Seit zehn Jahren alles im Fluss

tx525x330_koslowski

Von Rainer Beutel

Die in Nauheim ansässige Künstlerin Beate Koslowski blickt in diesen Tagen auf den zehnten Geburtstag ihres Ateliers zurück. Die Malerin gewährte Rainer Beutel von der WIR-­Redaktion einen persönlichen Einblick in die Räume, die seit einer Dekade ihr berufliches Leben prägen.

Hat das Atelier wirklich nur ihr berufliches Leben geprägt? Das wäre wohl zu kurz gefasst. In ihren Werken und in einem bewundernswerten Buch offenbaren sich mannigfaltige Anspielungen auf persönlich Erlebtes, das sie mit ihrer Kunst verbindet und subtil verarbeitet.
Unumwunden kommt Beate Koslowski zu Beginn der Sonderführung auf ein Motiv zu sprechen, das überaus ansprechend erscheint, aber für einen Außenstehenden schwierig nachzuempfinden ist. In dem Bild stecke eine Trauerverarbeitung, erklärt sie, um im gleichen Atemzug einzuräumen, dass die Symbolik für den uneingeweihten Betrachter keineswegs augenscheinlich sei.
Wenn sie darin den schrecklichen Unfalltod eines lieben Freundes auf Leinwand bannt, trage die Form den Inhalt. „Ich habe eine Idee im Kopf, die ich im ästhetischen Sinn verarbeite“, sagt sie. Gleich darauf wird sie philosophisch und zitiert den auf Heraklit zurückgeführten Aphorismus „pantha rei“ – „Alles ist im Fluss, das Leben geht weiter“, interpretiert Beate Koslowski das eigene Bild.
Wandel und Vergehen sind in ihrem Atelier zu entschlüsseln. Die Räume hat sie damals, vor etwas mehr als zehn Jahren, wie ein Berserker völlig umgekrempelt. Was nicht niet- und nagelfest war, flog raus: Wände, Teppiche, altbackene Farben, auch Mauern wurden eingerissen. Beim Umbau geriet tatsächlich „alles in Fluss“. Koslowski verweist auf den „ewigen Tanz des Lebens“, den sie meist fröhlich und glücklich nur zu gerne mittanzt. Und das trotz schwieriger junger Jahre.
Sie sei unter Flüchtlingen aufgewachsen, erinnert sie sich an ihre familiären Verhältnisse (der Vater stammt aus Ostpreußen). Doch sie spielt damit auch auf Nauheim an, dem Standort ihres Ateliers, der Keimzelle ihres künstlerischen Wirkens. Der Ort also, der nach 1946 unzählige Flüchtlinge aus dem Sudeten- und Egerland aufgenommen und erfolgreich integriert hat. Vielen dieser Menschen verdankte die Gemeinde durch die Musikindustrie einen immensen Aufschwung.
Für Beate Koslowski ist die Mentalität und Bereitschaft, Fremden ein neues Zuhause zu geben, eine Voraussetzung gewesen, vor einer Dekade in der Musikgemeinde ihr Atelier zu eröffnen. Sie habe sich von Beginn an wohl gefühlt, früh auch intergiert und gemocht. Heute, in einer erneut schwierigen Zeit mit einer nicht nur unterschwellig spürbaren Fremdenfeindlichkeit, nimmt sie ihre Biographie auch zum Anlass, mahnend kreativ zu sein. Etwa, wenn sie die Lehre vom barmherzigen Samariter künstlerisch aufgreift und damit Bezüge zum Schicksal der Flüchtlinge unserer Tage schafft.
Ohne zu zögern gesteht sie: „Ich habe mich seelisch gequält.“ Sie spricht von der Entstehung eines solchen Bildes, das viel düsterer wirkt als ihre Reiseskizzen oder ihre Arbeiten mit jungen Menschen und Schülerinnen in ihren Malkursen. Wer Beate Koslowski als „Kunstlehrerin“ erlebt, spürt auch kein oberlehrerhaftes Gebaren, sondern eine freundschaftliche Stimmung unter Gleichen. „Wenn jemand malt, gibt er seine ganze Seele in das Bild. Da übe ich keine Kritik mit der Holzhammermethode“, schildert sie das wöchentliche Geschehen in ihrem Atelier und im Kulturverein Griesheim.
In einem Tagebuch, das keinen Anspruch auf chronologische Ordnung erhebt, sind solche Momente in Wort und Bild festgehalten. Es dokumentiert „Zehn Jahre Atelier Koslowski“ auf eine Weise, wie es keine hippe Homepage, kein feuilletonistischer Zeitungsbericht und keine einleitenden Worte bei einer Vernissage könnten.
Ihre künstlerische Handschrift in dem großformatigen Buch ist unverkennbar. „Wie kann sie nur eine Sekunde darüber grübeln, dieses Buch bei der Zehn-Jahresfeier nicht auszulegen?“, rätsele ich. Viele Begegnungen und Stationen sind darin festgehalten. Wäre das gebundene Werk ein Film, natürlich mit Beate Koslowski in der Hauptrolle, gerieten die üblichen Protagonisten – Kommunal- und Kreispolitiker, Gönner, Galeristen und andere Maler, deren Bilder sie gleichsam in ihren Räumen ausstellte – glatt zu Statisten. Sogar die sehenswerte Chagall-Ausstellung vor wenigen Jahren.
Enthalten sind in ihrem Tage- beziehungsweise Atelierbuch Seiten, die ihre persönliche Integration dokumentieren, vor allem die gute Nachbarschaft rund um ihr Atelier. Sie erzählt, dass sie von einem Nachbarn schon mal eine Rose zum Valentinstag geschenkt bekommt oder im Briefkasten immer wieder Zeitungsausschnitte findet, die ein aufmerksamer Zeitgenosse interessant und auch für sie unbedingt lesenswert findet.
„Ist das nicht süß?“, sagt Beate Koslowski hingerissen und mit der Gewissheit, dass es richtig war, vor einem Jahrzehnt ihr berufliches und ihr persönliches Leben von Nauheim aus zu entfalten.

Zur Person: Beate Koslowski studierte von 1974 bis 1978 Malerei, Kunsterziehung und Kunstgeschichte, begleitet von Germanistik und Psychologie, an der Goethe-Universität in Frankfurt. Seit 1977 stellt sie Bilder im In- und Ausland aus. Ihre Werke befinden sich überwiegend in privatem und öffentlichem Besitz. Seit 1980 lehrt sie an verschiedenen Bildungsinstitutionen, unter anderem gründete sie die Freie Kunstschule Darmstadt. Mehr über sie gibt es im Internet unter www.koslowski.ws

Das könnte Dich auch interessieren …