Nikolaus steht für das Christliche

Von Rainer Beutel.

Jedes Jahr das Gleiche: Kinder warten auf den Nikolaus und bejubeln den Weihnachtsmann – weil es Geschenke gibt. Der Küster der katholischen Kirchengemeinde St. Jakobus in Nauheim, Ralf Uhlemann, betrachtet dies skeptisch. Wir haben uns bei ihm erkundigt, warum er stattdessen die Bedeutung des Bischofs von Myra hervorhebt, der zwischen 270 und 286 im antiken Patara geboren wurde und am 6. Dezember gestorben ist – laut unterschiedlichen Quellen im Jahre 326, 345, 351 oder 365.

Herr Uhlemann, Sie legen Wert auf eine Unterscheidung zwischen dem Nikolaus, wie ihn Kinder heutzutage kennen, und dem „echten“ Nikolaus, genauer gesagt Nikolaus von Myra. Erklären Sie bitte kurz, um was es geht.

Ralf Uhlemann: Nikolaus von Myra stammte aus gut situiertem Haus und hat einen Großteil seines Vermögens an Arme gespendet. Wir wissen allerdings nicht genau, ob seine Person vielleicht mit anderen historischen Figuren vermischt wird, denn ähnliche Wohltaten sind auch für weitere Bischöfe überliefert. Fest steht, dass er ein Heiliger der Ost-Kirche und der römisch-katholischen Kirche ist.

Was unterscheidet Nikolaus von Myra vom Nikolaus der Neuzeit?

Ralf Uhlemann: Das ist mein Lieblingsthema. Zunächst: Es werden heutzutage zwei Figuren in einen Topf geschmissen – der Nikolaus und der Weihnachtsmann. Der Nikolaus wird, wie wir alle wissen, gewöhnlich als alter Mann mit weißem Rauschebart dargestellt. Er kommt mit einem Sack daher und beschenkt die Kinder. Was dabei verschwiegen wird: Coca-Cola hat die Figur übernommen, ihn rot und weiß gekleidet, weil das zu den Firmenfarben gepasst hat und ihn in den USA als ‚Santa Claus’ in der Werbung eingesetzt. Das ist, wie der Weihnachtsmann, eine reine Fantasiefigur, die werbetechnisch gut ans Jahresende passt. Der echte Heilige Nikolaus hingegen erscheint als Bischofsfigur. Noch weit ins Mittelalter hinein hat der Bischof die Gaben gebracht. Was wir heute an Weihnachten machen, hat unter diesen Gesichtspunkten mit dem christlichen Abendland nichts zu tun. Im Christlichen geht’s um etwas ganz anderes, und dafür steht der Bischof von Myra, der die Armen und die Kinder beschenkte.

Deshalb sind Sie am Nikolaustag schon mehrfach als Bischof von Myra aufgetreten, um Kinder den wahren Nikolaus zu zeigen?

Ralf Uhlemann: Ja, im traditionellen bischöflichen oder priesterlichen Ornat, mit dem Bischofsstab, der letztlich nichts anderes ist als der Stab eines Hirten, mit dessen Krümmung ein Schaf herangezogen werden kann. Somit haben wir den Anklang an Christus, den guten Hirten. Und ich trage natürlich die Bischofsmütze, die Mitra, die wohl jeder kennt.

Ist das Aussehen authentisch und in irgendeiner Weise überliefert?

Ralf Uhlemann: Natürlich wissen wir nicht genau, wie der Bischof von Myra aussah, aber wir kennen die Attribute, die ihm in bildlichen Darstellungen zugeschrieben werden. Dazu gehören die drei goldenen Kugeln, die der Bischof der Überlieferung nach in die Fenster von drei Töchtern geworfen hat, die von ihrem verarmten Vater in der Not verkauft werden sollten. Er wird auch gerne als Bischof auf einem Schiff dargestellt – er ist Schutzpatron der Seefahrer. Von Messgewand, Bischofsstab und Mütze darf man aber ausgehen.

Gerade jetzt wieder, am 6. Dezember, haben Kinder Süßigkeiten und andere Geschenke vom Nikolaus bekommen. Wie stehen Sie dazu?

Ralf Uhlemann: Nun, an sich ist das Schenken ja eine schöne Sache. Als Kind habe ich mich immer riesig darauf gefreut. Aber das Ganze sollte nicht in Maßlosigkeit ausarten. Heutzutage ist das fast schon Konsumterror. Das Kind in der Krippe ist das eigentliche Geschenk an Weihnachten. Das allein ist der Hintergrund des christlichen Schenkens.

Wie können Eltern bei ihren Kindern mehr Bewusstsein für die christliche Botschaft schaffen? Oder ist das nicht mehr nötig?

Ralf Uhlemann: Doch, ich glaube schon, dass es nötig ist. Sie sollten versuchen, dem Werbeterror zu entsagen und sich klar machen, dass es den Geschäften nur um den Umsatz geht. Schenken sollte von Herzen kommen. Nicht nur an Weihnachten, wenn da angeblich der Weihnachtsmann vom Nordpol mit Schlitten und Rentieren auftaucht. Nikolaus von Myra hat aus Liebe zu Christus gehandelt. Wenn ich Kinder beschenke, lege ich demzufolge Wert darauf, dass sie einen Nikolaus aus Schokolade erhalten, der den Bischof von Myra zeigt. Es muss wirklich nicht der mit dem roten Mantel sein. Und im Auftreten imitiere ich schon gar nicht einen bezahlten Nikolaus, der nur schnell die Geschenke ausgibt, weil ihn die vielen Kinder nerven. Das ist Konsumzwang, das ist nur noch Habenwollen. Kinder sollten verstehen, dass es um das Erscheinen Gottes Sohnes in der Welt geht und nicht um massenweise Geschenke, weil gerade mal im Dezember dafür Zeit ist.

Wie geht ihre katholische Kirchengemeinde St. Jakobus mit dem Thema um?

Ralf Uhlemann: Wir führen in der Ökumene jedes Jahr ein Art Nikolausspiel auf – aus christlicher Sicht mit dem Bischof von Myra versteht sich. Und ganz bewusst mit der evangelischen Kirchengemeinde zusammen. Auch da geht es darum, bei Kindern Bewusstsein zu schaffen. Ich sage es mal deutlich: Würden alle von Pegida, die immer ‚christliches Abendland’ schreien, zu Tausenden in die Kirche gehen, hätten wir all die Probleme nicht.

Weniger als Bischof von Myra, aber als Küster haben Sie in der Adventszeit viel zu tun: Haben Sie da noch Zeit und Lust auf Besinnung?

Ralf Uhlemann: Ich gebe zu, das ist schon manchmal schwierig. Klar muss ich als Küster gerade in der Advents- und Weihnachtszeit viel erledigen. Dann hole ich mir die Besinnung eben zu anderen Zeiten, zum Beispiel, wenn die Kirche sich nach einer Messe wieder geleert hat und ich ganz allein in Gottes Haus bin. Allerdings komme ich auch durch die ganzen Vorbereitungen in Festtagsstimmung.


Zur Person: Ralf Uhlemann ist 47 Jahre alt, in Frankfurt-Sachsenhausen geboren und Nauheimer Gemeindevertreter (CDU). Mehrere Jahre war er Vorsitzender des örtlichen Vereinsrings. Küster in der Kirchengemeinde St. Jakobus ist er seit dem 1. November 1987.
rhu0705@gmail.com

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