Strafverfolgung statt Einsicht und Vernunft?

Von Werner Eitle.

Mit Kontinuität ist kein revolutionärer Umschwung im Tier- und Umweltschutz und in der Klimapolitik zu erwarten. Dennoch entsteht bei jeder neuen Regierung und bei jedem personellen Wechsel die Hoffnung, längst ausgehöhlte Positionen zu entsorgen.

Was das Insektensterben angeht wissen wir genug, um etwa grundlegende Reformen in der Landwirtschaft im Interesse der Natur und des Menschen zu ergreifen. Insekten stehen am Anfang der Nahrungskette, und ihr Rückgang bedeutet auch den Rückgang anderer Lebensformen, die von ihnen abhängig sind. Hinzu kommt der Verbrauch von Flächen für Industriegebiete, Wohngebiete und Straßenbau, die den Lebensraum eingeschränkt haben. Und die wenigsten dürften sich überlegt haben, was wir von unseren Windschutzscheiben und Kühlergrills entfernen, wenn wir unser Auto waschen.

Seit Jahrzehnten betreibt der Mensch einen nie dagewesenen Raubbau an der Natur – ob bei uns oder in den Regenwäldern Brasiliens. Politiker erlassen Gesetze, vielleicht um ihr Gewissen zu erleichtern, weil sie diese unsägliche Entwicklung durchaus wahrnehmen. Durch ihre Nähe zu mächtigen Interessensverbänden können ihre Entscheidungen jedoch nicht unbeeinflusst sein. Ihre Unentschiedenheit endet dann oft in wachsweichen Formulierungen, die genügend Spielraum für die Interpretationen pfiffiger Juristen lassen und dringend notwendige Entscheidungen hinauszögern. Was die Kontrolle der Einhaltung dieser Gesetze angeht, ist weder Geld noch ausreichend Personal vorhanden.

Selbst eine konsequente Strafverfolgung ersetzt nicht Einsicht und Vernunft, so lange die Börsennotierung einiger Großunternehmen wichtiger sind als die elementaren Bedürfnisse von Natur und Mensch und damit die globale Zukunft unserer Erde. Das Beharren auf Augenmaß darf auch nicht in Opportunismus ausarten, der dann überhaupt keine Haltung mehr erkennen lässt. Schaue ich in die Bevölkerung, sehe ich ein steigendes Interesse an der Natur und den Wunsch nach mehr Berücksichtigung bei politischen Entscheidungen. Das ist erfreulich, weil diese Menschen erkannt haben, dass man Geld nicht atmen, nicht trinken und nicht essen kann. Sie identifizieren sich mit ihr, weil sie den Wert für ihre Naherholung wiederentdeckt haben.

Aber ich sehe auch, dass es noch viel Überzeugungsarbeit bedarf, um Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit zu begegnen. Ein erkennbares Zeichen ist für mich der überall achtlos weggeworfene Müll. Von einem Zigarettenstummel bis zu Autoreifen und Kühlschränken. Das hat weder im Stadtgebiet noch in der Natur etwas verloren, haben wir doch zumindest in unserem Land alle Möglichkeiten der ordnungsgemäßen Entsorgung. Jedem ist zuzumuten, seine Bequemlichkeit zu überwinden und sich an unausgesprochene gesellschaftliche Spielregeln zu halten. Und damit sind wir wieder bei meiner Überschrift. Kontrolle und Strafverfolgung sind die Alternative zu Einsicht und Vernunft. Zwang will niemand, aber der Verzicht darauf setzt rücksichtsvolle und mitdenkende Bürger voraus, nur so funktioniert Demokratie.

Wenn man kritische Anmerkungen schreibt, weiß man auch, dass das nicht für alle gilt. Es gilt für die, die Freiheit nicht gleichsetzen mit Verantwortung. Weitere Informationen sowie aktuelle Meldungen gibt es im Internet unter www.nabu-gross-gerau.de oder per Mail: info@nabu-gross-gerau.de.

 


Werner Eitle
ist Vorsitzender des GG-Ortsverbands des Naturschutzbundes (NABU);
werner.eitle3@gmail.com

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