Millionen Deutsche können nicht irren
Von Karl-Heinz Pilz.
Gotthold Ephraim Lessing, Dichter, Kritiker, Lebenskünstler, hatte Heimweh. Und darum schrieb er aus Sachsen einen Brief an seine Stammtischfreunde im Berliner Lokal „Baumannshöhle“: „Ich weiß nicht, was ich darum gäbe, wenn ich mich jetzt in Gesellschaft so rechtschaffener Leute satt lachen und satt trinken könnte – besonders über Dinge, die ich nicht verstehe …“.
Der Stammtisch – seit Jahrhunderten gibt es ihn, und wenn auch aus den Lautsprechern der Musikbox dröhnt „Der beste Platz ist an der Theke“, so sind doch sechs Millionen deutsche Frauen und Männer anderer Meinung.
Für sie ist der tägliche, wöchentliche oder monatliche Stammtisch unersetzbar. Der Theken-Schlucker trennt die Welt von den Stammtischanhängern. Die Theke, das ist ein schnelles Bier, ein schneller Korn, belangloses Erzählen, im Vorübergehen. Der Stammtisch dagegen – das ist Gespräch, Diskussion, Erinnerung und Informationsaustausch. Ein wahrhaft demokratischer Platz.
In Nauheim gab es früher viele kleine Stammtische. Ich hoffe, dass es immer noch so ist. Ein großer Stammtisch, der „Graslitzer Stammtisch“, wurde 1966 und damit vor über 50 Jahren gegründet. Er hatte 30 Mitglieder und besteht immer noch, wenn auch die Mitgliederzahl auf neun Personen geschrumpft ist. Die gleiche Personenzahl hat auch der Nauheimer Stammtisch „Schwarze Sau“, der vor 20 Jahren gegründet wurde.
Der Stammtisch vom großen Freundeskreis bis zur intimen Dreierrunde hat Fernsehen und sonstige Neuerungen überlebt und wird auch hoffentlich, in Zukunft, unsterblich sein.