Im Dienste des Rechts
Von Ulf Krone.
Bereits seit einigen Jahren informiert Dennis Contino in unserer Ratgeber-Reihe „Rechtstipps“ über oft gestellte juristische Fragen und deren fachliche Hintergründe. Sein letzter Rechtstipp (WIR 279, S. 35) war der 50. Beitrag, was WIR-Redakteur Ulf Krone zum Anlass genommen hat, einmal bei dem Vollblut-Juristen nachzufragen.
Wie sind Sie zur Juristerei gekommen? Ist es schon immer Ihr Wunsch gewesen, Anwalt zu werden?
Dennis Contino: Es ist tatsächlich so, dass ich bereits als Kind den Wunsch hatte, Anwalt zu werden. In meinem Schulfreundebuch aus dem Jahre 1990 hatte ich dies sogar mal als Berufswunsch angegeben. Eines der Vorurteile gegenüber einem juristischen Studiengang ist, dass es sich um eine trockene Materie handele. Als Jurastudent stellt man dann schnell fest, dass an diesem Vorurteil tatsächlich etwas dran ist. Dies hängt damit zusammen, dass man als angehender Jurist viele Definitionen, Theorien und Meinungen kennen muss, um jedes Thema umfassend beleuchten zu können. Dies erklärt dann auch vielleicht, wieso Juristen auf gestellte Fragen ihren Satz meistens mit den Worten beginnen: „Es kommt drauf an…“ Die Juristerei ist nicht wie beispielsweise die Mathematik, bei der es eine klare Abgrenzung zwischen richtig oder falsch gibt. Die Herausforderung des Anwalts besteht darin, die juristische Komplexität den Mandanten verständlich zu vermitteln. Die gleiche Herausforderung ist mir beim Schreiben der ersten Rechtstipp-Kolumnen begegnet. Die Schwierigkeit liegt darin, ein juristisches Thema mit wenigen Worten verständlich und soweit möglich umfassend darzulegen.
In welchen Fachbereichen sind Sie in Ihrer täglichen Arbeit tätig, und wie kam es zu dieser Ausrichtung?
Dennis Contino: Ich beschäftige mich schwerpunktmäßig mit dem Arbeits- und Verkehrsrecht. Das Arbeitsrecht war bereits in meinem Studium einer meiner Schwerpunkte, so dass ich aufbauend hierauf meine Kanzlei ausgerichtet habe. Die Vielzahl an verkehrsrechtlichen Fällen hat dann auch dazu geführt, dass ich mich vertieft mit diesem Rechtsgebiet auseinandergesetzt habe. Selbstverständlich werden auch Fälle aus anderen Rechtsgebieten bearbeitet. Die Besonderheit beim Arbeits- und Verkehrsrecht liegt darin, dass beide Rechtsgebiete eine Vielzahl an Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten haben. Beispielsweise ist das Arbeitsrecht stark mit dem Sozialrecht verbunden. Bei einer Kündigung oder Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses ergeben sich eine Vielzahl von Fragen bezüglich der Bezugsberechtigung von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern. Das Verkehrsrecht als Oberbegriff beinhaltet unter anderem die Rechtsgebiete des allgemeinen Zivilrechts, Versicherungsrecht, Strafrecht und Ordnungswidrigkeitsrecht. Die Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten erfordern breitgefächerte Kenntnisse und machen die Arbeit daher sehr abwechslungsreich.
Gerichte, Richter und Staatsanwaltschaften werden als Hüter einer freiheitlich demokratischen Grundordnung angesehen. Welche Rolle haben Rechtsanwälte im System der demokratischen Gewaltenteilung?
Dennis Contino: Rechtsanwälte sind einerseits Interessenvertreter, andererseits aber auch Organe der Rechtspflege. Als unabhängige Organe der Rechtspflege haben Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte neben Gerichten, Richtern und Staatsanwaltschaften eine gleichberechtigte Stellung und tragen zur Verwirklichung des Rechtsstaates bei. Sie verhelfen dem Mandanten zur Rechtsdurchsetzung mittels unmittelbarer Anwendung geltender Gesetze und gewährleisten hiermit, dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen.
Aber auch unter Juristen gibt es diskussionswürdige Entwicklungen, etwa das Geschäftsmodell der Abmahnpraxis, das besonders in Verbindung mit Internet-Tauschbörsen und ähnlichem an Bedeutung gewinnt. Dabei scheint es oft ausschließlich um das „Abkassieren“ von Abmahnkosten zu gehen, weniger um das seriöse Durchsetzen geltenden Rechts. Wie stehen Sie dazu, und wie reagiert man am besten auf eine Abmahnung?
Dennis Contino: Der Begriff der Abmahnung umfasst eine Vielzahl an Rechtsgebieten. Grundsätzlich soll eine Abmahnung den, der einer Rechtsverletzung begeht, auf dessen rechtswidriges Verhalten aufmerksam machen und ihn warnen, damit ein sich sonst anschließender Prozess vermieden werden kann. Soweit der Anwalt damit beauftragt wird, eine Abmahnung auszusprechen, obliegt es ihm zu überprüfen, ob eine tatsächliche Rechtsverletzung vorliegt. Nicht jede Abmahnung ist zugleich rechtswidrig. Das Gesetz schützt vereinfacht ausgedrückt geistiges Eigentum vor unberechtigter Verwendung. Selbstverständlich darf aber das Instrument der Abmahnung nicht als lukrative Einnahmequelle missbraucht werden. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. So wird beispielsweise im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen als missbräuchlich angesehen, wenn sie vorwiegend dazu dienen, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Jeder, der abgemahnt wird, sollte aufgrund der Komplexität der Materie einen Anwalt mit der Überprüfung des Abmahnschreibens beauftragen. Keinesfalls darf man im Falle einer Abmahnung voreilig handeln, ohne zuvor rechtlichen Rat eigenholt zu haben.
Seit dem Beschluss der EU-Urheberrechtsreform im April diesen Jahres herrscht eine gewisse Unsicherheit, wie sich diese Reform auf das Verhalten der großen Internet-Konzerne, Stichwort: Upload-Filter, auswirken und welche Konsequenzen die Reform im Endeffekt tatsächlich für Nutzer und Kreative mit sich bringen wird. Ist das freie Internet, wie manche bereits sagen, nun verloren?
Dennis Contino: Zunächst ist voranzustellen, dass die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit haben, um die neuen Regeln in ihr nationales Recht umzusetzen. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie wird es vorrangig darum gehen, die Meinungsfreiheit sicherzustellen und die Nutzerrechte zu wahren. Wie das im Einzelnen zu erfolgen hat und welche Auswirkungen dies auf das freie Internet haben wird, bleibt abzuwarten. Der nationale Gesetzgeber steht hier vor einer großen Herausforderung.
Dennis Contino
ist Rechtsanwalt in Groß-Gerau;
ra@d-contino.de