Schwierige Bedingungen

Von Rainer Beutel. 

Die Treburer Geschichte ist imposant. Sie bietet Historikern reichlich Forschungsstoff, nicht zuletzt wegen der Bedeutung des Ortes als Standort einer Kaiserpfalz. Die Gesellschaft Heimat und Geschichte sorgt dafür, dass das Wissen um die ruhmreiche Vergangenheit präsent bleibt. Dies geschieht unter schwierigen Bedingungen, denn Zuwendungen der Gemeinde sind rar. Vorsitzender Wolfgang Kraft gibt im Interview mit WIR-Redakteur Rainer Beutel einen Einblick in die Vereinsarbeit und verspricht für das 50-jährige Bestehen der Geschichtsfreunde im nächsten Jahr aufregende Neuigkeiten.

Herr Kraft, Sie prägen den Verein nun schon seit fast fünf Jahrzehnten, viele Jahre davon als Vorsitzender. Jetzt haben Sie angekündigt, dass dies Ihre letzte Amtszeit sein wird. Warum?

Wolfgang Kraft: Nach rund 25 Jahren an der Spitze des Vereins sollten die Geschicke ganz einfach mal in jüngere Hände gelegt werden, um neue Ideen umzusetzen.

Ein Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte ruft tolle Veranstaltungen und Aktionen ins Gedächtnis, von der Fahrt nach Canossa über die Pfalzzeittage und die Dorferneuerung bis zu vielfältigen Bemühungen, den Ortsmittelpunkt zu beleben. In wenigen Sätzen: Was waren in Ihrer Amtszeit die Höhepunkte?

Wolfgang Kraft: Der Wichtigste war die Neueröffnung des Museums in der Nauheimer Straße 14 in einer typisch denkmalgeschützten Treburer Hofreite. Zu den anderen zählen die Markt- und Handwerkstage am Alten Rathaus, der Mittelaltermarkt, die Ortsrundgänge, Exkursionen zu historischen Stätten in Deutschland und Europa. Besonders der Besuch des Archivs in Carcassonne, wo die einzigartige, unverfälschte Ersterwähnungsurkunde Treburs von 829 einzusehen war, bleibt unvergessen. Vorträge zu historischen Ereignissen in Trebur, allein 27 Sonderausstellungen seit 1997 im Museum, die Herausgabe von Publikationen und der Einsatz für die Erhaltung historischer Relikte wie den ältesten Grabstein auf dem Treburer Friedhof und die älteste Glocke des Landkreises Groß-Gerau von 1350 gehören auch dazu. Ebenso die Ausrichtung von Konzerten in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk in der zum Teil noch frühmittelalterlichen Laurentiuskirche waren eine stolze Leistung in der Vereinsgeschichte.

2020 besteht der Verein seit 50 Jahren. Was haben Sie und ihre Mitstreiter sich vorgenommen, und auf was darf sich Trebur freuen?

Wolfgang Kraft: Auf einen neuen Bildband mit bisher noch nicht veröffentlichten historischen Fotos, eine Broschüre über die in 50 Jahren geleistete Vereinsarbeit sowie eine weitere Veröffentlichung über Treburer Orte, die Geschichten erzählen. Außerdem eine neue Sonderausstellung über ein sehr bedeutendes Bodendenkmal aus der Steinzeit in der Treburer Gemarkung. Außerdem auf einige Vortragsveranstaltungen.

Mit Zuwendungen der Gemeinde scheint Ihr Verein aber nicht gerade auf Rosen gebettet. Warum ist das so?

Wolfgang Kraft: Wir vermuten, dass die bedeutende Geschichte von Trebur im Mittelalter – die auch der Markenkern der Gemeinde ist – den Verantwortlichen nicht genügend bewusst ist. Durch dieses Manko ist die Museums- und Geschichtsaufarbeitung völlig unterfinanziert.

Kann sich Ihr Verein unter den gegebenen Umständen fortentwickeln?

Wolfgang Kraft: Ja, da der Verein durch seine Museums- und Geschichtsarbeit eine in Trebur dringend benötigte professionelle Fachkraft ersetzt. Deshalb ist es auch erforderlich, dass die Treburer Bürger sich mit einer Mitgliedschaft im Verein diesen Themen stellen und damit die zukünftige Museums- und Geschichtsarbeit unter den jetzigen Umständen sicherstellen. Für die geplanten Publikationen und Aktionen im Rahmen des 50-jährigen Vereinsbestehens ist allerdings eine finanzielle Unterstützung dringend erforderlich.

Sie und der Vorstand haben den Anspruch, im Museum nicht nur sehenswerte Relikte vergangener Zeiten auszustellen, Sie verfolgen auch einen Bildungsauftrag. Wie setzen Sie dieses Vorhaben unter den erschwerten Bedingungen um?

Wolfgang Kraft: Wir arbeiten mit Schulklassen und Besuchergruppen zusammen, die hauptsächlich aus der Region kommen und stehen anderen Institutionen mit Antworten zur Treburer Geschichte zur Verfügung. Das alles ist nur durch den großen Idealismus der Vereinsmitglieder möglich.

Und wie geht es nun, da Trebur einen neuen Bürgermeister bekommt, weiter?

Wolfgang Kraft: Wir hoffen, dass der neue Bürgermeister sich mehr mit der historischen Vergangenheit identifiziert. Besonders erwünscht wäre es, dass die bestehenden Gebäude des Museumsareals rechtlich (Anm. d. Red.: vgl. „Zum Hintergrund“) genutzt werden können und dass ein Ausbau des Museums weitergeführt und der großen Geschichte des Ortes gerecht wird.

 


Wolfgang Kraft
ist 68 Jahre alt. Der gebürtige Frankfurter ist Vorsitzender der Gesellschaft Heimat und Geschichte seit 1994, im Vorstand seit 1972;
w.h.l.kraft@t-online.de

 

Zum Hintergrund: Zum Museumsareal gehört eine Scheune mit einem Grundriss von 250 Quadratmetern. Dieses Objekt wurde mit der finanziellen Hilfe des Vereins ausgebaut und saniert. Dazu gehörte z.B. das Auswechseln der Schwellen, Ausmauern der Fachgewerke mit den alten Backsteinen, Ausfugen der Backsteinfugen, Bau eines Werkstattraums und Einziehen eines Zwischenbodens als Depotraum; dazu wurden zwei Holztreppen angefertigt, um sicher auf den oberen Boden zu gelangen. Zuletzt wurde mit Hilfe der Gruppe „Mir Trewwerer“ das marode Dach ausgebessert. Die Scheune hat aber trotz all diesen Verbesserungen keine berechtigte behördliche Nutzung erhalten und ist immer noch „ein Gebäude der landwirtschaftlichen Nutzung“. Die Gemeinde Trebur habe bisher keine Nutzungsänderung bei der Baubehörde eingereicht, sagt der Verein. Laut Kreisbauamt Groß-Gerau dürfe die Scheune nicht als Aktionsraum genutzt werden. Die Gemeinde genehmige nur den Weihnachtsmarkt auf Vereinsrisiko, ebenso Veranstaltungen mit Schulklassen oder Erwachsenen.

Das könnte Dich auch interessieren …