Spuk unter der Teufelskanzel

Von Ulf Krone.

Gleich zwei Ausstellungen mit Werken von Mario Derra sind derzeit in der Kreisstadt zu besichtigen. In der Kundenhalle der Kreissparkasse ist noch bis zum 30. Oktober unter dem Titel „Peter Schöffer und die Entfaltung der beweglichen Lettern“ ein Farbholzschnitt-Zyklus zu sehen, der auf 22 großformatigen Blättern die Geschichte menschlicher Ausdrucksformen sowie der Druckkunst darstellt. Unter dem Titel „Spuk unter der Teufelskanzel und weitere Arbeiten von Mario Derra“ kann im Stadtmuseum noch bis zum 4. Februar kommenden Jahres neben anderen Werken auch die weltgrößte Lithographie bestaunt werden. Anlass genug für WIR-Redakteur Ulf Krone, einmal beim Künstler nachzufragen.

Gerade wurde Ihre Doppelausstellung im Stadtmuseum und in der Kreissparkasse eröffnet. Erläutern Sie den WIR-Lesern doch bitte einmal kurz, was sie in den beiden Ausstellungen erwartet!

Mario Derra: Eine einmalige Präsentation anlässlich der Schenkung der größten Lithographie der Welt durch die Kreissparkasse an das Stadtmuseum! Zwei künstlerische Hauptwerke treffen zusammen. Die Lithographie „Massentourismus an den zwölf Aposteln“ im Stadtmuseum und der Farb-Holzschnitt­zyklus „Peter Schöffer und die Entfaltung der beweglichen Lettern“ mit 22 großformatigen Blättern in der Kreissparkasse. Dazu werden Lithographien, die sich mit der Jurazeit des mittelfränkischen Solnhofen beschäftigen, das frühe Radierwerk aus dem südhessischen Ried und weitere Holzschnitte zur Nibelungensage gezeigt.

Sie beschäftigen sich inzwischen seit fast 30 Jahren mit dem Druckpionier Peter Schöffer. Was macht für Sie die Faszination dieser Schlüsselfigur bei der Entwicklung des Buchdrucks aus?

Mario Derra: Mit dem ersten Holzschnittplakat, das ich zur 150jährigen Inauguration des Gernsheimer Schöffer-Denkmals geschaffen habe, sind es schon 31 Jahre. Schon das erste Werk Peter Schöffers (1425–1503), der Mainzer Psalter von 1457, besticht durch die Qualität seiner Typographie, die später nicht mehr übertroffen wurde. Zweifarbige Initialen von bis zu 327 mm Höhe, innen mit belebten Darstellungen und außen mit filigranen Zierden, ergaben zusammen mit den schwarzen Textteilen eine dreifarbige technische und künstlerische Meisterleistung. Darüber hinaus entwickelte Peter Schöffer Verlagsanzeigen für den Buchhandel, Strategien die seine Bücher weit über die Landesgrenzen hinaus trugen. Insgesamt waren es über 250 Verlagsprodukte der Offizin, vom liturgischen Prachtband bis zum gestalteten Einblattdruck.

Die ausgestellten Werke schlagen mithilfe klassischer Techniken wie Farbradierungen, Lithographien und Holzschnitten einen Bogen von Peter Schöffers Wirken bis hin zur Gegenwart im Hessischen Ried. Wie passt das alles zusammen, welches Konzept steckt hinter der Ausstellung?

Mario Derra: Diese vorgenannten Techniken gehören zur künstlerischen Originalgraphik. Erst in den letzten Lebensjahren Schöffers wurde die Radierung entwickelt, somit erschien mir der damals schon lange bekannte Holzschnitt für die Würdigung des Frühdruckers am besten geeignet. Die Gegend um Solnhofen, als einzige Lagerstätte des lithographischen Plattenkalkes weltweit, verlangte zwingend auch diesen Stein zur Umsetzung der Motive. Den Ansichten aus Solnhofen wurden die Arbeiten aus dem Ried gegenübergestellt, die feine Vegetation wiederum war in der detailreichen Radiertechnik am besten darzustellen. Mit etwa 85 Blättern ist es nur eine kleine Auswahl aus meinem Gesamtwerk, die die Bandbreite originalgraphischen Schaffens zeigt.

Gesprächspartner: Ulf Krone

Auf dem Foto: Mario Derra (m.) mit Tochter Ines Derra (l.) und seiner Assistentin Nandi Renner (r.) in der Werkstatt

Zur Person: Mario Derra, geboren 1954 in Gernsheim. 1972 Erstes Atelier für Plastik und Fotografie in Bürstadt. Studium an der Fachhochschule für Gestaltung Mannheim, 1976-1983 Studium der Kunst- und Werkerziehung sowie der Kunstgeschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz. 1982 Beginn der intensiven Auseinandersetzung mit der Farbradierung und Einrichtung eines Ateliers für Druckgraphik in Bürstadt. Zwischen 1986 und 2004 über 300 Einzelausstellungen und mehr als 100 Gemeinschaftsausstellungen im In- und Ausland. Renovierung des Alten Elektrizitätswerkes in Gernsheim von 1995 bis 2000 und Einrichtung eines Zentrums für Druckgraphik. 2002 entsteht in den Solnhofener Steinbrüchen die größte Lithographie der Welt. 2009 Eröffnung der Lehrdruckerei im Maschinenhaus des ehemaligen E-Werkes. Mario Derra lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Gernsheim.

www.mario-derra.de

 

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