Schule in der Corona-Krise

Von Ulf Krone.

Im vergangenen Jahr übernahm Dr. Annette Petri (Foto) die Schulleiterposition an der Prälat-Diehl-Schule (PDS) in der Kreisstadt. Anlässlich Ihres Dienstantritts stand Sie dem WIR-Magazin im Herbst schon einmal Rede und Antwort und berichtete von ihren ersten Wochen im neuen Amt, vom Kennenlernprozess sowie Ihrer Herangehensweise an die neue Aufgabe. Ein gutes halbes Jahr später sieht sich die junge Schulleiterin in Form der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Eindämmungsmaßnahmen mit einer Situation konfrontiert, die selbst für die erfahrensten Kollegen absolutes Neuland sind. Grund genug, erneut nachzufragen, wie sich die Lage nach Wochen des Stillstands und der ersten zaghaften Öffnung der Schule darstellt.

Bei unserem ersten Gespräch betonten Sie, wie wichtig es Ihnen sei, die Schule und die Kollegen zu Beginn eingehend kennenzulernen, sich mit Klassenbesuchen und in persönlichen Gesprächen ein Bild zu machen. Gerade noch rechtzeitig, muss man aus heutiger Sicht sagen, bevor die Corona-Krise über das Land hereinbrach und auch die PDS geschlossen werden musste. Wie haben Sie und Ihre Kollegen diese dramatische Entwicklung zu Beginn des sogenannten „Shutdowns“ erlebt?

Dr. Annette Petri: Ganz ehrlich: In der Rückschau auf den 13. März und damit auf das Datum der Bekanntgabe der Schulschließung in Hessen bzw. in allen Bundesländern ahnten wir als Schulgemeinde noch nicht, was nun auf uns zukommen wird. Direkt am nächsten Tag traf sich die Schulleitung gemeinsam mit Kollegen aus dem schulischen Krisenteam, Vertretern des Schulelternbeirats, den Ansprechpersonen des Ganztags und Kolleginnen aus den beiden Sekretariaten der Schule. Als Ergebnis entstand ein gemeinsamer Plan für die erste Phase des „Shutdowns“. Die Notbetreuung musste organisiert, Rahmenbedingungen für das außerunterrichtliche Lernen für die Mittel- und die Oberstufe entwickelt, der Beginn des schriftlichen Abiturs organisiert und neue Kommunikationsstrukturen innerhalb der Schulgemeinde festgelegt werden. Hier griff – so gut das in einer solchen Situation möglich war – ein Rädchen in das andere, sodass wir trotz aller Ungewissheiten zu diesem Zeitpunkt dennoch mit der notwendigen Ruhe und Klarheit diese erste Phase gestaltet konnten. Gerade für die Abiturienten, für die bereits drei Tage nach dem „Shutdown“ die Abiturprüfungen ins Haus standen, waren klare und schnelle Kommunikationsprozesse immens wichtig.

Trotz aller organisatorischer und kommunikativer Bemühungen waren das Kollegium, die Schulleitung und natürlich in besonderer Weise die Schüler sowie die Eltern ab dem 16. März mit einer Situation konfrontiert, die nicht nur völlig neu, sondern auch von Ungewissheit geprägt war und von vielen offenen Fragen begleitet wurde. Wann wird es wohl weitergehen? Wann schreiben wir die Klassenarbeiten und Klausuren nach? Wann holen wir das ausgefallene Praktikum in der Oberstufe nach? Sehr schnell wurde deutlich, wie wohltuend doch die bekannten Routinen und Abläufe sind, die nun neu gedacht und gestaltet werden mussten. Das war gerade in den ersten Tagen und Wochen für uns alle eine sehr große Herausforderung.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern konnten die schriftlichen Abiturprüfungen in Hessen noch vor der endgültigen Schulschließung durchgeführt werden. Gab es dabei Einschränkungen, oder konnten sich die Abiturienten wie gewohnt ganz auf die Prüfungen konzentrieren?

Dr. Annette Petri: Die Antwort auf diese Frage würde ich unter die Überschrift „Alles wie immer und dennoch ganz anders“ stellen. Organisatorisch und kommunikativ haben wir sowohl im Vorfeld als auch an jedem einzelnen Prüfungstag selbst alles dafür getan, dass sich unsere 100 Abiturienten ganz auf ihre Prüfungen konzentrieren konnten. Und dennoch: weder in die Köpfe noch in die unterschiedlichen Gefühlslagen der Schülerinnen und Schüler konnte ich hineinschauen. Ich gehe schon davon aus, dass zur normalen und in gewisser Weise sicherlich auch notwendigen Anspannung vor einer Abiturprüfung aufgrund der besonderen Infektionssituation bei dem ein oder anderen Prüfling zusätzliche Sorgen und Ängste die Prüfung begleiteten.

Was also die Abläufe an den Prüfungstagen selbst betraf, so gab es rückblickend auf diese drei Wochen schriftlicher Abiturprüfungen keine Einschränkungen. Von Einschränkungen würde ich aus Sicht der Schüler insofern sprechen, als dass es am letzten Prüfungstag keine gemeinsamen Zusammenkünfte geben durfte. Für viele Jugendliche, nicht nur unserer Schule, gehören Abiturfeiern einfach dazu, und die Vorfreude darauf war sicherlich groß. Klar, man kann zu diesen Abifeten stehen wie man möchte. Neben der Möglichkeit des gemeinsamen Feierns entfiel mit der Absage bzw. dem Verbot der geplanten Abifeier auch die Chance, gemeinsam, das heißt mit der eigenen und für diese Zeit so wichtige Peergroup, einen Strich unter die drei schriftlichen Prüfungen und damit unter die erste Etappe der Abiturprüfungen ziehen zu können. Ich hoffe, alle Schüler haben dennoch einen Weg gefunden, die schriftlichen Prüfungen zunächst abzuhaken und den Blick in Richtung mündliche Prüfungen zu richten.

Wie sind die Wochen ohne Präsenzunterricht verlaufen? Erläutern Sie unseren Lesern bitte einmal die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die diese Ausnahmesituation für die Lehrkräfte mit sich gebracht hat!

Dr. Annette Petri: Gerne beantworte ich diese Frage aus meiner Rolle als Lehrkraft heraus, die in diesem Schuljahr eine Klasse der E-Phase (Jahrgangsstufe 11) im Fach Biologie unterrichtet. Für mich kann ich sagen, dass das Corona-Virus meine übliche Herangehensweise und die unterrichtliche Zusammenarbeit mit den Jugendlichen im Fach Biologie doch ziemlich ausgebremst hat. Gerade in der Jahrgangsstufe 11 im Fach Biologie besteht für die Schüler die tolle Möglichkeit, über Versuche, Experimente und mithilfe des Mikroskops sich die Lerninhalte anzueignen.

Doch nicht nur die Gerätschaften und damit das Handwerkszeug eines experimentell angelegten Biologieunterrichts fehlen. In der Planung einer Unterrichtsstunde stellt man sich als Lehrkraft u.a. folgende Fragen: wo könnten die Lernenden Schwierigkeiten haben, und wie gehe ich damit um, wo setze ich gezielt kooperative Lernformen wie Partner- oder Gruppenarbeiten ein, sodass sich die Schüler gegenseitig unterstützen könnten, an welcher Stelle erwarte ich für den Lernprozess höchst produktive Situationen kognitiver Konflikte, d.h. Situationen, in denen Lernende ihre bekannten Vorstellungen neu überdenken und in Frage stellen müssen. Diese Überlegungen fallen für mich gerade weg. Vielmehr hinterfrage ich jeden digital gestellten Arbeitsauftrag und jedes Arbeitsblatt daraufhin, ob die Jugendlichen möglichst eigenständig damit zurechtkommen.

Was ich hier für das Fach Biologie beschreibe, ist auf nahezu jedes Unterrichtsfach übertragbar. Klar, ein Gedicht kann man auch allein lesen, ein Gemälde am Tablet betrachten, den Chemie- oder Physikversuch über ein Video beobachten, historische Quellen oder tagespolitisch aktuelle Artikel lesen, eine Theaterszene analysieren – keine Frage, und viele digitale und interaktive Tools sind hervorragend und gerade für die aktuelle Situation unabdingbar. Und dennoch – Lernen und Unterricht ist mehr und von vielen Faktoren abhängig, die an gemeinsame Kommunikationen und Interaktionen geknüpft sind. Zu diesem „Mehr“ gehören auch die immens wichtigen Beziehungsstrukturen zwischen den Schülern und den Lehrkräften.

Nun hat die vorsichtige Öffnung des Landes begonnen, und der Präsenzunterricht ist zumindest für die Schüler der Jahrgangsstufe Q2 wieder angelaufen. Wie hat man sich Unterricht in Zeiten der Corona-Pandemie vorzustellen, und wie sind die ersten Tage in der PDS verlaufen?

Dr. Annette Petri: Der Unterricht in der Q2-Phase, das sind an der PDS aktuell 126 Schüler, die im nächsten Jahr Abitur machen werden, findet aktuell in vier Fächern statt. Diese Vorgabe wurde für ganz Hessen festgelegt und umfasst die jeweils von den Schülern gewählten Leistungskurse sowie die Grundkurse in den Fächern Mathematik und Deutsch. Die meisten Gruppen haben wir geteilt, sodass nie mehr als 12 bis 13 Schüler in einem Raum sind. Diese Teilung bedingt natürlich, dass die eingesetzten Lehrkräfte die doppelte Stundenzahl unterrichten. Alle Unterrichtsräume, inklusive der Pausenhalle und dem Foyer, wurden vom Schulträger frühzeitig vorbereitet, sodass die notwendigen Abstandsvorgaben zwischen den Plätzen hergestellt sind. Partner- oder Kleingruppenarbeit sind natürlich nur eingeschränkt möglich, gelten auch hier die notwendigen Abstandsregelungen. Trotz dieser sehr veränderten Rahmenbedingungen gewinnen alle Beteiligten ein Stück Normalität zurück. Das tut gut. Am 18. Mai folgte hessenweit der nächste Öffnungsschritt, der nun auch die jüngeren Jahrgangsstufen einbezieht. Auch hier gilt es, gemeinsam mit dem Kreis Groß-Gerau (Schulträger) und dem Staatlichen Schulamt in Rüsselsheim am Main alles so vorzubereiten, dass die Abstandsregelungen auch in Situationen, in denen deutlich mehr als 126 Schüler an beiden Standorten der Schule zeitweise vor Ort sein werden, gut umgesetzt werden können.

www.praelat-diehl-schule.de

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