Lärmschutz für mehr Lebensqualität

Von Stefan Sauer.

Unsere Augen können wir schließen – unsere Ohren nicht. Lärm aus dem Weg zu gehen ist schon allein deshalb nicht einfach. Ein beständig hoher Geräuschpegel im Lebensumfeld ist ein Risikofaktor für viele körperliche Beschwerden. Dauernde Lärmbelastungen haben aber auch soziale Folgen: Lärm kann zu Schlafstörungen führen, die sich wiederum auf die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz oder in der Schule auswirken.

Als Mitglied in den Parlamentsgruppen Flug- beziehungsweise Bahnlärm im Deutschen Bundestag beschäftigt mich die Lärmbelastung im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet fortlaufend. Vorrangig habe ich bei Beratungen und Diskussionen den Kreis Groß-Gerau im Blick, setze mich für ausgewogene Lösungen ein. Zu bedenken ist, dass Schall als physikalische Größe genau messbar – Lärm jedoch eine höchst individuell empfundene Angelegenheit ist. Es spielt zudem eine Rolle, ob Lärm permanent vorkommt oder ob er nur vorübergehend auf unser Gehör prasselt. Dabei ist es aus meiner Sicht nicht vermittelbar, dass die Belastung durch Lärm nicht gemessen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes „errechnet“ wird.

Es hat mich enttäuscht, dass der Verwaltungsgerichtshof in Kassel (VGH) die so genannte „Südumfliegung“ – eine Abflugroute des Frankfurter Airports – Mitte Februar 2019 als rechtens beurteilt hat. In meiner Amtszeit als Bürgermeister der Kreisstadt Groß-Gerau hatten wir gemeinsam mit Trebur und Nauheim sowie Kommunen in Rheinhessen und einigen Privatleuten eine Klage gegen die Südumfliegung auf den Weg gebracht. Nachdem das VGH die Südumfliegung 2013 als rechtswidrig eingestuft hatte, landete die Sache beim Bundesverwaltungsgericht, dass das VGH-Urteil 2017 aufhob und zurück nach Kassel verwies.
Nicht hoch genug einzuschätzen ist im Zusammenhang mit der Diskussion um die Südumfliegung die Arbeit der Fluglärmkommission Frankfurt, der zahlreiche Landkreise und Kommunen, der Flughafenbetreiber Fraport sowie Vertreter der Bundesvereinigung gegen Fluglärm, von Fluggesellschaften, des Hessischen Industrie und Handelskammertages und weiterer beratender Institutionen angehören. Der Dialog, den dieses Gremium führt, ist konstruktiv und für die Region von großer Bedeutung.

Keine Frage, der Flughafen ist ein zentraler Baustein für den Wohlstand in unserer Region. Nicht allein wegen der über 80.000 direkt am Flughafen angesiedelten Arbeitsplätze, sondern auch als wichtiges Drehkreuz für international agierende Unternehmen und Banken. Und keineswegs vergessen dürfen wir die unzähligen Handwerksbetriebe und Dienstleister, deren Auftragsbücher der Flughafen füllt. Aber genauso wichtig ist es, die im Umfeld des Airports lebenden Menschen vor Lärm zu schützen. Dies insbesondere auch wegen des im Bau befindlichen Terminal 3, durch das sich die Kapazitäten des Flughafens weiter vergrößern werden. Es gilt Kompromisse zu erarbeiten, die für alle Beteiligten tragbar sind. Genau dafür setze ich mich ein. Darüber hinaus ist es mein Ziel, dass Kommunen in anstehende Beratungen zum Verschieben von Flugrouten künftig so früh als möglich eingebunden werden.

Nicht minder problematisch stellen sich die Planungen rund um die Eisenbahn-Neubaustrecke Rhein/Main – Rhein/Neckar, die derzeit als zweigleisige Strecke im Mischverkehr (tagsüber Schienenpersonenfernverkehr/nachts Schienengüterverkehr) vorgesehen ist. Ziel des Ausbaus ist es, über ausreichend Kapazitäten für den zunehmenden Güterverkehr zu verfügen, ein Verdichten des Personenfern- und -nahverkehrs sowie ein Verkürzen der Fahrzeiten – insbesondere zwischen Frankfurt und Mannheim – zu ermöglichen. Es ist damit zu rechnen, dass der Güterverkehr auf der Schiene in den nächsten Jahren stark zunimmt. Im Vergleich mit 2010 wird bis zum Jahr 2030 ein An-steigen der Transportleistung im Güterverkehr um 38 Prozent prognostiziert. Ein besonderes Augenmerk habe ich in diesem Zusammenhang auf die Kreiskommunen Gernsheim, Stockstadt, Riedstadt, Groß-Gerau, Büttelborn, Nauheim und Bischofsheim, die von den derzeitigen Trassenplänen tangiert sind.

Wir in der Parlamentsgruppe „Bahnlärm“ fordern, dass Züge leiser werden, insbesondere im Güterverkehr. Denn nur eine leisere Bahn kann Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Der Zuwachs im Güterverkehr auf der Schiene darf keinesfalls zu einer stärkeren Lärm-belastung für die Anwohner führen. Die WHO-Richtwerte zum Gesundheitsschutz sind einzuhalten. Ferner sind für Lärm, Erschütterungen und Feinstaub verbindliche Grenzwerte gesetzlich festzulegen und zu überwachen.

Unser Ziel ist es, dass der Lärmschutz auf den Bestandsstrecken „unter Vollast“ und unter Einbeziehung des Umgebungslärms bewertet wird. Zudem gilt es auf den Bestands-strecken wie auf der Neubaustrecke den maximalen Lärmschutz für die Region sicherzustellen. Ergänzend wollen wir erreichen, dass die bestehenden Bahnstrecken ab einem vom Bundestag noch festzulegenden „Verkehrszuwachs“ wie Neubaustrecken betrachtet werden und damit einhergehend die gleichen Ansprüche an den Lärmschutz der Bürger erfüllen. Darüber hinaus unterstütze ich gerne die gemeinschaftliche Forderung von politischen Vertretern aus der Region, die eine viergleisige „Maximalvariante“, unabhängig von den Vorgaben des Bundesverkehrswegeplans, untersucht wissen und einen regionalen Projektbeirat installiert sehen wollen.

Ich fasse zusammen: Grundsätzlich profitieren die Rhein-Main-Region und somit auch der Kreis Groß-Gerau von der Leistungskraft optimaler Verkehrsanbindungen wie sie der Frankfurter Flughafen und die Pläne der Deutschen Bahn mit sich bringen. Zugleich gilt es jedoch bei allen Diskussionen rund um anstehende Veränderungen ein verstärktes Augenmerk auf die Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere deren Bedarf an Ruhe, zu legen und sich stetig für den Erhalt der Lebensqualität in der Region einzusetzen.


Stefan Sauer
ist ehemaliger Bürgermeister der Kreisstadt und Bundestagsabgeordneter für die CDU;
stefan.sauer@bundestag.de

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