Partnerschaft mit der Dritten Welt

Von Walter Keber.

Mit Unterstützung der Kreissparkasse Groß-Gerau ist 2007 das Buch „Gesichter & Geschichten aus dem Kreis Groß-Gerau“ im Welzenbach Verlag erschienen (263 Seiten, 19,80 Euro). Es enthält 123 Porträts, verfasst von dem Journalisten Walter Keber (wkeber@t-online.de). Mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor druckt das WIR-Magazin diesmal einen Beitrag, der über ­Wolfgang Köhler, Dornheim, verfasst wurde.

„Ich habe das nie so konsequent getrennt – ich bin hier nur der Gemeindepfarrer, denn ich bin eben auch Bürger, und ich lebe mit den Menschen.“ So bringt der langjährige evangelische Pfarrer Dornheims, Wolfgang Köhler, im Ruhestand seinen Amtsstil auf den Punkt. Genau das erklärt am besten die große Beliebtheit des Pfarrers. Sein unkompliziertes Verhältnis zur Einwohnerschaft über mehr als drei Jahrzehnte beschreibt er so: „Was für sie wichtig ist, ist für mich auch wichtig. Im gesellschaftlichen und öffentlichen Leben des Dorfes war ich zu Hause.“ Der auch im Unruhestand in Dornheim Lebende macht beeindruckend klar, dass dies für ihn als engagierten Christen grundsätzliche Bedeutung hat: „Ein Pfarrer, der einen menschenfreundlichen Gott zu verkünden hat, der sollte auch selbst menschenfreundlich sein.“

Der am 13. August 1940 im niederrheinischen Orsoy Geborene kam über den zweiten Bildungsweg auf die Kanzel. Zunächst lernte er Großhandelskaufmann, stellte dann aber fest, dass er lieber doch nicht Zeit seines Lebens an einen Schreibtisch gefesselt bleiben wollte. In einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, hatte er zunächst eine missionstheologische Ausbildung begonnen, die ihn in den Sechzigerjahren nach Darmstadt führte. Weil aber die evangelische Kirche seinerzeit Pfarrer suchte, erweiterte er seine Ausbildung, studierte später zusätzlich noch in Mainz – manchmal berufsbegleitend – und arbeitete unter anderem von 1967 an drei Jahre in einer Gemeinde in Rüsselsheim. 1973 trat er als Pfarrer in Dornheim an. Auch wenn dem jungen Mann anfänglich Skepsis entgegenschlug, wurde er schnell ob seines großen Einsatzes, vor allem aber wegen der Art und Weise, wie er auf die Menschen zuging, akzeptiert. Köhler kam sowohl mit etwas konservativeren Gruppen als auch mit den Progressiven aus, und er lobt die Aufgeschlossenheit der Dornheimer. Zudem habe es damals auch großen Zuzug von Neubürgern gegeben.

Schnell kam auf Wolfgang Köhler ein erster, nicht einfacher Höhepunkt seiner Gemeindearbeit zu: die Neugestaltung der Kirche an der Ortsdurchfahrt der B 44. Dabei ging es nicht nur um eine Renovierung, sondern um die konzeptionelle Entscheidung für eine multifunktionale Verwendung des Gotteshauses, denn die Gemeinde hatte bis dahin kein eigenes Gemeindezentrum. Erste Diskussionen, manchmal auch sehr kontrovers, begannen um 1975. Schließlich wurde die Dornheimer Kirche völlig neu gestaltet, ohne herkömmliche Bänke, sondern mit Stühlen, was vielfältige Nutzung erlaubte, nicht nur für Gottesdienste, sondern auch für Versammlungen und Konzerte. Durch einen intensiven und offenen Diskussionsprozess gelang es Köhler Zweifler zu überzeugen, von denen einige anfangs gar befürchtet hatten, er werde die Kirche kaputtmachen. Bei der Einweihung 1980 habe es nur Gewinner und große Übereinstimmung gegeben. Wichtig für solch grundlegende Weichenstellungen sei: „Man muss die Menschen dabei mitnehmen.“ Genau das war in Dornheim offensichtlich gelungen.
„In Dornheim hatte ich ein ganz tolles Betätigungsfeld“, lobt Wolfgang Köhler, der mit Erreichen der Altersgrenze am 31. August 2005 in den Ruhestand schied. Er hatte klassische Gemeindearbeit ebenso geleistet wie Jugendarbeit, war darüber hinaus auf vielen anderen Feldern tätig und konnte dafür Menschen begeistern. Da war zum einen das frühe Interesse an der Dritten Welt, basierend auf seinen eigenen missionarischen Wurzeln. So gab er 1980 entscheidenden Anstoß zur Gründung des Vereins „Partnerschaft Dritte Welt e.V. Dornheim“. Hier fanden sich Aktive zusammen, die es nicht nur bei Worten belassen wollten. Zum einen wurden Kommunen wie Groß-Gerau und Büttelborn gewonnen, alljährlich so etwas wie entwicklungspolitische Hilfestellung auf kommunaler Ebene zu leisten, im Falle der Kreisstadt etwa 0,1 Prozent des Verwaltungshaushalts gezielt in Drittwelt-Ländern einzusetzen. Gefördert wurden so in Kenia eine Klinik in Malindi und das Behindertenzentrum Bombolulu bei Mombasa. Viele Gruppen engagierten sich darüber hinaus beispielsweise für fairen Handel wozu im Partnerschaftsladen in Dornheims alter Schule Produkte aus Entwicklungsländern verkauft wurden, oder Schüler förderten eine Schule in Afrika. All dies diente letztlich der Hilfe zur Selbsthilfe. Außerdem sollte die breite Öffentlichkeit für Sorgen und Nöte der Menschen in armen Ländern sensibilisiert und über soziale Ungerechtigkeiten informiert werden. Köhler, bis heute Vorsitzender des Partnerschaftsvereins, kommentiert das so: „Das alles ist eine Überzeugung, die ich auch gelebt habe.“ Dafür habe er auch persönlich Freizeit und Geld aufgewendet. Vor allem stand der Pfarrer immer mit seinem guten Namen und seinem Engagement auch als Garant dafür, dass die Hilfe bei den Betroffenen vor Ort ankam.

Ein weiterer Schwerpunkt, in bester Tradition der evangelischen Kirche, war für ihn die Musik, die nicht nur bei Gottesdiensten große Bedeutung hat. Diese Aufgeschlossenheit Köhlers bescherte Dornheim ein musikalisches Niveau, das für eine Gemeinde dieser Größenordnung ungewöhnlich ist. Schon 1975 war er Mitgründer des Kirchenchores. Von Kindesbeinen an mit Musizieren und mehreren Instrumenten vertraut, konnte er schon mal einspringen, wenn beispielsweise kurzfristig ein Organist ausfiel. Wegen alledem freute er sich denn auch besonders, dass die Kirchengemeinde sich im Jahr 2000 entschloss, eine neue Orgel anzuschaffen.

Wolfgang Köhler war in Dornheims örtlichem Leben immer eine feste Größe. Das galt beispielsweise für die Vereine, mit denen eng zusammengearbeitet wurde, etwa bei Terminabsprachen und Programmangeboten, oder wenn Wolfgang Köhler beim heimatkundlichen Füllimbs-Fest als Redner im Mönchsgewand auftrat oder an Fastnacht in die Bütt ging. Besonders am Herzen lag ihm auch das Thema Ökumene, eng war die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirchengemeinde. Das sei auch keineswegs aufgesetzt gewesen. „Die Mitglieder beider Gemeinden haben uns regelrecht dazu aufgefordert“, freut er sich.
Die Dornheimer erkannten auch immer an: Köhlers Einsatz war enorm. Er selbst hat dafür augenzwinkernd eine mögliche Erklärung: „Als einer, der über den zweiten Bildungsweg gekommen ist, glaubte ich manchmal, besonders fleißig sein zu müssen“, und er fügt hinzu: „Die Zeit wurde mir nie lang“.

 

Zur Person: Wolfgang Köhler, 1940 geboren in Orsoy, nach der Schule Großhandelskaufmann, dann eine missionstheologische Ausbildung, schließlich weitere Ausbildungsgänge zum evangelischen Gemeindepfarrer 1967 in Rüsselsheim 1973 Gemeindepfarrer in Dornheim 1980 Gründung des Vereins „Partnerschaft Dritte Welt“ und Übernahme des Vorsitzes Besonders engagiert noch in der Kirchenmusik und in der Ökumene 2005 in den Ruhestand gewechselt.

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