Über Volksverräter und Fake News



Dr. Renate Wahrig-Burfeind
ist Sprachwissenschaftlerin und Fraktionsvorsitzende der Grünen im Groß-Gerauer Stadtparlament;

wahrig-burfeind@t-online.de

Von Dr. Renate Wahrig-Burfeind

Das „Unwort des Jahres“ wird seit 1991 von einer Jury, die vorwiegend aus Sprachwissenschaftler/innen besteht, verkündet – ausgewählt aus den im Laufe des Jahres bei der Jury (unter www.unwortdesjahres.net) eingegangenen Einsendungen.

Als „Unwort“ bezeichnet man generell ein schlecht gebildetes, unschönes oder sachlich unangemessenes Wort. Mit der sprachkritischen Unwort-Aktion soll auf eine unangemessene Wortwahl im öffentlichen Sprachgebrauch hingewiesen und für den bewussten Umgang mit Sprache sensibilisiert werden.

Zum Unwort des Jahres 2016 wurde das Wort Volksverräter nominiert, „weil es typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten ist“, so heißt es u. a. in der Begründung der Jury. Auch die hierzu passenden Wörter völkisch und Umvolkung entstammen einem Sprachgebrauch mit faschistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund. Die Verwendung des Begriffs Volksverräter, insbesondere gegenüber demokratisch gewählten Staatsvertretern wie der deutschen Bundeskanzlerin – so geschehen von Mitgliedern der Pegida oder der AfD im Zusammenhang mit der Bewältigung der Aufnahme von Geflüchteten – ist unangemessen in der Wortwahl, antidemokratisch und missachtet zudem die in unserem Staat geltenden Menschenrechte.

Bereits 2014 war das Wort Lügenpresse, mit dem antidemokratische Kräfte die freie, öffentliche Presse zu diffamieren versuchen, zum Unwort gewählt worden. Mit diesem Wort werden recherchierte Sachverhalte oder auch der demokratische Diskurs als Ganzes der Unwahrheit bezichtigt –  es steht insoweit für das Verleugnen der Wahrheit und der Hinwendung zum Postfaktischen. Womit die Verbindung zu einem ebenfalls prämierten Begriff hergestellt werden kann: postfaktisch ist das „Wort des Jahres 2016“, das im Dezember von der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ in Wiesbaden prämiert wurde. Im „Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache“ (www.dwds.de) wird die Bedeutung von postfaktisch wie folgt beschrieben: „anerkannte Tatsachen, als gesichert geltendes Wissen nicht zur Kenntnis nehmend und sich stattdessen auf subjektive Wahrnehmungen und ungeprüfte Behauptungen stützend bzw. sich auf Stimmungen und Gefühle beziehend“.

Der Begriff postfaktisch ist analog zu der englischen Zusammensetzung post-truth gebildet (<lat. Post = „nach, hinter“ + truth = „Wahrheit“). Übrigens wurde das Wort post-truth ebenfalls zum „Word of the Year 2016“ gewählt, nämlich vom englischen Oxford Dictionaries.

Und es fehlt noch einer in der Reihe der jährlich prämierten Begriffe: Es ist der „Anglizismus des Jahres 2016“ (www.anglizismusdesjahres.de), nämlich das Wort Fake News (<engl. fake = „Täuschung, Fälschung“ + news = „Nachrichten, Neuigkeiten“). Dieses Wort ist bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts belegt, wo es für bewusste Falschinformationen – auch in satirischen Magazinen – gebraucht wurde und sich von False News (Falschmeldung) insofern unterscheidet, als es sich bei einem Fake um eine bewusste Täuschung handelt. Als Synonym hierfür ist auch der halb eingedeutschte Begriff Fakenachrichten zu finden.

Für 2016 zeichnet sich also eine eindeutige Tendenz ab: Gewählt wurden die Wörter postfaktisch, post-truth, Fake News und das Unwort Volksverräter. Dies alles sind Wörter, die auch im aktuellen politischen Kontext zu bewerten sind. Geht uns mit dem Postfaktischen die Wahrheit verloren? Verschwindet sie in den Fake News der Twitter Beiträge in sozialen Netzwerken? Ein amerikanischer Präsident, der kaum Presseerklärungen gibt, bei denen er Rede und Antwort stehen muss, sondern bevorzugt über Twitter kommuniziert, bewegt sich ganz im Sinne von post-truth und Fake News mit dem Ziel, durch populistische Äußerungen Stimmung zu machen und Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei ist es zweitrangig, ob die Fakten stimmen. Das ist insgesamt eine bedenkliche Entwicklung, auf die hier von den jeweiligen Sprachinstitutionen mit ihrer Auswahl der Wörter und Unwörter des Jahres 2016 aufmerksam gemacht und die Verwendung dieser Begriffe in der deutschen Sprache kritisch aufgezeigt wird.

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