Neues Leben für eine alte Kapelle

Von Elke Strosche. 

Die Sankt Ulrichs Lesekapelle in Trebur-Geinsheim ist kreisweit einzigartig. In einem alten Kirchengebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es eine Bücherei mit derzeit exakt 4352 Medien, neuerdings und ganz modern mit den sogenannten „Tonies“, die Kinder spielerisch zum Geschichtenhören verführen. Zwölf ehrenamtliche Mitarbeiterinnen kümmern sich um den Büchereibetrieb, an der Spitze die 52 Jahre alte Elke Strosche, die in einem WIR-Interview erläutert, wie und warum das literarische Kleinod seit zwölf Jahren gut funktioniert.

Frau Strosche, erklären Sie bitte, warum es in Trebur-Geinsheim eine Bücherei in einer ehemaligen Kirche gibt?

Elke Strosche: Nach der Einweihung der neuen Pfarrkirche Sankt Ulrich 1966 wurde die alte Kirche ausgesegnet. Viele Jahre war sie an einen Künstler verpachtet, der das Gebäude als Atelier nutzte, später stand sie leer. 2004 war das Gebäude in einem baulich schlechten Zustand. Im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms wurde das Projekt „Erhalt der Katholischen Kapelle mit Zuführung einer würdevollen Nutzung zur kulturellen Bereicherung“ angegangen. Von der Kirche wurde ein Nutzungskonzept entwickelt, das vorsah, die sanierten Räume vorrangig als Bücherei zu nutzen. 2006 konnte die „Katholisch Öffentliche Bücherei Sankt Ulrichs Lesekapelle Geinsheim“ eröffnet werden.

Wie hat vor zwölf Jahren die Bevölkerung auf die Idee reagiert, die alte Kirche auf diese Weise wieder zu nutzen?

Elke Strosche: Ich glaube, sehr positiv. Da es in unserem Ortsteil keine Filiale der Gemeindebücherei gibt – wie in Astheim –, fanden viele eine eigene Bücherei vor Ort als gutes Angebot. Und die älteren Mitbürger, die das Gebäude noch als Kirche kannten, waren erfreut, dass man wieder Zugang hat und sie instand gehalten wird. Die beiden Kirchengemeinden sind schon sehr stolz auf unsere Bücherei. Es wurden und werden ja auch weiterhin viele ehrenamtliche Stunden für die Sanierung, den Erhalt des Gebäudes und beim Betreiben des Büchereibetriebes geleistet. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt, wo Ökumene gelebt wird.

Welche Literatur bieten Sie denn an?

Elke Strosche: Wir führen Medien für alle Altersstufen. Gerade für junge Familien haben wir ein großes Angebot an Bilderbüchern, Bücher für Leseanfänger und Ratgebern. Dann führen wir Jugendbücher, schöne Literatur, Krimis, historische Romane und auch Sachbücher für Kinder und Erwachsene. Außerdem gibt es verschiedene Zeitschriftenreihen und Hörbücher für Kinder und Erwachsene. Ganz neu im Programm bieten wir die Tonies an, ein tolles Hörmedium gerade für die ganz Kleinen ab drei Jahren. Unser Bestand wird jedes Jahr aktualisiert.

Wie entwickelte sich das Ausleihverhalten?

Elke Strosche: In den ersten Jahren pendelte sich die Anzahl der aktiven Leser pro Jahr auf einen Wert zwischen 150 und 180 ein. Aber leider müssen wir in den vergangenen vier Jahren eine sinkende Zahl von Lesern verbuchen. Bei den Entleihungen pro Jahr ist der Trend noch nicht so stark zu merken. Das kann daher rühren, dass auf manchen Leserausweis für andere Familienmitglieder mit ausgeliehen wird. Aber auch hier gibt es einen leichten Rückgang.

Das Ausleihen ist kostenlos, selbst der Leseausweis kostet nichts. Wie finanziert sich das Projekt?

Elke Strosche: Die Kosten für das Gebäude übernehmen die beiden Kirchengemeinden. Der Büchereibetrieb wird durch Spenden finanziert und durch einen Zuschuss der Gemeinde Trebur. Außerdem gibt es einen Grundbetrag des Bischöflichen Ordinariats Mainz, der auf der Grundlage von Ausleihzahlen, Medienbestand und Aktivitäten der Bücherei ermittelt wird. Durch den Verkauf von Medien bei der jährlichen Buchausstellung vor Weihnachten erhalten wir eine Provision, die für eigene Medienbestellungen verwendet wird. Sachspenden wie Bücher und Hör-CDs werden ebenfalls entgegengenommen, wobei wir hier jedoch großen Wert auf Aktualität legen.

Ohne ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ginge es also nicht. Jeder hat ja heutzutage viele private und berufliche Verpflichtungen? Was ist ihre persönliche Motivation, woher nehmen Sie die Zeit?

Elke Strosche: Ich mag Bücher einfach, habe gerne mit Büchern zu tun und lese natürlich auch gerne. Aber Bücher sind auch teuer, dafür dass man sie in der Regel nur einmal liest. Deshalb finde ich eine Bücherei eine sinnvolle Einrichtung. Außerdem ist es mir wichtig, Kinder ans Lesen heranzuführen. Das können wir mit unseren Veranstaltungen für Kinder erreichen. Und ich freue mich, dass wir über das Jahr viele Angebote für Gruppen der Kitas und Klassen der Grundschule sowie Leseabende in der Bücherei anbieten können, die gerne wahrgenommen werden. Aufgrund meiner Berufstätigkeit bin ich nicht während der Ausleihzeiten in der Bücherei tätig. Daher mache ich die Verwaltung und betreue die Software und was sonst noch anliegt. Dazu kann ich mir die Zeiten selbst einteilen, arbeite von zuhause aus und bin auch mal abends oder am Wochenende in der Bücherei.

Gehen Sie mit der Zeit, arbeitet die Lesekapelle digital?

Elke Strosche: Wir pflegen eine Homepage mit Infos zu aktuellen Angeboten und Nachrichten über unsere Aktionen. Außerdem kann man von dort unseren Medienkatalog online einsehen. Darüber hinaus haben unsere Leser auch die Möglichkeit, ihr Leserkonto einzusehen, Medien zu verlängern, vorzumerken oder uns zu schreiben.

Und was könnte die Lesekapelle in den nächsten Jahren dringend gebrauchen?

Elke Strosche: Weitere motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Spaß am Umgang mit Menschen und Büchern haben und auch gerne am PC arbeiten oder Veranstaltungen für Kinder begleiten möchten. Viele der jetzigen Teammitglieder stehen wieder mehr im Berufsleben oder haben andere Verpflichtungen und haben dementsprechend weniger Freizeit. Wir freuen uns also über Leute, die in unserem Team mitmachen wollen.

Aufgezeichnet von Rainer Beutel

 


Elke Strosche
ist 52 Jahre alt und Ansprechpartnerin:
Lesekapelle@kath-kirche-trebur.de

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