Massenbetrug statt Hilfe

Von Jörg Cezanne.

Seit Bekanntwerden des Abgasbetrugs bei Dieselmotoren hält die Bundesregierung schützend ihre Hand über die Autoindustrie. Statt den Verfehlungen in Industrie und Behörden schonungslos nachzugehen und Konsequenzen zu ziehen, betreibt sie „Aufklärung“ mit angezogener Handbremse. Sie wird damit faktisch zur Komplizin des Massenbetrugs der Autoindustrie an deren Kund*innen. Zudem ist die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickoxide im wahrsten Wortsinn Gift für die Luftqualität in Städten und Gemeinden und schädigt die Gesundheit Tausender Menschen.

Es war die Deutsche Umwelthilfe, die aufgrund der Untätigkeit der deutschen Bundesregierung Klage in mehreren deutschen Kommunen eingereicht hat. In Folge dessen wurden in Berlin, Düsseldorf, Stuttgart und Frankfurt am Main Fahrverbote für Dieselfahrzeuge angeordnet, Gießen könnte noch folgen. Also sind auch viele Pendler aus der Rhein-Main-Region betroffen, die zur Arbeit mit dem Auto fahren. Für deren Unmut habe ich volles Verständnis.

An einer wirksamen technischen Nachrüstung der Dieselautos auf Kosten der Autohersteller führt kein Weg vorbei. Die von den Autokonzernen angebotenen Softwareupdates lösen das Problem nicht. Messungen von Umweltverbänden haben gezeigt, dass die Abgasreinigung auch mit der neuen Software nicht funktioniert. Durch den nachträglichen Einbau sogenannter SCR-Katalysatoren kann der Stickstoffausstoß der Dieselmotoren, wie der ADAC gezeigt hat, um bis zu 90 Prozent gesenkt werden. Besonders bezeichnend: In den USA verkaufen VW, Daimler und BMW ausschließlich Autos, deren Stickoxidausstoß durch eine solche Technik weit unter den Werten der in Deutschland verkauften gleichen Modelle liegt.

Die Bundesregierung versucht jetzt, das Problem einfach weg zu beschließen. Statt dafür zu sorgen, dass der Schadstoffausstoß der Motoren gesenkt wird, wird der Grenzwert aufgeweicht. Statt der festgelegten 40 Mikrogramm soll nach einer Novellierung des Immissionsschutzgesetzes jetzt eine Stickoxidbelastung in der Luft von 50 Mikrogramm unschädlich sein und nicht zu einem Fahrverbot führen. Dies verstößt jedoch klar gegen bestehendes Recht und würde bei einer Klage vor Gericht keinen Bestand haben.

Außerdem müssen die Hersteller für ihren Betrug zur Rechenschaft gezogen werden. Die EU-Fahrzeuggenehmigungsverordnung sieht Bußgelder in Höhe von 5.000 Euro pro manipuliertes Fahrzeug vor, die Bundesregierung muss nur endlich Gebrauch davon machen. Mit den erhobenen Bußgeldern könnte in eine Mobilität der Zukunft investiert werden, die ohne fossile und klimaschädliche Kraftstoffe auskommen muss. Der Verbrennungsmotor ist vor allem beim PKW ein Auslaufmodell. Wir brauchen eine echte Verkehrswende, die den öffentlichen Verkehr mit Bussen und Bahnen in den Mittelpunkt stellt. Der Straßengüterverkehr muss auf die umweltfreundliche Bahn oder die Binnenschifffahrt verlagert werden. Dass mit dem Autominister Scheuer eine solch nachhaltige Verkehrspolitik zu machen ist – daran habe ich erhebliche Zweifel.


Jörg Cezanne
ist Bundestagsabgeordneter für die LINKE;
joerg.cezanne@bundestag.de

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