Keine generelle Bettruhe

dalsasso-semler_daniela

Daniela Dalsasso-Semler
ist Rechtsanwältin in Groß-Gerau;

daniela.dalsasso-semler@sds-rechtsanwaelte.de

Die fünf relevanten Aspekte, die im Arbeitsverhältnis für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen sind.

1. Was heißt arbeitsunfähig? Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde. Maßstab ist die vertraglich geschuldete Leistung, wie sie der Arbeitgeber ohne die Arbeitsunfähigkeit als vertragsgemäß annehmen muss. Als Beleg für die Erkrankung dient i.d.R. die sogenannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – umgangssprachlich der „gelbe Schein“. 

2. Wann muss die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegen? Nach der gesetzlichen Regelung des § 5 Entgeltfortzahlungsgesetzes ist spätestens am 4. Kalendertag (nicht: Arbeitstag!) der Erkrankung eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber vorzulegen. Achtung: Der Arbeitgeber ist aber grundsätzlich berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an zu verlangen. Hierzu bedarf er weder einer Begründung noch eines sachlichen Grundes oder gar besonderer Verdachtsmomente auf Vortäuschung einer Erkrankung in der Vergangenheit. Dieses Verlangen des Arbeitgebers darf aber nicht schikanös oder willkürlich sein und weder gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, noch gegen Diskriminierungsverbote verstoßen.

3. Muss der Arbeitnehmer „das Bett hüten“? Krank ist nicht gleich krank, so dass mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine generelle Bettruhe oder gar ein Verbot verbunden ist, das Haus zu verlassen (es sei denn, dies wäre ärztlich angeraten). So mag vielleicht ein gebrochener Arm eine Arbeitsunfähigkeit begründen, führt jedoch nicht unweigerlich zur Bettruhe. Der Arbeitnehmer darf allen Tätigkeiten nachgehen, die seiner Genesung nicht entgegenstehen.

4. Darf der Arbeitnehmer vor Ablauf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Arbeit erscheinen? Ja. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bezeichnet lediglich die prognostizierte voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Fühlt sich der Arbeitnehmer bereits vor Ablauf des in der Bescheinigung genannten Termins wieder in der Lage zu arbeiten, so darf er dies tun. Der Versicherungsschutz entfällt – entgegen dem weitverbreiteten Irrglauben – insoweit nicht. Aufgrund seiner generellen, dem Arbeitnehmer gegenüber obliegenden Rücksichtnahmepflicht ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, den Arbeitnehmer nach Hause zu schicken, sofern er von dessen Leistungsvermögen nicht überzeugt ist.

5. Hat der Arbeitgeber trotz Arbeitsunfähigkeit ein Weisungsrecht? Grundsätzlich hat der Arbeitgeber während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kein Weisungsrecht, soweit es Pflichten betrifft, von deren Erfüllung der Arbeitnehmer krankheitsbedingt befreit ist, wie zum Beispiel von der Arbeitspflicht. Daneben gibt es Neben- sowie Rücksichtnahme-, Geheimhaltungs- und Überlassungspflichten, welche von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unberührt bleiben. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird in diesem Fall allerdings durch die auch ihn treffenden Rücksichtnahmepflichten (s.o.) begrenzt. 

Diese gebieten es, u.a. zwecks Vermeidung einer Genesungsbeeinträchtigung die Erteilung von Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken und sich bezüglich der Art und Weise, der Häufigkeit und der Dauer der Inanspruchnahme am wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers zu orientieren. Ist kein derartiger Anlass gegeben, hat der Arbeitgeber jegliche Weisung während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu unterlassen. 

Gibt es hingegen einen Anlass, so kann der Arbeitgeber u.U. ein kurzes (vorrangig telefonisches) Personalgespräch führen (z.B. wenn der Arbeitnehmer über Informationen zu wichtigen betrieblichen Abläufen/ Vorgängen verfügt, ohne deren Weitergabe die Fortführung der Geschäfte erheblich erschwert oder gar unmöglich würde). 

Nur in absoluten Ausnahmefällen und bei dringenden betrieblichen Gründen kann der Arbeitgeber die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers zum Gespräch im Betrieb verlangen. Widersetzt sich der Arbeitnehmer einer zulässigen Weisung, besteht die Gefahr der Arbeitsverweigerung, welche mit einer Abmahnung bis hin zur Kündigung sanktioniert werden kann.

Das könnte Dich auch interessieren …