Mit christlichem Leitbild

Von Rainer Beutel.

In den Einrichtungen des Diakonischen Werks ist bereits durch die Vielzahl von Informationsbroschüren das breite Betätigungsfeld einer Organisation zu erkennen, das wie ein Unternehmen arbeitet, mehrere Standorte betreibt und gleichzeitig mild- und sozialtätig wirkt. Wie funktioniert das? Was macht die Diakonie eigentlich? Lucian Lazar, Leiter des regionalen Diakonischen Werks Groß-Gerau/Rüsselsheim, gibt in einem Gespräch mit WIR-Redakteur Rainer Beutel Einblick in Aufgaben, Arbeitsweise und eigene Ansprüche.

Herr Lazar, das Diakonische Werk ist vielen Menschen namentlich bekannt, aber was genau die Diakonie macht, weiß keineswegs jeder. Können Sie bitte in wenigen Sätzen die Aufgabe der Diakonie schildern?

Lucian Lazar: Die Diakonie ist ein Teil der evangelischen Kirche Hessen/ Nassau und seit 2013, nach der Fusion der Diakonischen Werke in Kurhessen und Waldeck und Hessen und Nassau, die Diakonie Hessen. Wir sind der Mitgliedsverband der kirchlichen Träger diakonischer Arbeit in Hessen und Nassau. Damit sind wir auch ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Die Aufgabe der Diakonie ist es, bedürftigen Menschen unterschiedliche Hilfen und Beratungsdienste anzubieten und für diejenigen unsere Stimme zu erheben, die am Rande der Gesellschaft stehen. Wir setzen uns aktiv für den sozialen Ausgleich, Toleranz und Mitmenschlichkeit in den Kommunen und Landkreisen ein. Außerdem erfüllen wir eine sozialanwaltschaftliche Aufgabe für unser Klientel.

Das Geflecht von Zuständigkeiten wirkt komplex. Wo ordnen Sie die hiesige Diakonie ein?

Lucian Lazar: Das Diakonische Werk Groß-Gerau/Rüsselsheim ist ein Teil der 18 regionalen Werke der Diakonie-Hessen. Mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Hilfsangeboten, welche in drei Regionen aufgeteilt sind (Nord, Mitte, Süd), decken wir eine Vielzahl von Beratungen und Hilfeleistungen für bedürftige Menschen im Landkreis Groß-Gerau ab.

Wie sind die Arbeitsbereiche zwischen Rüsselsheim und Groß-Gerau aufgeteilt?

Lucian Lazar: Für die Region Rüsselsheim hat die Diakonie den Schwerpunkt auf Fachdienste im Bereich der Wohnungs- und Obdachlosigkeit gelegt, ebenso auf die ambulante Betreuung und Beratung von Suchtkranken oder ehemaligen Obdachlosen. Hier erfahren Menschen nicht nur Unterstützung und Begleitung beim drohenden Wohnungsverlust, sondern auch praktische Beratung bei Haushaltsführung und für den Wohnungserhalt. In Groß-Gerau haben wir zwei Schwerpunkte. Einerseits das Beratungszentrum in der Schulstraße 17 mit verschiedenen Angeboten und Diensten für Einzelpersonen, Paare oder Familien. Hier decken wir eine Vielzahl von Beratungen und Hilfestellungen wie z.B. bei häuslicher Gewalt, Schwangerenberatung, Schwangerenkonfliktberatung, Migranten-, Ehe-, Familien-, Kinderberatung etc. ab. Andererseits bieten wir generationenübergreifende Hilfen im Quartier, wie. z. B. “Am Springberg“, mit dem Mehrgenerationenhaus oder der Tafel an.

Zu Ihnen kommen auch Obdachlose und Geflüchtete.

Lucian Lazar: Ja, Betroffene können unsere Hilfe in Anspruch nehmen. Wir beraten Menschen, deren Existenz und sozialen Nöte im Vordergrund stehen. Unsere Einrichtung der Wohnungsnotfallhilfe in der Schützenstraße 4 ist zu einer wichtigen Säule in der Versorgung von wohnungslosen Menschen im Landkreis geworden. Wir haben außerdem eine Außenstelle des Beratungszentrums Groß-Gerau und des ambulanten Wohnens sowie der Geflüchtetenarbeit in Riedstadt auf- und unsere Dienste in der kommunalen Flüchtlingsarbeit ausgebaut. So sind wir unter anderem in Mörfelden-Walldorf, Nauheim, Trebur und Riedstadt in der sozialen Arbeit mit Geflüchteten stark involviert. Ferner gibt es eine Vielzahl von Wohn- und Betreuungsangeboten, von kleinen Wohngemeinschaften für seelisch kranke Personen bis zu stationären Einrichtungen der Jugendhilfe.

Hessenweit beschäftigt die Diakonie 1700 Mitarbeiter, im Umland sind es rund 100, und angefangen hat es mit sehr viel weniger. Wofür werden all die Beschäftigten gebraucht?

Lucian Lazar: Unsere fast 100 Beschäftigten setzen sich aus vielen spezifischen Anlaufstellen und Professionen zusammen. Es erfordert zahlreiche, sehr qualifizierte Mitarbeiter in den Bereichen der sozialen Arbeit und Verwaltung, um Anliegen und Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. Aber auch die Ausdifferenzierung der individuellen Bedürfnisse in unserer Gesellschaft nimmt zu und geht einher mit der steigenden Beschäftigungszahl in unserem Werk.

Aus welchen finanziellen Quellen speist sich die Diakonie, welche Gegenleistung ist zu erwarten?

Lucian Lazar: Hier wären nennenswert der Bund, das Land und die Kommunen. Die Zuwendungsgeber haben Leistungs-, und Vergütungsvereinbarungen mit den Trägern sozialer Arbeit abgeschlossen, in denen die Art und der Umfang der Dienstleistung genau beschrieben und festgehalten wird. Das können z.B. die Anzahl der Beratungsstunden oder inhaltliche Aufgaben der sozialen Arbeit sein. Darüber hinaus wird die Diakonie aus den Mitteln der evangelischen Kirche finanziert. Hier fließen Kirchensteuermittel für unterschiedliche Beratungsdienste im Landkreis Groß-Gerau ein. Einige Projekte werden rein aus Spendensammlungen oder Eigenmitteln finanziert, aber auch aus Mitteln der Lotterie. Schließlich sind einige Projekte nur möglich durch die hervorragende Unterstützung der Ehrenamtlichen. In einigen Bereichen der sozialen Arbeit, wie z.B. der Täterarbeit, gibt es Mischfinanzierungen.

Bei all dem geht es um öffentliche Gelder. Wie wird das kontrolliert?

Lucian Lazar: Jahresberichte und Verwendungsnachweise müssen den Auftraggebern bereitgestellt werden und werden auch von diesen überprüft. Die öffentliche Hand prüft in regelmäßigen Abständen die erbrachten Leistungen. Dies geschieht entweder über Berichte und Finanzierungsnachweise, aber auch statistisch. Die Diakonie unterliegt der jährlichen wirtschaftlichen Kontrolle des Finanzamts sowie verschiedenen Kontrollgremien des Landes und der Kommune. Die Transparenz und die Nachweisführung ist gerade bei dem Bezug von öffentlichen Mitteln von großer Bedeutung und wird von uns allen sehr ernst genommen.

Genau genommen wird die Diakonie als Dienstleister geführt wie ein Unternehmen. Und doch steht über allem die christliche Haltung der Nächstenliebe. Wie würden Sie in diesem Kontext Ihre innere Triebfeder beschreiben?

Lucian Lazar: Als moderner und attraktiver Arbeitgeber wollen wir auf der einen Seite menschliche Rahmenbedingungen für unsere Mitarbeitenden schaffen, so dass Familie und Beruf miteinander verbunden werden können. Andererseits erwarten wir von unseren Beschäftigten menschliche und fachliche Kompetenz. Als verantwortlicher Arbeitgeber wissen wir, dass zur Übernahme von Verantwortung auch die Bereitschaft gehört, sich selbst zu begrenzen. Wir sorgen für gute Rahmenbedingungen in der sozialen Arbeit und zeigen damit unser diakonisches Profil. Selbstverständlich sind Wurzel und Grundleitgedanke unseres Handelns die Arbeit der evangelischen Kirche und das christliche Menschenbild. Als diakonisch Handelnde nehmen wir die biblische Grundlage und das Evangelium sehr ernst. Deshalb ist uns die Linderung der Not aus Barmherzigkeit und die Bekämpfung der Ursachen von Not und Ausgrenzungen in der Gesellschaft sehr wichtig.

 

Zur Person: Lucian Lazar, Jahrgang 1966, Leiter der Diakonie Rüsselsheim/Groß-Gerau, hat nach seinem Studium an der FH Wiesbaden (Studienfach Sozialwesen) 1996 seine Diplomprüfung erfolgreich absolviert. Seitdem kann er mehr als 20 Jahre Betriebszugehörigkeit in der Diakonie vorweisen. Seit 2010 führt er das hiesige Diakonische Werk, zuvor war er stellvertretender Leiter.

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