Lärmschutz ohne Kirchturmdenken
Von Andreas Rotzinger.
Den Büttelbornern droht durch mehr Bahnverkehr viel mehr Lärm. Aus Stellungnahmen und Einwänden der Bevölkerung beim Eisenbahn-Bundesamt wird bis Mitte des Jahres ein Lärmaktionsplan (Teil A/B) entwickelt, um Bewohner an Haupteisenbahnstrecken zu schützen. Der Büttelborner Bürgermeister Andreas Rotzinger (CDU) erklärt in einem Beitrag für das WIR-Magazin, worum es geht, was er fordert und erwartet.
Menschen, Gesellschaften und somit auch Märkte verändern sich. Kauften unsere Eltern und Großeltern all das, was sie zum Leben benötigten, noch vor Ort oder in der Region ein, verschlägt es einem die Sprache, wenn man sich eine Karte mit weltweiten Warenströmen betrachtet. Täglich landen Containerschiffe aus Fernost und aller Herren Länder mit ihren Waren irgendwo in Europa. Weiter geht es mit dem Schiff, dem Lkw – oder eben der Bahn.
So ist es nicht verwunderlich, wenn die Deutsche Bahn AG mit einem massiven Anstieg des Güterverkehrs in den nächsten Jahren rechnet. Um die beiden Nord-Süd-Verbindungen – Riedbahn und Rhein-Neckar-Bahn – in den Nachtstunden zu entlasten, will die Bahn AG den Güterverkehr auf die neue, geplante ICE-Strecke lenken.
Büttelborn besonders betroffen
Wie die Bahnstrecke Mainz-Darmstadt an die geplante ICE-Strecke angebunden werden soll, ist noch offen. Klar ist aber, dass Büttelborn bei allen im Raum stehenden Varianten in besonderer Weise in Mitleidenschaft gezogen wird. Was für die Bürger am verträglichsten ist, müssen die Raumplanungs- und Lärmspezialisten der Bahn AG aufzeigen. Es kann nicht Aufgabe der politischen Gremien oder gar der Bevölkerung sein, sich auf eine Variante festzulegen. Fehlendes Fachwissen sowie ungesundes Halbwissen dieser sehr komplexen Aufgabenstellung können nur zu unbefriedigenden Ergebnissen sowie zu einem wenig zielführendem Kirchturmdenken führen.
Ganz wichtig für die Bewertung diskutierter Varianten ist die Forderung: „Ein Minimum von Lärmbetroffenen sollte ein Maximum an Lärmschutz erhalten“ – und dies losgelöst, ob es sich um eine Neubau- oder Bestandstrecke handelt oder wie hoch die Kosten sind. Wenn hierfür die Rechtslage geändert werden muss, ist dies Aufgabe der gewählten Volksvertreter.
Ein vermeintlicher, technischer Fortschritt darf nicht zu Lasten der Betroffenen und der Umwelt ausgetragen werden. Vor allem nicht in einer Region, die durch Bahn-, Autobahn- und Fluglärm bereits in besonderer Weise belastet wird. In welchem Umfang sich das Betriebsverbot lauter Güterwagen bewegt (Schienenlärmschutzgesetz), bedarf an allen Bahnstrecken analog des Flugverkehrs eines Monitorings. Das vom Eisenbahnbundesamt am 3.Februar 2017 auf den Weg gebrachte Messstellennetz kann nur ein Anfang sein.
Welcher Lärmschutz ist möglich?
Um den Lärm des Schienenverkehrs bis 2020 zu halbieren, sind Lärmminderungsmaßnahmen am Fahrzeug nötig – wie bei der sogenannten „Flüsterbremse“ bei Güterzügen. Ebenso gehören Geschwindigkeitsreduzierungen und Lärmschutzmaßnahmen wie Schallschutzwände, Gabionen, Trog- sowie Tunnellösungen, Schallschutzfester und Dämmlüfter etc. dazu.
Der Erfolg dieses Vorhabens für die Bahn AG wird sich an Art und Umfang der Beteiligung messen lassen. Diskussionen auf Augenhöhe im Rahmen eines Projektbeirates waren in Baden-Württemberg der Schlüssel zum Erfolg, als es darum ging, das Schienenwegekonzept dort festzulegen. Diesen von den Bürgermeistern der Region bereits 2016 geforderten Beirat, gilt es zeitnah zu etablieren.
Aufgezeichnet von Rainer Beutel
Zur Person: Andreas Rotzinger (CDU) ist seit 2013 Bürgermeister der Gemeinde Büttelborn. Er wurde am 20. September 1958 in Waldshut-Tiengen, Baden-Württemberg, geboren. Vor seiner Amtszeit war er in der IT-Branche tätig. Mit seiner Familie wohnt er seit einem Vierteljahrhundert in Büttelborn.