Talkrunde in der Straßenbahn
![]() | Britta Röder ist Romanautorin aus Riedstadt und Mitglied im Kulturstammtisch GG; britta-roeder@gmx.de |
Von Britta Röder
Die Mischung der Leute ist bunt an diesem Nachmittag in der gut besetzten Straßenbahn: pendelnde Büromenschen, Schüler, Mamis mit Kinderwagen, Rentner mit Einkaufstüten, ein paar Männer in Baustellenkluft, junge Mädels auf dem Weg ins nahe Shoppingcenter. Das Leute-gucken macht mir wie immer Spaß. Ich ahne interessante Geschichten hinter den unterschiedlichen Gesichtern. Doch welche, das bleibt mir leider verborgen.
Da steigen zwei Jungs ein. Die Schulrucksäcke lässig geschultert, schieben sich die beiden Teenager durch die Fahrgäste. Zielstrebig nehmen sie eine Sitzbank ein, ihnen gegenüber ein junger Mann. Sein verwegenes Äußeres hält die anderen Mitreisenden offensichtlich auf Abstand. Langes Haar, ein dichter Bart und der muskulöse Körper übersät von Tattoos. Die beiden Jungs sind stark fasziniert. Sie kichern, tuscheln und dann platzt der erste von ihnen heraus: „Cooles Tattoo. So eins will ich auch mal.“ Der Angesprochene beginnt zu grinsen: „Überleg dir aber gut, was du dir machen lässt.“ Nun ist das Eis gebrochen und die beiden legen richtig los: Ob das Tätowieren schmerzhaft gewesen sei, will der eine wissen. Ob man das auch wieder entfernen könne, der andere. Welches sein liebstes Motiv sei. Wann er damit angefangen habe. Unauffällig habe ich inzwischen meinen Stehplatz so ausgerichtet, dass ich die kleine Talkrunde fest im Blick habe. Die Fragen reißen gar nicht ab. Bereitwillig antwortet der Interviewte. Inzwischen wirkt er auch gar nicht mehr so piratenhaft finster, sondern sehr entspannt und freundlich. Gutwillig erteilt er Tipps. Von Namen-Tattoos rate er ab. Besser seien Muster oder Tiere. Überhaupt solle man gut überlegen, weil das spätere Entfernen nicht immer möglich sei. Auch bei der Hygiene gebe es Unterschiede. Besser man gehe in ein teures Studio als ein zu billiges.
Inzwischen werden die Fragen immer persönlicher. Warum er sich für dieses oder jenes Motiv entschieden habe. Es wird biographisch. Und auf einmal geht es um Musik, Reisen in ferne Länder, das Leben und mehr.
Begeistert höre ich zu und staune. Die spontane Runde ist besser als mancher Fernsehtalk. Die Fragen kommen völlig unvoreingenommen rüber. Die Antworten klingen ehrlich und sind gut formuliert. Als ich zwei Haltestellen später aussteigen muss, bedaure ich, das Gespräch nicht bis zum Ende verfolgen zu können. Nicht schlecht, finde ich, da lauern die besten Geschichten direkt vor einem. Man muss nur zugreifen, wenn sie sich einem bieten.