Kreativ während Corona

Von Ralf Schwob.

Schreiben heißt immer Lockdown. Wer ernsthaft literarische Texte verfasst (oder es zumindest versucht, denn literarisches Schreiben ist immer ein ergebnisoffener Prozess), befindet sich im Schreibprozess auch ohne Corona jedes Mal in einem Lockdown. Ja, es herrscht Ausgangssperre und Quarantäne, wenn ein Text entsteht. Insofern behindern Kontaktverbote, Ausgangsregulierung und „social distancing“ nicht unbedingt die Textproduktion, sie befördern sie zuweilen sogar.

Schreiben ist im Kern Arbeit mit Sprache. Es ist immer die Sprache, die sich ein Autor mühsam erarbeiten muss und nicht die durch die Sprache beschriebenen Inhalte. Inhalte, also Ideen, gibt es zuhauf. Diese sprachlich in eine Erzählung, einen Roman zu bringen, der dann beim Leser Bilder im Kopf entstehen lässt, ist die eigentliche Aufgabe eines Autors. Und die Arbeit am Text ist immer eine Arbeit, die Ruhe und ein bestimmtes Maß an Abgeschiedenheit verlangt.

In diesem Sinne, könnte man meinen, wären also die Corona-Beschränkungen halb so schlimm für einen Autor im Schreibprozess, wenn da nicht noch die andere Seite der Autorenschaft wäre, die darin besteht, dass das Geschriebene auch vermarktet werden muss, wenn man denn damit ein paar Euro verdienen will. Und hier hat die Coronakrise geradezu bedrohliche Auswirkungen, denn die Buchpräsentation durch Lesungen entfiel im Frühjahr 2020 gänzlich und ist auch heute nur in „abgespeckter“ Form möglich.

Und selbst wenn ein geeigneter Rahmen vom Veranstalter für eine Lesung gefunden wurde, geschieht alles immer unter dem Vorbehalt, dass nicht doch kurz vorher die Infektionszahlen steigen oder ein Hotspot in der Nähe der avisierten Lesung ausbricht. Autorinnen und Autoren sind in dieser Hinsicht Teil der kulturellen Veranstaltungsszene, die im laufenden Jahr schwer gebeutelt und nachhaltig beschädigt wurde. Kulturarbeit ist Arbeit, die auch in normalen Zeiten eher mäßig bezahlt und alimentiert wird, unter Corona aber oft nur noch reine Selbstausbeutung bedeutet.

Die Verlegung von Lesungen in den digitalen Raum ist eine Möglichkeit, die viele Autoren nutzen, aber das kann Live-Lesungen keinesfalls ersetzen. Als ich am 29. August dieses Jahres zum ersten Mal wieder (seit März) im Hof des Darmstädter Hoffart-Theaters vor Publikum lesen konnte, war das ein ganz besonderes Erlebnis. Auch die Groß Gerauer Nacht der Autorinnen und Autoren im Stadtmuseum Anfang September war ermutigend. In den kommenden Monaten bin ich für Lesungen in Darmstadt, Mainz, Gernsheim und Riedstadt gebucht und hoffe, dass alle diese Veranstaltungen auch stattfinden können und wir alle gesund bleiben.

Ralf Schwob
ist Schriftsteller aus Groß-Gerau;
ralfschwob@gmx.de

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