Kunst zum Fingerlecken

Von Ulf Krone.

Wo früher Karl Menne in der Frankfurter Straße im Herzen der Kreisstadt Kuchen für die Gäste seines Cafés buk (siehe auch WIR 245, Neumanns Bilderkiste), wohnt heute Ruth Klapheck mit ihrem Mann, ihren Kindern und zwei Hunden. Und obwohl zuvor nichts darauf hinzudeuten schien, schlich sich die Konditorei-Kunst auch irgendwann in ihr Leben, ganz so, als ob an diesem Ort ein süßer Geist sein Unwesen treibe. Heute entstehen in ihrer „Torten-Werkstatt“ Kunstwerke, die auf nationalen und internationalen Messen mit Auszeichnungen bedacht werden und eigentlich viel zu schade sind, um sie anzuschneiden. Dabei wird sie tatkräftig von Tochter Hannah unterstützt. WIR-Redakteur Ulf Krone hat bei Ruth Klapheck nachgefragt.

Frau Klapheck, Sie sind keine Konditorin, gestalten aber dennoch Torten, die bei Wettbewerben auf Fachmessen bereits vier Mal Gold gewonnen haben. Wie und wann sind Sie zu diesem Hobby gekommen? Was waren Ihre größten Erfolge?

Ruth Klapheck: Zu dem Hobby, Torten zu dekorieren, bin ich 2014 durch meine Tochter gekommen. Sie kam vor fünf Jahren mit einer bei einer Freundin gebackenen Fondant-Torte nach Hause. Meine Begeisterung war so groß, dass ich zum 18. Geburtstag meines Sohnes auch solch ein Kunstwerk backen wollte. Wenn ich es mir heute Bilder anschaue, muss ich immer wieder lächeln. Wir waren beide nämlich so stolz auf diese Torte, und wenn man die Entwicklung sieht, war sie im Nachhinein eigentlich sehr gruselig anzuschauen. 2015 sind wir dann zusammen zur Cake & Bake Dortmund, der schon zum damaligen Zeitpunkt größten Tortenmesse Deutschlands, gefahren. Und das war ein überwältigendes Erlebnis. Es gab doch allen Ernstes Tortenwettbewerbe, und da ging es nicht ums Backen, was ich ja nicht sonderlich gut konnte, sondern ums Dekorieren. Das war der Grund warum ich heute Showtorten mache. Denn das wollte ich auch können. Also habe ich mich für 2019 bei einem Wettbewerb angemeldet und dort direkt Gold und die Auszeichnung „Beste der Kategorie“ gewonnen. Aber mein größter Erfolg waren zwei andere Auszeichnungen: Einmal der Gewinn von Gold bei der weltgrößten Messe in Birmingham 2017 und im Februar dieses Jahres der Gewinn von Gold und der „Best-in-Show“-Auszeichnung auf der Tortenmesse in Friedrichshafen. Mehr kann man nicht erreichen, und ich bin total glücklich mit den Erfolgen, da man in jedem Wettbewerb gegen sich selber kämpft.

Sind Sie selbst ein Kuchen-Fan, und backen Sie gern?

Ruth Klapheck: Backen gehört überhaupt nicht zu meinen Leidenschaften. Ich koche sehr gerne, backen jedoch ist für mich immer wieder eine Herausforderung. Ich kann es mittlerweile recht gut, sie schmecken, sind individuell gefüllt. Jedoch bin ich immer wieder froh, wenn ich endlich mit dekorieren beginnen kann.

Was ist es dann, das Sie an der Tortenkunst fasziniert? Was ist das Ziel, wenn Sie eine Ihrer Kreationen ausarbeiten?

Ruth Klapheck: Eine für mich schwierig mit einem Satz zu beantwortende Frage. Die Faszination besteht darin, Kunst aus einem Kuchen zu zaubern. Mit Materialien zu arbeiten, die einen jedes Mal aufs Neue vor Herausforderungen stellen. Sich immer wieder neue Techniken auszudenken, Materialien wie Schokolade, Royal icing, Isomalt, Fondant oder Esspapier zu nutzen, um ein schönes Ergebnis zu erzielen. Aber Ich bin immer wieder zufrieden, wenn ich aus einem Stück einfachem Kuchen ein Kunstwerk gezaubert habe. Und mein Ziel ist immer dasselbe: Meine Familie, meine Freunde mit dem Geschenk glücklich zu machen.

Im Internet präsentieren Sie Ihre Kunst unter dem Namen Mrs. Dory & daughter. Was hat es mit dem Namen (der aus dem Film „Findet Nemo“ stammt) auf sich, und welche Rolle spielt Ihre Tochter Hannah dabei?

Ruth Klapheck: Der Name ist eigentlich durch einen Zufall entstanden. Mein Mann sagte immer zu mir, ich sei wie Dory, und ich wusste nie, wer das war. Der Fisch, der alles vergisst. Sehr treffend! Und er hatte recht, ich bin unglaublich vergesslich, und da es mich ausmacht und ich so bin wie ich bin, habe ich zusammen mit meiner Tochter, welche mich ja zu diesem Hobby erst gebracht hat, den Namen ausgesucht. Sowohl auf Facebook als auch auf Instagram findet man mich unter diesem Namen.

Wie entsteht etwa ein Kunstwerk wie Ihre Schneewittchen-Torte? Was steht am Anfang, und wie lange brauchen Sie, bis eine solche Kreation vollendet ist?

Ruth Klapheck: Die Schneewittchen Torte hatte eine lange Entwicklungszeit. Meine Grundidee war, etwas aus einem Märchen zu bauen, welches Märchen war noch nicht sicher. Und dann fängt man an, das Internet nach Inspirationen zu durchsuchen. Verwirft diese wieder, sucht weiter, und irgendwann hat man dann eine Grundidee. Ich gehöre zu den Künstlern, die sich nie Zeichnungen machen, sondern einfach drauf los machen. Und das bedeutet immer: Ich mache meine Arbeit zwei oder auch fünf oder auch zehn Mal. Bis sie dann irgendwann so ist, wie mein Kopf es sich vorstellt. Für Show-Torten, welche von einer Jury bewertet werden, vergehen manchmal drei Monate von der Findung bis zur Fertigstellung.

Sie arbeiten als Verwaltungsangestellte in Frankfurt und haben Familie. Wie bringen Sie das mit der Arbeit an den Torten unter einen Hut? Hat Ihre Familie auch etwas davon?

Ruth Klapheck: Manchmal ist es sehr schwierig alles unter einen Hut zu bringen. Der normale Wahnsinn eben, arbeiten, einkaufen, kochen, Kinder erziehen, Hund in Schach halten und dann, abends, oder besser gesagt: nachts, wird an den Torten gearbeitet. Ich nehme z. B. gerne an Collaborations teil. Das sind Zusammenschlüsse von Torten-Designern auf der ganzen Welt, welche sich in der virtuellen Welt zusammenfinden, um gemeinsam Torten zu einem bestimmten Thema kreieren. Zum Beispiel gegen die Nutzung von Plastik, oder für die Unterstützung von Familien krebskranker Kinder. Solche Torten werden dann als Kunstobjekte versteigert und das Geld gespendet. Und obwohl es so viel Spaß macht, ist genau das die größte Herausforderung. Die Torten müssen zu einem bestimmten Tag fertig sein, und jeder kennt es, Weihnachten kommt auch immer urplötzlich. Also hat man Zeitdruck.

 

www.facebook.com/mrs.dorie

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