Plötzlich ist alles Politik
![]() | Britta Röder ist Romanautorin aus Riedstadt und Mitglied im Kulturstammtisch GG; britta-roeder@gmx.de |
Von Britta Röder
„Hallo, lange nichts von dir gehört. Alles okay bei dir?“ Eine weniger gute Freundin als Kerstin würde mich jetzt vorwurfsvoll fragen, warum ich mich so lange nicht bei ihr gemeldet habe. Doch Kerstin klingt besorgt.
Daran erkenne ich sofort, was ich an ihr habe. „Ach ja“, druckse ich herum. „Mir geht‘s schon gut.“ „Aber?“, legt Kerstin nach. „Es ist nur so“, beginne ich und weiß in diesem Moment gar nicht, wie ich meine Stimmung in Worte packen soll. Das unbeschwerte Plaudern über die kleinen Dinge des Alltags will mir derzeit nicht gelingen. Zum Glück kennt mich Kerstin, und als echte Seelenverwandte spricht sie deutlich aus, was bei mir nur ein vages Gefühl ist. „Dich ziehen die ganzen schlechten Nachrichten runter, nicht wahr?“
„Wie sollte auch nicht?“, antworte ich. Dabei geht es mir gar nicht um den täglichen Horror in den Nachrichten. Den ist man ja fast schon gewohnt. Auch wenn zurzeit wirklich alles noch bedrohlicher klingt als sonst. Was mich im Grunde noch mehr beschäftigt, ist die Frage, wie ich damit umgehen soll. Politik war nie ein Thema für mich. Doch auf einmal ist alles um mich herum Politik. Einerseits spüre ich, dass es wichtiger denn je ist, Haltung zu bewahren. Werte zu verteidigen. Aber andererseits kann jede Meinungsäußerung auf einmal zum Prüfstein selbst langjähriger Freundschaften werden. Mein diplomatisches Geschick wird aktuell häufiger auf die Probe gestellt, als mir lieb ist. Gerade jetzt ist es wichtig, Missverständnisse zu vermeiden, Türen der Gesprächsbereitschaft offen zu halten. Hinzu kommt das Gefühl, als öffentlich Schreibende erst recht eine Verantwortung zu haben. Bin ich nicht unglaubwürdig, wenn ich in meinen Texten ignoriere, was mich so heftig bewegt? Wie kann ich da eine Kolumne wie ‚Zwischen den Zeilen‘ fortsetzen, in der es nur um kleine Alltagsgeschichten geht? Ist das nicht zu still? Zu wenig wichtig?
Kerstin lacht. „Also erstens nimmst du dich selbst zu wichtig“, sagt meine herzensgute Freundin und gibt mir so den Boden unter den Füßen zurück, der mir gefehlt hat. „Und zweitens ist gerade das Alltägliche das Wichtigste. Das weißt du selbst. Warum sonst hast du deine Kolumne ‚Zwischen den Zeilen‘ genannt? Laute Schlagzeilen gibt es genug. Aber die kleinen Dinge sind es doch, die alles zusammenhalten, oder?“