Rentner-Stress und Grie Soß

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Von W. Christian Schmitt

Mit der Reihe „Tischgespräche“ gibt das WIR-Magazin seinen Lesern Gelegenheit, ganz nah am Geschehen mit dabei zu sein. Wir sind jeweils eingeladen von bekannten Personen und erfahren, wie sie denken, entscheiden, privat sich darstellen. Diesmal hat uns Groß-Geraus Alt-Bürgermeister Helmut Kinkel in sein Dornheimer Domizil eingeladen.

Helmut Kinkel? Den kennt doch jeder! Der Eine vielleicht etwas mehr, der Andere etwas weniger. Die Einen mögen ihn noch immer und erinnern sich an seine Zeit als Kreisstadt-Bürgermeister. Die Anderen etwas weniger, weil er – in ihren Augen – dies oder jenes „nicht richtig“ gemacht habe. Auch das WIR-Magazin kennt etliche „Seiten“ von Helmut Kinkel – und schätzt ihn gerade deshalb. Schließlich avancierte das WIR-Magazin in Kinkels Anfangsjahren als Stadtoberhaupt (als wir Monat für Monat in unserem Magazin eine vierseitige „Baustellen-Zeitung“ integrierten, in der die Bürger alles Wichtige über Behinderungen während der Kanal-Arbeiten mitten im Zentrum erfuhren) fast schon zu einer Art „Amtsblatt“.

Doch jetzt sind wir in der Gegenwart und in der Heißfeldstraße angekommen. Einmal mehr stauen wir beim Anblick der über 160 Exponate umfassenden Ikonen-Sammlung, die einem Museum gut zu Gesicht stehen würde und an der kein Besucher vorbei kann. Warum nun diese abermalige Visite bei einem Kommunalpolitiker, der durch seine vielfältigen Aktivitäten unserer Kreisstadt seinen Stempel aufgedrückt hat? Weil es noch so vieles über Helmut Kinkel zu sagen gibt. Wenn wir durch seine Privaträume geführt werden, fallen viele Dinge auf. Zum Beispiel: das hochherrschaftlich anmutende Mobiliar; die Engel und Putten an den Wänden; die Büsten, Statuen, Fresken und Wandteller; die Bücherwand, die auf einen Vielleser schließen lässt (nicht zu vergessen die diversen Bibel-Ausgaben); die gerahmten Urkunden und Dokumente; der Schaukasten mit den mehr als zwei Dutzend Orden und Auszeichnungen. Und noch gar nicht geredet von den Schätzen im Keller-/Barbereich, die jeden Heimatkundler in Verzückung geraten lassen könnte, wo also eine Vielzahl von Handwerks- und Bauerngerätschaften der Altvorderen versammelt ist.

Sehen, hören, staunen. Wir geben es zu, wir – der Kollege Werner Wabnitz und ich – sind beeindruckt. Dabei hat unser Tischgespräch – sieht man vom Begrüßungssekt einmal ab – noch nicht recht begonnen. Grie Soß gibt es, hat Helmut Kinkel schon beim Vorgespräch erzählt. Aber Grie Soß à la Kinkel. Wie das? Normal seien sieben Kräuter dazu notwendig, sage die Regel; aber hier in der Heißfeldstraße biete man Grie Soß mit zehn Kräutern, einige davon aus dem eigenen Garten. Wow!

Und was macht Helmut Kinkel noch in seinem „Pensionärs-Dasein“, außer gärtnern? Nach seiner nun schon fast zehn Jahren zurückliegenden Bürgermeisterzeit hat er im Grunde weitergemacht fast wie bisher. Die Zahl seiner Ämter und Engagements hat kaum abgenommen. Als Abgeordneter in der Regionalversammlung Südhessen (bis Okt. 2011) oder im Verwaltungsrat der Kreissparkasse (bis 2011), ob es im Kreistag als Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER – Bürgerliste ist, bei den Freien Wählern Hessen und vor allem im Bereich der Schuleltern-Beiräte.  „Ich weiß auch nicht“, sagt er scherzhaft, „wie ich dazu gekommen bin“. Tatsache ist jedoch, dass er mittlerweile im Landeselternbeirat Hessen Ausschussvorsitzender für die Beruflichen Schulen ist. Dort ist er hessischer Landesvertreter im Bundeselternrat und auf Bundesebene „des Öfteren in Berlin bzw. Potsdam“ zu Zusammenkünften unterwegs. Ein Ruf eilt ihm voraus: „Der Helmut kommt, und wir dachten schon, der sei in Rente“.

Warum er sich diesen Stress noch immer antut? „Ich bin nicht der Mensch, der als Rentner zuhause rumsitzen kann – und seiner Frau womöglich auf die Nerven geht“. Und so bringt er sich mit seinen in vielen Jahren gewachsenen kommunal- wie gesellschaftpolitischen Erfahrungen überall dort gerne ein, wo man seinen Rat zu schätzen weiß. Wäre es nicht an der Zeit, Erinnerungen zu schreiben? Den Titel hätte er schon: „Tatort Politik“, aber wohl nicht die Zeit dazu. Indes: zwei Ikonen-Bücher hat er in Vorbereitung, die all das erschließen sollen, was die Wände seines Heims schmückt. Natürlich sprechen wir an diesem Abend rückblickend auch über seine Bürgermeisterzeit, in der er der Kreisstadt mit der Innenstadt-Gestaltung zu einem neuen Selbstbewusstsein verholfen hat.

Zur „unendlichen Trauergeschichte Kreisklinik“ bezieht er klar Position: „Seit 2001 kämpfen wir mit dem Thema, und wir sind als Kommunalpolitiker dem Bürger gegenüber in der Pflicht, tragbare Lösungen zu finden“. Nach knapp drei Stunden unterhaltsamer Kommunikation kommen wir zur Schlussfrage: Wie lautet denn Helmut Kinkels Lebensmotto? „Ich blicke stets nach vorne und klammere mich nicht an der Vergangenheit fest“, sagt er mit dem Glas in der Hand, „ich habe Freude am Leben, denke und handle positiv und nutze die Chancen, die das Leben bietet“.

 

Zur Person: Karl Helmut Kinkel, 1939 in Frankfurt am Main geboren, verh., drei Kinder, wohnt seit 1987 in Dornheim und gelangte über den zweiten Bildungsweg zum Fachabitur. Zu den beruflichen Stationen zählt u.a. seine Tätigkeit als Direktor der Karlsruher Lebensversicherung; ab Juli 2001 war er für eine Amtsperiode Bürgermeister der Kreisstadt Groß-Gerau. Sein kommunalpolitisches Engagement begann bereits 1973 als Gemeindevertreter in Liederbach, später Abgeordneter im Kreistag des Main-Taunus-Kreises; dann ab 1993 Stadtverordneter und stellv. Stadtverordnetenvorsteher der Kreisstadt Groß-Gerau. 1996 gründete er die Kommunale Bürgerinteressengemeinschaft (Kombi), 2007 wurde er stellv. Landesvorsitzender der Freien Wähler Hessen; heute ist er 1. Vorsitzender der Freien Wähler Kreisvereinigung Groß-Gerau und Kreistags-Abgeordneter.

Zu seinen zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten zählen u.a.: Präsident des Bezirksverbandes Frankfurt des Deutschen Roten Kreuzes (1972), Gründung einer europäischen Partnerschaft zwischen DRK Frankfurt und der Stadt Patras sowie dem Griechischen Roten Kreuz. 1986 Ehrenpräsident im griechischen Roten Kreuz, von 2014 bis heute Mitglied im Landeselternbeirat Hessen sowie Hessischer Landesvertreter im Bundeselternrat.

Zu seinen Auszeichnungen gehören u.a.: Bundesverdienstkreuz am Bande, Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes, Ehrenbrief des Landes Hessen, Goldenes Sportabzeichen. Seine Hobbys: Kultur, Vereinsarbeit und sein Garten.

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