschiedliche Einstellungen gewinnen. Die Erfahrung zeigt, dass es bei den sogenannten Posts oft zu Missverständnissen kommt.

Wie haben Sie sich eigentlich früher ausgetauscht, gestritten oder auseinandergesetzt? Warum sitzen Sie einsam vor Ihrem Bildschirm und hauen Ihre Standpunkte ungefiltert in die Tastatur? Meine Fantasie schlägt Purzelbäume: Ich sehe Sie im Feinripp vor dem PC sitzen mit der Flasche Bier in der einen und der Zigarette in der anderen Hand, wie Sie ohne Sinn und Verstand Ihre Meinung in die Tastatur „rülpsen“. Hauptsache, mal was „gesagt“. Und je später der Abend, desto irrer und wirrer werden die Beiträge!

Haben Sie keine Freunde, mit denen sie diskutieren können? Oder haben Sie keine Lust auf aufrichtige Diskussionen, in denen man zu- und abgeben muss? Warum müssen Sie so vehement auf Ihren Auffassungen bestehen? Und noch schlimmer: Warum behaupten, beschimpfen, beschuldigen, bedrohen Sie andere, nur weil sie nicht Ihrer Meinung sind? Warum müssen Sie immer unter die Gürtellinie gehen? Warum machen Sie auf diese Weise aus sozialen asoziale Netzwerke? Merken Sie nicht, wie diese Kommunikation geradezu die Verrohung unserer Gesellschaft unterstützt und beschleunigt? Und das lese ich auch immer wieder: „Mimimi“. Das ist ein Bekenntnis, das Missachtung ausdrückt, fehlende Argumentation bezeugt, und ich habe den Eindruck, dass Sie diesen Begriff verwenden, wenn Sie nicht mehr weiterwissen und wenn Ihnen die Argumente fehlen.

Wenn Sie sich jetzt fürchterlich über diese Kolumne aufregen, weil Sie sich überhaupt nicht angesprochen fühlen, weil Sie immer darauf achten, was Sie schreiben, dann bitte ich um Entschuldigung. Denn Sie habe ich nicht gemeint. Aber vielleicht teilen Sie ja meine Meinung.


Anette Welp
ist Autorin und Verlegerin sowie Frauenbeauftragte in der Treburer Gemeindeverwaltung;
augenauf.welp@t-online.de

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