Sie scheut keine Herausforderung

Von W. Christian Schmitt.

Mit der Reihe „Tischgespräche“ gibt das WIR-Magazin seinen Lesern Gelegenheit, unmittelbar am jeweiligen Geschehen mit dabei zu sein, Menschen hinter ihrem Amt kennenzulernen. Diesmal hat uns Kerstin Geis, Vorsitzende der Bezirks-Landfrauen, SPD-Landtagsabgeordnete sowie Fraktions-Vorsitzende im Kreistag in einer Person, in ihr Ginsheimer Zuhause eingeladen.

„Ein tagtägliches Tischgespräch“, sagt sie fast am Ende unseres Besuchs, „ist in einer Familie das Wichtigste, was man haben kann“. Mehr noch: Einmal im Monat sonntags – wenn der Terminkalender es zulasse – säßen alle ihre vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter (im Alter zwischen 20 und 28 Jahre) mit der Mutter an einem Tisch und kommunizierten ausgiebig miteinander. Kerstin Geis verschafft sich damit den familiären Überblick und ist hautnah dabei, wenn es um die gemeinsame Lösung von möglichen Problemen gehen sollte. Und dieses Prinzip – zuhören, miteinander reden und dann entscheiden – scheint sie nicht nur im privaten Bereich beibehalten zu wollen.

Wir sind also genau richtig bei einer Frau, bei der man nicht genau weiß, ob ihr Tag tatsächlich auch nur 24 Stunden hat. Denn sie ist seit April diesen Jahres nicht nur Vorsitzende der Bezirkslandfrauen, sie ist auch SPD-Mitglied im Hessischen Landtag und zudem noch Fraktionsvorsitzende im hiesigen Kreistag. Fangen wir an, nachdem uns eine Gemüse-Quiche gereicht wurde („alles regional und saisonal und zudem im Umkreis von zwei Kilometern gewachsen“, erläutert die Gastgeberin), mit der neuen Galionsfigur der Landfrauen. „Eine Landfrau, was ist das eigentlich?“ fragen wir etwas bewusst unbefangen redend, wo doch nur noch wenige von ihnen einen Bauernhof ihr eigen nennen können. „Sie werden erstaunt sein“, kontert eine selbstbewusste wie selbstsichere Frontfrau, „dass es in unserem Bezirk 1.850 organisierte Landfrauen gibt. Und im gesamten Bundesgebiet sind wir gar Deutschlands größter Frauen-Zusammenschluss“.
Das schafft Klarheit und führt direkt zu unserer nächsten Frage, um was alles es „in diesem riesigen Frauenverband“ geht. Natürlich um alles, was mit dem Thema Frauen zu tun hat? „Nicht einzig Backen, Kochen, Stricken usw., sondern auch um Kindererziehung, Familie, Ernährungsfragen, Altersarmut, Elternzeit, den Wieder-Einstieg danach ins Berufsleben und natürlich Frauenrechte geht es“, erläutert Kerstin Geis. Denn Landfrauen hätten „eine ganz eigene, klare politische Agenda“. Doch bevor die nächste Männer-Frage ansteht, will sie noch rasch erzählen, wie einige Männer nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden reagiert hätten: „Jetzt wisse mer, wo’s und wie’s Latwerje gibt“. Eine Landfrau auf Pflaumenmus zu reduzieren, „das war für mich kaum auszuhalten, mein lieber Scholli“. OK, dass Landfrauen in manchen Ortsvereinen sich einmal im Jahr hinstellten und von vier Uhr in der Früh bis 17 Uhr durchgängig Latwerge rührten, sei eine gute Tradition. Aber das, was Landfrauen tatsächlich ausmache respektive auszeichne, sei, dass sie sich „um Andere sorgen“ und das Miteinander pflegten.
Profitiert der Landfrauenverein nun davon, dass die neue Vorsitzende („in Bauschheim habe ich einmal einen Praxistag auf einem Bauernhof verbracht“) schon reichlich Erfahrung sammeln konnte sowohl als Kommunal- und Landespolitikerin (mit einem entsprechend nutzbaren Netzwerk) wie auch als Vorsitzende des Hessischen Landeselternbeirats? Gelernt hat sie, im Team zu arbeiten, und über eine entsprechende Durchsetzungskraft scheint sie überdies zu verfügen. Fragen wir nach der Vereinsstruktur, nach Problemen mit der Gewinnung neuer Mitglieder. Ja, es gäbe, wie bei anderen Vereinen auch, Nachwuchsprobleme, das Durchschnittsalter sei „jenseits der 60. Und eine Landfrauen-Jugend gibt es auch nicht“, denn junge Menschen ließen sich generell „nur noch projektbezogen einbinden“. Zwar kenne sie noch nicht alles aus der Geschichte der Landfrauen, aber „der Kampfruf: Froh zu sein, bedarf es wenig – und wer froh ist, ist eine Landfrau“ sei ihr geläufig.

Es macht Spaß, mit Kerstin Geis ein Tischgespräch zu führen, und wir fühlen uns wohl in ihrem Zuhause, einer Penthouse-Wohnung, in der sie uns noch von ihren „größten Leidenschaften“ erzählt: „Egal, wann ich nachhause komme, lese ich ein Buch“, eines von rund 2.500 („also gefühlt fast alles, was gedruckt wird“), die „in jeder möglichen Stellecke“ zu finden sind. „Das sind die kleinen Inseln“, sagt sie, die sie sich geschaffen habe. Leidenschaft Nr. 2 ist übrigens das Kochen, bei dem sie „zur Ruhe kommt“. Als wir dann schon vor dem Fahrstuhl stehen, der uns hinunterbringt zum Hausausgang, denke ich: Was wird die nächste berufliche Station dieser Powerfrau sein, die keine Herausforderung zu scheuen scheint?

 

Zur Person: Kerstin Geis, geboren 1964 in Frankfurt am Main. Ausbildung zur Steuerfachangestellten, Studium der Betriebswirtschaft, Wohnort: Ginsheim-Gustavsburg, Landtagsabgeordnete in Groß-Gerau Nord;
https://kerstin-geis.de

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